“Sunny, yesterday my life was filled with rain / Sunny, you smiled at me and really eased the pain / Now the dark days are gone, and the bright days are here / My Sunny one shines so sincere / Sunny one so true / I love you …“
Nach einem Sonnenaufgang in New York hat Bobby Hebb aus Nashville diesen Welthit komponiert – 50 Jahre ist das nun her. Der Sampler zum Geburtstag versammelt die wichtigsten aus wohl 2000 Versionen von Ella Fitzgerald, Dusty Springfield, James Brown, Wilson Pickett, Steve Wonder und und und. Und wirklich, mit diesem Lied geht in einem drinnen unwillkürlich die Sonne auf, grad so, wie es in a-moll beginnt, in Dur jedoch endet. Musik, ‚die andere Seite der Luft’ (Rilke) oder‚ die bilderlose Metapher der Versöhnung (Adorno), hat oft die Kraft, das finstere Gemüt aufzuhellen. Schon David tröstete den melancholischen, depressiven König Saul mit seiner Lyra, einer frühen Klampfe der Hirten. Sunny, das ist freilich nicht irgendein Wort, sondern ein Name, ein vieldeutiges, ja polysemantisches Feld. Das geht vom Kosenamen bis zur Sonne und schart retour schon rein assoziativ verwandte Welthits um sich: Yesterday der Beatles, Come rain or come shine von Harold Arlen, Rainy day, dream away von Jimi Hendrix, Smile von Charlie Chaplin, Night and Day von Cole Porter, Nuages von Django Reinhardt, The shadow of your smile von Johnny Mandel, You are the sunshine of my life von Steve Wonder …?“
Wenn denn schon unsere Sonne, nicht zufällig vom lieben Gott neben Mond und Sternen zur Scheidung von Tag und Nacht geschaffen, eher ambivalent auf die Erde scheint – wie die Sonne zur schieren Abwehr der Depression bejubelt wird, lösen ihre Strahlen die Schleierwolken auf, so wird sie zur Klage, versengt sie anderswo gnadenlos Boden, Wasser, Luft – , dann soll wenigstens mein Liebling mir zur (immerwährenden) Sonne werden. Doch dieser weit verbreitete Heliotropismus hat es in sich: was, wenn Sunny Sonnenschein, mein sunshine of my life es nicht schafft, rain in eased pain, dark in bright, also Unglück in Glück zu verwandeln? Mit einem Smile, einem Lächeln ist es ja leider meist nicht getan. „Die güldne Sonne voll Freud und Wonne bringt unsern Grenzen mit ihrem Glänzen ein herzerquickendes liebliches Licht / Mein Haupt und Glieder die lagen darnieder, aber nun steh ich, bin munter und fröhlich, schaue den Himmel mit meinem Gesicht.“ Darf ich so eine Leistung an mein Sunny adressieren? Münzen wir da nicht unsere megalomanen Glückserwartungen auf den jeweiligen Liebling? Machen Schluss, wenn Er/Sie als vermeintlicher Hoflieferant ‚es nicht bringt’?!
Himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt. Oder biblisch: Erst wird gejubelt, dann gekreuzigt? Ja, weit verbreitet ist die Tyrannei der Verliebheit, selber Anspruch pur zu verkörpern und Sunny habe die Erfüllung meine Erwartung zu garantieren. Umgekehrt wird ein Schuh, d.h. so ein Lied draus. „Sunny“ one so true / I love you”? Wer den / die Andere nicht alltäglich zum ‚Erlöser’, zum Licht wider Finsternis messianisiert, der bewahrt sein Sunny vorm Kaputtgehen. „Sonne der Gerechtigkeit, gehe auf zu unsrer Zeit!” In summa: “Sunny, yesterday my life was filled with rain / Sunny, you smiled at me and really eased the pain … – das ist ein Geschenk. Wie Bobby Hebb’s Hit: Thanks a lot, Sunny!
Jochen Wagner
Bild ganz oben: Rembrandt van Rijn – Saul und David (This work is in the public domain in its country of origin and other countries and areas where the copyright terms the author’s life plus 100 years or less.)
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