Das Deutsche Guggenheim in Berlin wird geschlossen. Es war eines der avanciertesten Ausstellungshäuser für zeitgenössische Kunst in ganz Deutschland.
„Gesellschaftliche Verpflichtung“, „Corporate Citizen“ – mit großen Worten sparten Thomas Krens, Hilmar Kopper und Rolf Breuer vor 15 Jahren nicht, als sie ein ungewöhnliches Kind aus der Taufe hoben. An Berlins Unter den Linden richteten die New Yorker Solomon R. Guggenheim Foundation und die Deutsche Bank in deren Stammsitz die Deutsche Guggenheim ein.
Dem neuen Kunsthaus begegnete die Szene mit Skepsis. Schon die semantische Verschmelzung von Kunst und Kommerz galt als Sakrileg. Sie schien auch die Inkarnation des „Guggenheim-Prinzips“, jenem weltweiten Trend der neunziger Jahre, das Museum zum Global Player zu verwandeln, der sich – wie in Bilbao – ein kulturelles Weltreich schafft, indem er die Kosten auf Dritte abwälzt und die Gewinne einstreicht.
Die Liste der 57 Ausstellungen seitdem in Berlin widerlegte dann alle Zweifler. Von Klassikern der Moderne wie Robert Relaunay über Robert Mapplethorpe bis zur Underground-Artistin Collier Schorr reichte die Liste der Künstlerinnen. Gerade erst eröffnete mit „Found in Translation“ eine jener kleinen, aber anspruchsvollen Themenschauen, die man in den Berliner Kunstmuseen bis vor Kurzem eher selten fand. Die Mischung aus exquisit und wagemutig machte aus der vergleichsweise winzigen Halle eines der avanciertesten Ausstellungshäuser für zeitgenössische Kunst in ganz Deutschland.
Dass dieser exzeptionelle Kunstraum ohne viel Federlesen geschlossen und ausgerechnet zu einem Raum des „Dialogs zwischen Wirtschaft und Politik“ umgewidmet werden soll, wie es die beiden Kooperationspartner am Montag überraschend bekannt gaben, ist von unübersehbarer Symbolwirkung – nicht nur wegen der verschobenen Prioritäten an einem herausgehobenen Ort. Die Schließung ist auch ein Indiz dafür, wie brüchig das Modell der Public-Private Partnership ist. Vielleicht sollte Klaus Wowereit nach diesem herben Verlust seine Schnapsidee noch einmal überdenken, zusammen mit einem privaten Investor Berlin eine „Kunsthalle“ zu schenken.
Die Schließung des prominentesten Vorbilds für dieses Modell verweist einmal mehr auf die öffentliche Hand als den – auf lange Sicht – verlässlichsten Förderer der Gegenwartskunst. In Berlin steht sie nun noch stärker in der Verantwortung, ihr den gebührenden Platz zu sichern. Indem sie endlich die bestehenden Häuser stärkt.
Ingo Arend, taz 06.02.2012
Bild: screenshot website deutsche-guggenheim.de
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