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Erdkampfdrohne MQ-9A „Reaper“ der US Air Force, © U.S. Air Force photo by Paul Ridgeway

 “Drohnen, die automatisiert über Leben und Tod entscheiden, die wollen wir für unser Land ganz klar nicht.” Ursula von der Leyen war sich ganz sicher. Militärstrategisch hatte die neue Bundesministerin für Verteidigung, erst wenige Tage im Amt, noch nicht viel zu sagen. Aber ein deutliches Humanitätssignal, das wird sie sich gedacht haben, kann ja nie schaden. Vor allem in einem Job, dessen Inhaber regelmäßig den “Blutzoll” beklagen muss, den das Militär immer noch fordert. Und versuchte in der Debatte um die Euro Hawk genannten Flugkörper zu punkten, über die ihr Vorgänger Thomas de Maizière fast gestolpert wäre.

Von der Leyens Äußerung war eine Art rhetorische Prophylaxe. Mit der sie geschickt das grassierende Unbehagen gegenüber den unbemannten, aber todbringenden Waffensystemen aufnahm. Das sich spätestens aufgebaut hatte, seit US-Präsident Barack Obama zugeben musste, mittels Drohnen einen geheimen, unsichtbaren Krieg gegen al-Qaida zu führen. In welchem er auf “gezielte Tötung” der führenden Köpfe des islamistischen Netzwerkes setzte. Als ob der Soldaten-Job des Tötens akzeptabler wäre, wenn er auf der Einzelfallprüfung basiert, statt auf einer Folge programmierter Algorithmen. Die Äußerung der CDU-Politikerin unterstrich das negative Image von Drohnen.

Man kann unschwer rekonstruieren, wie es zu dem Bedeutungsumschwung kam. Die niedliche Bezeichnung Drohne für ein “unmanned air vehicle” (UAV) können auch Laien als semantische Biologisierung des Krieges  lesen, die auf die ubiquitäre Tierliebe schielt. Mit den drolligen Arbeitsbienen aus dem Tierreich haben die fliegenden High-Tech-Pakete von heute ja kaum mehr als den Namen gemein. Denn in der Ordnung der Hautflügler erfüllen die zwittrigen Geschöpfe eine überlebenswichtige Aufgabe: Sie verlängern das Leben, indem sie die Art sichern.

Drohnen arbeiten so gut wie nicht, können sich noch nicht einmal selbst ernähren. Ihr einziger Daseinszweck besteht in der Begattung von Königinnen. Wenn sie diese Aufgabe erfüllt haben, müssen sie sterben. Dieser einzige “Paarungsflug”, zu denen sie starten, ist etwas anderes als die Aufklärungsflüge, zu denen ihre metallenen Namensvetter heute starten. In einem Anflug von Ehrlichkeit haben die USA ihre zwei gebräuchlichsten Kampfdrohnen “Predator” und “Reaper” genannt: “Raubtier” und “Sensenmann”. Nur in der volkstümlichen Bezeichnung “Spermienbomber” findet sich eine Ahnung von der Idee der Fortpflanzung als finaler Kriegshandlung, die im Biologieunterricht meist ausgeblendet wird.

Kulturtheoretiker mögen sich in dem Bild von Soldaten, die im Abstand von Tausenden Kilometern zum Kampfgeschehen in klimatisierten Containern das ausführen, was Fachleute “teleoperiertes Töten” nennen – anonym, ohne selbst involviert zu sein – wie eine besonders reizvolle Bestätigung von Norbert Elias’ Theorie vom “Prozeß der Zivilisation” vorkommen. Danach distanziert, sublimiert sich der Austausch von Aggressionen in ein immer raffinierteres Regelwerk – weg vom menschlichen Körper. Und so wie Drohnen die menschlichen Sinnesorgane aufs äußerste externalisieren, scheint das wie der erneute Triumph des amerikanischen Kommunikationstheoretikers Marshall McLuhan.

Womöglich könnte man einen Krieg, in dem nicht mehr Menschen um “Opfer “ und Ehre” kämpfen, sondern Präzisionswaffen asymmetrische Konflikte bereinigen, als Vorboten eines postheroischen Zeitalters preisen. Im Massenbewußtsein stehen Drohnen dennoch als Metapher für das Unbehagen angesichts eines umfassenden Kontrollverlusts. Als “Killerroboter” sind sie zu einem Sinnbild des Krieges als automatisierter Dienstleistung ebenso wie zu dem der unsichtbaren Überwachung geworden. Sie stehen für die Sphäre autonomer Maschinen in einer technoiden Gesellschaft der Zukunft ebenso wie für die Instrumente der allumfassenden Dominanz “von oben”.

Charakteristisch für Kampf- wie Aufklärungsdrohnen ist die immer perfektere Mimesis des feingliedrigen Insektenkörpers. Mit hochauflösenden Videokameras und multispektralen Sensoren ausgestattet sind Drohnen heute zu jeder Tag- und Nachtzeit einsetzbar. Libellen können minutenlang in der Luft stehen, Drohnen bis zu 24 Stunden. Ein jüngst von der US-Regierung entwickeltes Exemplar – kaum größer als eine Stubenfliege – kann auf der Fingerspitze eines Menschen DNA-Proben nehmen oder Nanotechnologie ablegen. Doch gerade wegen der biologisch inspirierten Image-Politics dürften Drohnen noch mehr als Plage wahrgenommen werden, denn als nachgebildete Wunder der Natur.

Dabei muss die militärische Nutzung nicht die Ultima Ratio der Drohne sein. Zwar entstammen auch sie, wie fast jede avancierte Technologie, der Kriegstechnik. Schon 1917 entwickelte die Royal Air-Force Lufttorpedos und setzte solche Roboter als Zieldrohnen für Jagdpiloten ein. Inzwischen hat sich in den rund 80 Streitkräften auf der Welt, die Drohnen einsetzen, eine unüberschaubare Typenpalette herausgemeißelt – von der zentimetergroßen Mikrodrohne bis zu solchen, die so groß sind wie Verkehrsflugzeuge.

Doch spätestens seit im deutschen Bundestagswahlkampf im letzten Jahr eine von einem Mitglied der Piratenpartei gesteuerte Flugdrohne vor Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Boden fiel. Spätestens seit Amazon-Chef Jeff Bezos ankündigte, mit Drohnen Bestellungen auszuliefern. Spätestens seit Umweltschützer mittels einer Drohne das Flaggschiff der japanischen Walfänger-Flotte orteten, war klar: Drohnen sind zwar keineswegs “ethisch neutral”, wie Ex-Verteidigungsminister de Maizière meinte. Sie sind aber längst nicht mehr nur militärische Vehikel. Schließlich lassen sich damit auch archäologische Ausgrabungen, Umweltzerstörungen oder der Drogenhandel kontrollieren.

Dass man diese Technik für progressive Zwecke einsetzen, umwidmen kann, zeigen die polnischen Designer von Robokopter. Sie haben eine Drohne entwickelt, mit der Demonstranten die Einsatzplanung der Polizei ausspähen können. Erstmals zum Einsatz kam sie bei den Warschauer Aufständen rund um den Unabhängigkeitstag im November 2011. So brachen sie das staatliche Privileg auf Lufthoheit und Blickkontrolle. Das sonst die Polizei mit ihren Helikoptern exekutiert. Und reklamierten die göttliche Perspektive, auf deren Höhe sich das Militär mit dem Drohnenkrieg emporgeschwungen hatte.

Ingo Arend, Neues Deutschland  1.2.2014