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Es gibt politische Gründe für das außenpolitische Debakel der USA und der EU. Doch auch die kulturellen Muster spielen eine wichtige Rolle.

Bereits am ersten Tag auf der Friedenskonferenz stellte Barack Obama klar, dass die USA ein militärisches Eingreifen ausschließen, und nahm seinen politischen Gegnern zu Hause damit den Wind aus den Segeln. Indessen betonte Außenminister Kerry, dass Assad aber schon gehen müsse. Diese wirre Mischung aus Innen- und Außenpolitik erzeugt bizarre Signale: Man fordert einen Machthaber und Kriegsherren zum Abdanken auf und verzichtet dabei auf jede Drohkulisse. Was aber sollte Assad und seine Verbündeten dazu bringen, Syrien aufzugeben?

Vor einem halben Jahr setzten die Bilder von den Giftgasopfern Obama unter Zugzwang. Eine Intervention schien bevorzustehen, und Assad verzichtete fortan auf weitere Giftgaseinsätze. Das reichte den USA.

Pünktlich zu Genf II zirkulieren jetzt wieder grauenhafte Bilder von Tausenden in syrischen Gefängnissen systematisch zu Tode gefolterten und verhungerten Männern, und die Botschaft lautet nun: Du musst an Konferenzen teilnehmen. Aber egal, welche Verbrechen du und deine (islamistischen) Verbündeten aus Iran und sonst woher an der Zivilbevölkerung begehen, es gibt keine roten Linien mehr. Solange du Israel in Ruhe lässt, mach, was du willst. Und der syrischen Bevölkerung sagen wir klipp und klar: Wir übernehmen keine Verantwortung für euren Schutz. UN-Resolution hin oder her.

Ein Grund für das außenpolitische Versagen von USA und EU ist das Fehlen von eigenen Interessen: Syrien hat keine Bodenschätze; weder die Amerikaner noch die Europäer wollen etwas haben aus diesem Land. Warum sollten sie also mit ihren Soldaten drohen oder sich damit abmühen, den Aufbau einer Zivilgesellschaft zu unterstützen? So richtig dieses oft erwähnte ökonomische Motiv ist, hinter der allgemeinen Gleichgültigkeit steht auch ein kulturelles Muster.

Im Westen dominieren bis heute klammheimlich zwei Zuschreibungen, um Demokratie als Privileg nur für Demokratien zu verteidigen: „Die Afrikaner“ tun sich mit der Demokratie so schwer, weil sie zu kindlich, noch zu nah an der Natur sind, um diese Kulturleistung zu erbringen. Afrika erscheint so als das ewige Sorgenkind. Demgegenüber gilt es, den stets aggressiven, häufig auch verschlagenen Araber in Schach zu halten. Dieses Stereotyp hat wesentlich dazu beigetragen, dass im Westen bis vor Kurzem nur wenige an den Diktatoren Mubarak oder Baschar al-Assad ernsthaft Anstoß nahmen.

Der in Nantes und Dakar lehrende Historiker Ibrahima Thioub analysiert diese Denkhaltung so: In den ehemaligen Kolonien hat die Entkolonialisierung auch in den Köpfen stattgefunden. In den ehemaligen Kolonialmächten steht sie noch aus. Hier greifen weiterhin die Stereotype aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Im Zuge der Arabellion und ihrer brutalen Niederschlagung, zumal in Syrien, ist es etwas schwerer geworden, an ihnen festzuhalten. Entsprechend ist zwar kein Umdenken, wohl aber eine Verunsicherung spürbar.

Daher werden nun ganz langsam Syrer und Syrerinnen in der westlichen Presse auch als Opfer beschrieben und nicht mehr nur als „Araber“ oder „Muslime“, ergo als aktuelle oder potenzielle Islamisten. Syrer als Menschen wahrzunehmen, mit vielfältigen Hintergründen, Interessen und Hoffnungen, fällt noch immer schwer. Das aber ist die Voraussetzung, um Druck auf die diversen Regierungen auszuüben, damit die dafür sorgen, dass ganz unterschiedliche Menschen ein ganz normales Leben leben können. Ohne Hunger, ohne Folter und mit dem Recht auf politische Partizipation.

Geben wir die Idee auf, dass der Schutz der Zivilbevölkerung und also der Zivilgesellschaft unabhängig von kulturellen Differenzen das höchste Ziel der Politik sein muss, dann wird das auch die alteingesessenen Demokratien aushöhlen, nach und nach. Die von den korrupten Eliten ausgelöste Krise in Europa setzt da bereits erste Zeichen. INES KAPPERT

Ines Kappert, taz 25.1.2014

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