Anders beheimatete Menschen, um das inkriminierte Wort „Ausländer“ zu vermeiden, wundern sich vielleicht. Wer nichts über Deutschland weiß und nur die aktuellen Debatten verfolgt, könnte glauben, dies hier wäre die Insel der Seligen. Wo man sehr ernsthaft den antisemitischen Gehalt des Gurkenkönigs in einem Kinderbuch auslotet, wochenlang das Rassismuspotential in Pippi Langstrumpf und Kleiner Hexe erörtert und am Beispiel eines seine eigene Attraktivität gewaltig überschätzenden FDP-Politikers erbittert über Sexismus und die Krise des weißen Mannes streitet – da kann es keine allzu großen Probleme geben.
Und doch hat man als Eingeborener das ungute Gefühl, auf weichem Boden zu stehen. Die gesteigerte Sensibilität gegenüber Unkorrektheiten aller Art suggeriert ja, dass es auch ein zunehmendes Gefährdungspotential gibt, fast so, als stünde der Rückfall in finstere Kolonial- oder noch schlimmere Zeiten unmittelbar bevor. Sexismus ist plötzlich allgegenwärtig, weil in jedem Mann ein Brüderle steckt. Rassismus gedeiht schon in Kinderseelen, wenn man ihnen schlimme Worte wie „Neger“ zumutet. Und der Antisemitismusverdacht lässt sich bei Bedarf sowieso jedem anhängen. Talkshows und Internetforen sind dafür ein guter Nährboden. Sie dienen weniger der Aufklärung, als der Hysterisierung. Das Netz ist ja kein Gehirn, sondern ein Nervensystem, das Erregungszustände meldet und verstärkt.
Politische Korrektheit zielt stets aufs Grundsätzliche – zu dem Preis, dass sie das, was sie zu bekämpfen vorgibt, auf geradezu inflationäre Weise verbreitet. Politische Korrektheit ist eine Gesinnung fundamentalistischer Art, weil sie ihre Träger immer ins Recht und die, die jeweils als Gegner auserkoren werden, ins Unrecht setzt und dazu zwingt, ihre Unschuld zu beweisen. Sie gibt genaue Verhaltens- und Sprachregelungen vor, so dass immer mehr Warntäfelchen im öffentlichen Diskurs aufgestellt werden. Politische Korrektheit ist die Religion der Religionslosen, die es aber unverzeihlich finden, religiöse Gefühle zu verletzen. Sie duldet weder Spott noch Ironie und ist die passende Weltanschauung fürs postaufgeklärte Zeitalter des Neopuritanismus, in dem wir uns derzeit befinden.
Die Korrektheitsideologie kommt, wie Gesundheitswahn, Nichtraucherdoktrin, Achselhaar- und Ganzkörperrasuren aus Amerika, was zu sagen den Vorwurf des Antiamerikanismus heraufbeschwören dürfte. Es geht, wie in jeder Religion, um Wahrheit und Hygiene. Insofern unterscheiden sich enthaarte Körper nicht von frisch geputzten Kinderbüchern. Die zivilisierte Welt verteidigt sich, indem sie alles Barbarische an sich negiert. Gegen diesen kosmetischen Totalitarismus zu rebellieren ist legitim und nötig. Wenn der Literaturkritiker Denis Scheck in seiner Sendung „Druckfrisch“ jüngst mit schwarz geschminktem Gesicht, gewissermaßen als weißer Neger Wumbaba, vor die Kamera trat, ist das deshalb nicht rassistisch, wie ihm nun vorgeworfen wird, sondern befreiend. Soweit haben es die Tugendwächter schon gebracht.
Jörg Magenau, rbb Kulturradio 01.02.2012
Bild: Denis Scheck via website daserste.de
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22. März 2013 um 23:13 Uhr
Was heisst „politisch korrekt“…der ganz nette Artikel „vergisst“das er selbst ebend dieses ist…! „Hier“ im Machtgefilde,Einflussgebiet unserer Politik muesste atets vor
politisch korrekt oder inkorrekt stehen…Universelle „Einheits P.K.“ existiert nicht(und wird nie existieren)…Filbingers legendaerer Satz“Was gestern richtig war kann heute nicht falsch sein“ passt heute noch in diversester Form! Was im BRD Siegermaechtesystem P.K.entspricht waere parziell x fach auf der Welt politisch unkorrekt! Der so hoffe ich nicht ernsthaft diskutierte „Neger Scheck“waere im lateinamerikanischen Karneval absolut politisch korrekte Normalitaet!
22. März 2013 um 23:49 Uhr
„Das Land gehoert immer der Gegenwartsgeneration“…Der Holowitzfetischismus mit ererbten Opfer-Taeterbild waere in ganz Afrika eine unkorrekte Perversion…! Das Bestreiten im Sinne des Wohles der Gegnwartsgeneration mit bewusst gewaehlten Mitteln der Revision ist weltweit der politisch korrekte gangbare Weg! Der Deutsche Umgang ist klar ein Sonderweg…jede Latina die ohne BRD Geschichtsbildkenntnis ueberrascht in doppeltem Sinn beim Anblick des Berliner Holowitzfeldes:Erklaert man die BRD Intention…“ins eigene Nest ge….“ Verblueffung eins;voelliges Unverstaendnis folgt bei Datum „Morde vor 70/75 Jahren“…Warum „macht ihr es nicht weg“ wenn ihr unschuldig seit…Eine logische Antwort …Siegermaechtewille…wenn es denn mal so waere…!
Diese quasi von aussen betrachtete Logik ist das contraer zur P.K. die im Ursprung sas krasse Gegenteil ist- P.K. ist der Versuch individuelle Schuld zu kollektivieren…im Falle BRD sogar die individuelle Schuld laengst verstorbener Einzelner vor 70 Jahren-abartig…Ein Versuch-leider parziell gelungen eine Opfer- und Taetervolkvererbung zu erschaffen! Wenn ich die Holocaustnummer leugne geschieht dies selten auf faktischer Basis…Basis meiner Leugnung ist die Erkenntnis das hinter jedem Stolperstein nur das Ziel einer Schulduebertragung in die Gegenwart steht! Solange auch fuer schuldfreie Generationen die politisch korrekte Interpretation schuldkultverpflichtend ist interessiert mich Adolfs Judennummer nicht…ich bestaetige sie nicht,ich streite sie nicht ab…! Wird P.k. bezueglich Holo -biologisch
bedingt als Suehneverpflichtung mit Ewigkeitswert ohne direkten Opferbezug definiert bin ich mir selbst verpflichtend voellig unkorrekt…“Ich scheisse nicht ins eigene Nest“…
Hier ist der Ansatz im Kampf vs. P.K. : die Irrrationalitaet mit Offenkundigkeit versehen…das heisst die staendige Vermischung Vergangenheit, Gegenwart,Zukunft permanent
auf eine Lebenszeit beschraenken…Mein (teilverantwortliche
)Vergangenheit beginnt am Tag meiner Geburt,die Zukunft endet am Tag meines Todes…Mein Leben verbringe ich permanent in der Gegenwart…ich bin nichts anderem als dieser Gesamtzeitspanne verpflichtet!
Awaiting…worauf auch immer