DIE MELDUNG: Strafbefehl gegen Jonathan Meese wegen Hitlergrußes
Hitler geht immer. Ein Hakenkreuz, ein erigierter Grußarm, ein bisschen hysterisches Gebrüll – und fertig ist die Provokation. Jedenfalls, solange es eine Öffentlichkeit gibt, die sich davon provozieren lässt. Der Künstler Jonathan Meese soll nun dafür bezahlen, dass er vor einem Jahr in einer öffentlichen Gesprächsrunde zum Thema „Größenwahn in der Kunst“ passenderweise die „Diktatur der Kunst“ gefordert und zu diesem Stichwort programmgemäß den Arm gehoben hat. Mit Größenwahn kennt er sich ja aus. Damit hat er sich endgültig als GröKaK – den größten anzunehmenden Künstler aller Kalenderdekaden – zu erkennen gegeben. Den Strafbefehl, der nun mit einjähriger Verspätung erlassen wurde, hat er sich redlich verdient. Denn Dummheit muss bestraft werden. Und wenn das Armheben als künstlerisches Projekt betrachtet werden soll, dann ist die Geldstrafe eben auch Teil der Kunstaktion.
Damit wäre die Angelegenheit dann auch erledigt. Diese ewige Hitlerei ist sowieso ermüdend, die Bestrafung des Armhebens albern und die öffentliche Erregung, die man damit so zuverlässig hervorrufen kann, abstoßend. Als Lars von Trier sich vor zwei Jahren auf einer Pressekonferenz in Cannes etwas wirr dazu bekannte, ein Nazi zu sein, wurde er vom Festival ausgeschlossen. Denn man darf zwar ständig und überall jeden Unsinn erzählen, aber nicht, wenn das Wort Hitler darin vorkommt. Bei Hitler verstehen wir keinen Spaß. Da wird ohne Ende aufgeklärt, gemahnt, erinnert, aber anscheinend auch ohne jeden Erfolg, denn sonst müsste es doch irgendwann auch mal gut sein mit der Aufklärung.
Stattdessen aber vergeht kein Fernsehabend ohne den Führer. Täglich grüßt er als Murmeltier vom Obersalzberg, gern auch in Farbe und mittlerweile als schon vertrauter, etwas trotteliger aber doch eigentlich ganz lieber Onkel. Wir sehen ihn ja öfter als die eigene Verwandtschaft. Dabei ist dieser tägliche Hitlergruß, der zum Mediengeschäft dazugehört wie die Sportschau zum Samstag, eigentlich viel obszöner als ein erhobener Arm von Jonathan Meese, der doch sowieso nicht viel mehr kann als Hakenkreuze. Demnächst auch in Bayreuth.
Hitler ist der Untote, der west und west und einfach nicht weichen will. Auf der Bestsellerliste steht seit Monaten die Hitler-Satire von Timur Vermes ganz weit oben. Da erwacht Hitler in der Mitte Berlins zu neuem, altem Leben und macht mit seinen Reden und kuriosen Auftritten Karriere als Fernseh-Komiker. Da darf man lachen über ihn und ihn sogar sympathisch finden. „Er ist wieder da“, heißt dieser Roman. Dabei ist er ja überhaupt nie weg gewesen. Auf das Hitler-Buch mit dem Titel „Ich bin dann mal weg“, und zwar für immer, und den Meese und all die anderen nehme ich gleich mit – auf das müssen wir wohl noch eine Weile warten.
Jörg Magenau, kulturradio rbb 05.06.2013
Bild Trailer Starseite getidan, Ausschnit aus:
Reichsjugendtag in Potsdam am 01.10.1934, Kind in Uniform mit Hitlergruß; Website Friedrich-Ebert-Stiftung (FES): fes.de
- Sibylle Lewitscharoff: Das Pfingstwunder - 6. September 2016
- Elias Canetti: Das Buch gegen den Tod - 25. Dezember 2014
- Ernst Jünger: Feldpostbriefe an die Familie 1915-1918 - 9. November 2014
Schreibe einen Kommentar