Beherzte Freundin des Dosenbiers
„Danni Lowinski“ fräst sich durch neue Folgen menschlichen Versagens – und sie improvisiert. Sie ist weder perfekt noch einsam, sondern prima.
Viel kann sich der vernunftbegabte Mensch ja im deutschen Fernsehen nicht ansehen, ohne sich für die Dummheit der Programmverantwortlichen fremdschämen zu müssen. Die Sat.1-Serie „Danni Lowinski“ bestätigt diese Regel als Ausnahme. Wie konnte sich diese unbiedere Frauenstory ins Abendprogramm verirren? Keine Ahnung. Schön ist es trotzdem.
Zielsicher fährt die Titelheldin gleich zu Beginn der dritten Staffel die Rolltreppe des Lebens mal wieder, na klar, nach unten. Dabei war die Selfmadewoman aus dem Plattenbau guter Dinge, dass sie es als Kleinunternehmerin endlich schaffen würde. Doch jetzt hat sie einen Steuerprüfer am Hals, und der nimmt es genau mit ihren Bewirtungsbelegen bei McDonald’s. Schlampig zu sein ist für Geringverdiener keine gute Idee. „Jetzt gehste duschen und dann reißte dich zusammen“ – die Mittdreißigerin redet selten mit sich selbst, aber jetzt ist es nötig. Sie ist bankrott.
Für Neueinsteiger: Die blonde Friseurin hat sich über den zweiten Bildungsweg durchs Jurastudium gebissen und arbeitet nun im Untergeschoss eines Kölner Einkaufszentrums als Anwältin für einen Euro die Minute: für alle, die sich keinen Rechtsbeistand leisten können. Also für die Hartzer und Plattenbaubewohner. Unrealistisch? Sicher, das ist aber egal.
Freudvoller als jeder „Tatort“
Entscheidend ist das Lebensgefühl, das die von Annette Frier kongenial gespielte Figur transportiert. Es macht Danni und ihre Geschichte glaubwürdig und vor allem freudvoller als jeden „Tatort“ mit seinen Superfrauen, die wie so viele TV-Heldinnen für Gerechtigkeit kämpfen, aber im Gegensatz zu Lowinski ihren Job perfekt beherrschen und ihren Mitmenschen immer überlegen sind. Als Rache für so viel Emanzipation und Selbstdisziplin wird ihnen dann in 90 Prozent aller Fälle ein bitter einsames Privatleben angedichtet. Ausgleich muss sein.
Anders Danni Lowinski: Auch sie fräst sich täglich durch die Folgen menschlichen Versagens, aber sie improvisiert, mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Sie ist weder perfekt noch einsam, sondern fest eingebunden in ein soziales Netz, das sich leider eher selten wunschgemäß verhält. Nur der Humor stimmt. Kitsch?
Ja, auch. Allerdings hält der plattegestählte Blick der Heldin auf sich selbst und ihre Klientel die Sentimentalität in verlässlichen Grenzen. So beherzt die Freundin des Dosenbiers für ihre Leute einspringt, sobald die Herren Richter und Frauen Sachbearbeiter außer Hörweite sind, faltet sie ihre häufig naiven Mandanten gnadenlos zusammen, wenn es sein muss. „Ey, wer so doof ist wie du, dem kann auch ich nicht helfen!“ Ihrem informellen Urteil ist nichts hinzuzufügen, das findet auch der Beschimpfte und knallt seinen Kopf auf die Tischplatte. Seine Anwältin findet das angemessen.
Fehlende Scham
„Danni Lowinski“ sticht heraus aus dem deutschen Entertainment, weil beruflich erfolglose Leute weder als Freaks ausgelacht noch rosarot eingefärbt werden. Der Schlüssel für die Balance: fehlende Scham. Weder schämt sich die Hauptfigur für ihr Leben im Problembezirk noch dafür, dass sie Fälle vergeigt und etwas will, was für Unterschichtler hierzulande tabu ist: mitspielen, aber zu eigenen Konditionen. Danni ist souverän und unprofessionell zugleich. Sie ist nicht besser als alle anderen, sondern unpassend, pragmatisch, selbstironisch. Das macht die Identifikation mit ihr so entspannend.
Die Serie ist ein prima Gegenentwurf zu den tadellos arbeitenden „Tatort“-Kommissarinnen genauso wie zu ihren noch dünneren und noch normierteren Kolleginnen aus amerikanischen Krimi-und Anwaltsserien. Neben der Pommes-Anwältin sehen die mit ihrer gleichbleibenden Coolness und dem ungebremsten Leistungswahn einfach nur spießig aus.
Ines Kappert, taz 06.02.12
Bilder: Sat 1
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