In sieben gut lesbaren Aufsätzen beschreibt der Kunsthistoriker Robert Fleck erstmals zusammenhängend, was den heutigen Kunstbetrieb ausmacht. Museen sind ihm zufolge globale Markenprodukte – und abhängig von finanzkräftigen Kunstsammlern.
Am Ende stolperte er über einen Sammler. Seltener ließ sich der Widerspruch zwischen Theorie und Praxis besser studieren, als bei der Entlassung Robert Flecks. Dem Leiter der Bonner Bundeskunsthalle wurde im Sommer 2012 zum Vorwurf gemacht, er habe sich bei einer Retrospektive des Künstlers Anselm Kiefer zu sehr auf Leihgaben des umstrittenen Sammlers und Industriellen Hans Grothe gestützt. Genau dieser Typus war aber immer ein Knackpunkt in den kritischen Analysen des Kunstwissenschaftlers Robert Fleck.
Glaubt man dem 1957 in Österreich geborenen Kunsthistoriker, Kurator und Publizisten, ist der Sammler zum entscheidenden Powerplayer der Kunstszene aufgerückt. Wegen der Haushaltsprobleme der Kommunen hätten die finanzkräftigen Sammler die heute meist ohne nennenswerte Etats ausgestatteten Museen in der Hand: Als Leihgeber benutzten sie diese zur Wertsteigerung ihrer eigenen Sammlung und könnten mit der Sammlungspolitik für ihre eigenen Privatmuseen zugleich auch diejenige der öffentlichen Museen beeinflussen.
Flecks Buch ist keine akribische wissenschaftliche Untersuchung, sondern eine Zusammenstellung bereits publizierter Aufsätze aus den letzten zwanzig Jahren. Mitunter etwas kursorisch, skizzieren die sieben kurzen, gut lesbaren Texte die wichtigsten Aspekte des tiefgreifenden Strukturwandels des internationalen Kunstsystems aber womöglich besser als ein dickes Standardwerk.
Museum im Westen – seelenloses Kommerzinstrument
Gut beobachtet hat Fleck den „Kalten Krieg“ zwischen politisierten Kuratoren und kommerziell orientierten Museumsmanagern. Oder die „De-Lokalisierung“ der Galerienszene. Besonders kenntnisreich skizziert der ehemalige Direktor der Hamburger Deichtorhallen den Rollenwandel der Museen vom Ort der Aufklärung zur rentabilisierten „Museumsmaschine“ und zum globalen Markenprodukt. Auf Widerspruch stoßen dürfte Flecks Behauptung vom Rollenwandel des Künstlers vom antibourgeoisen Außenseiter zum akzeptierten Prototypus neoliberalen Unternehmergeistes. Sein Wort von dessen „Integration in die Gesellschaft“ hat trotzdem einen wahren Kern.
Neben der Machtverschiebung vom Öffentlichen zum Privaten benennt Fleck mit der Globalisierung eine zweite, irreversible Entwicklung. Die wirtschaftliche Dynamik in den Schwellenländern hat eine Machtverschiebung nach Fernost bewirkt. Sowohl, was die Zahl der Sammler, der Museen als auch der an internationalen Ausstellungen beteiligten Künstler anbetrifft. Ein Boom mit einem paradoxen Effekt: Während sich in den Kernlanden der West-Moderne das Museum zum seelenlosen Kommerzinstrument wandelt, erlebt es als Aufklärungsinstrument in Fernost eine neue Blüte. Hier soll es den neu sich formierenden Gesellschaften als geistige Grundlage dienen.
Flecks Titel „Das Kunstsystem im 21. Jahrhundert“ klingt nach Science Fiction. Konkrete Prognosen über die Entwicklung macht er freilich nicht. Seine Leistung besteht darin, dass er die neue Szenerie erstmals zusammenhängend beschrieben hat. Und mit den Worten von Hegel und Deleuze von Kunst als „Arbeit des Geistes“ und des „reinen Denkens“ an eine verloren gegangene Maxime erinnert. So überzeugt der Theoretiker Fleck mehr als der Praktiker. Insofern ist es nur folgerichtig, dass er inzwischen an der Düsseldorfer Kunsthochschule „Kunst und Öffentlichkeit“ lehrt.
Ingo Arend, Deutschlandradio Kultur 13.02.2014
BEITRAG HÖREN
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Deutschlandradio Kultur vom 13.02.2014, 10:33 Uhr
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Robert Fleck
Das Kunstsystem im 21. Jahrhundert
Museen, Künstler, Sammler, Galerien
Passagen-Verlag, Wien 2013
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