In seinem neuen Dokumentarfilm startet der Regisseur und Videopionier Gerd Conradt einen Exkurs zur Codierung des Gesichts, die als moderner Fingerabdruck wie ein geheimnisvolles Siegel Zugang zur Persönlichkeit eines Menschen verschafft.

Der Film startet bei missingFILMs am 25. Juli 2019 deutschlandweit in den Kinos.

Angeregt von dem „Pilotprojekt“ zur digitalen Gesichtserkennung am Berliner Bahnhof Südkreuz, spürt Gerd Conradt der Bedeutung des Gesichts im digitalen Zeitalter nach. Denn mit Hilfe des Facial Action Coding System (FACS) soll es möglich werden, die Geheimnisse des Gesichts – des Spiegels der Seele – zu entschlüsseln. In FACE_It! stellt Gerd Conradt Menschen vor, die sich mit der Überwachung durch digitale Gesichtserkennung kritisch auseinandersetzen – er trifft Datenschützer, Künstler, einen Medienrebellen, eine Kunsthistorikerin, die Staatsministerin für Digitalisierung. Er stellt einen Human Decoder vor, der das populäre FACS anwendet und stellt die Frage, ob diese Systematik die Gefahr birgt, dass der nicht endende mimische Austausch von Gesicht zu Gesicht zu ausdrucks- und geschichtslosen FACES reduziert wird, zu Wesen immerwährender alters- und geschlechtsloser Gegenwärtigkeit. Die Protagonisten werden mit Videoclips konfrontiert, in denen das Gesicht als Kunstwerk verhandelt wird. Am Modell der Nofretete tastet ein blinder Mann das „schönste Gesicht der Welt“ ab. Der Film fragt: Wem gehört das zum Zahlencode gewordene Gesicht?

Interview mit Gerd Conradt

Was hat Dich an dem Thema gereizt?

Es kamen viele Faktoren zusammen. Vor vier Jahren entdeckte ich Super-8-Filmaufnahmen von einem Medienexperiment an der Universität Zürich zum Thema Mimik und Gestik. Aus den Aufnahmen gestaltete ich den Film VORLASS und frage: Was wollen wir vom kulturellen Erbe aus der analogen Welt der Bilder bewahren – für die neue digitale Welt der Suchmaschinen und Netzwerke? Mein Interesse am Gesicht war geweckt.

Bei meinen weiteren Recherchen stieß ich auf das Facial Action Coding System (FACS) aus den USA, das heute als Ausgangspunkt für moderne Gesichtserkennung angesehen werden kann. Zur selben Zeit startete die Bundespolizei in Zusammenarbeit mit der Bundesbahn ein Pilotprojekt am Bahnhof Berlin-Südkreuz, in dem mit 300 freiwilligen Testpersonen digitale Gesichtserkennung im öffentlichen Raum erprobt wurde. Dagegen gab es Protest. Den begann ich zu dokumentieren.

Ein Freund machte mich auf eine Ausstellung im Hygiene-Museum Dresden aufmerksam: Das Gesicht, eine Spurensuche. Eine wahren Fundgrube für meine Recherchen. Die Filmaufnahmen aus Zürich und der erste Gesichtsatlas zu FACS stammen aus dem Jahr 1980. Um ein Gegenüber für meine Recherchen zu finden, fragte ich mich, was ich 1980 gemacht hatte. Damals experimentierte ich als Der Videopionier mit dem neuen Medium Video auch zum Gesicht. Aus all diesen Recherchen und Überlegungen entstand das Konzept zum Film FACE_IT.

Wie hast Du Dorothee Bär überzeugt mitzuwirken?

Frau Bär ist die Staatsministerin für Digitalisierung. Da ist es naheliegend, bei ihr anzufragen, was sie zum Thema der digitalen Gesichtserkennung denkt und wie die Bundesregierung dazu steht. Auf meine Anfrage regierte sie zu meiner Freude positiv. Ihres und mein Denken sind ähnlich: Nicht entweder oder, sondern sowohl als auch. Wir führten ein offenes Gespräch.

Das Konzept des Films basiert auf einer Methode, die ich bereits in früheren Filmen erfolgreich angewendet habe, die als mein Markenzeichen gelten kann. Ich zeige allen meinen Protagonistinnen und Protagonisten jeweils die gleichen Dokumente und nehme deren Reaktionen auf. Mich interessiert Persönlichkeit, Vielfalt. Auf diese Weise habe ich den von mir dokumentierten Protest gegen das Pilotprojekt am Bahnhof Südkreuz ins Kanzleramt getragen.

Gefahr oder neue Möglichkeiten – wo siehst Du die neuen Techniken zur Gesichtserkennung?

Es gibt acht Milliarden Gesichter auf der Welt, jedes ist einmalig, unverwechselbar – unique. Das Gesicht ist der sichtbarste und ungeschützteste Teil unseres Körpers – es ist öffentlich. Man sagt, das Gesicht sei der Spiegel der Seele. Wenn die Individualität eines Gesichtes von einem Code gelesen und von Algorithmen zu verwertbaren Informationen aufbereitet wird, stellen diese Daten eine Resource dar, deren Besitz zu Macht von bisher ungeahntem Ausmaß führen könnte.

Du hast für den Film mit einigen prominenten Künstlern gesprochen. Ist Kunst für Dich in Bezug auf die Gesichtserkennung ein Gegengewicht zum Pragmatismus der Politik?

Kunst ist kein Gegensatz. Für mich ist Kunst ein Gegenüber. So wie z.B. in den 80er Jahren mit dem damals neuen Video, einem Übergangsmedium vom Film zu den digitalen Medien, neuwertige Kunst geschaffen wurde, wird es Kunst geben, die auf Digitalisierung basiert. Sowohl für die frühe Videokunst als auch für Kunst, die aus der Digitalisierung entstehen kann, gibt es Beispiele in meinem Film.

In FACE_IT zeige ich in einem Experiment, wie ich aus den Daten der Überwachungskameras am Bahnhof Südkreuz Kunst gestalte.

Das Gespräch führte Claudia Rische, Mai 2019

Texte und Bilder: © 2019 missingFILMs – Filmverleih & Weltvertrieb

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KINOTOUR / PREMIERE / FILMGESPRÄCHE

am 24.07.2019 KARLSRUHE ZKM – 19:00 – WELTPREMIERE

am 25.07.2019 STUTTGART Delphi – 20:30 –  Filmgespräch mit Gerd Conradt

am 25.07.2019 BOCHUM Endstation Kino – 20:00 – Filmgespräch mit padeluun 

am 26.07.2019 HEIDELBERG Karlstorkino – 19:30 – Filmgespräch mit Gerd Conradt

am 27.07.2019 KÖLN Lichtspiele Köln-Kalk – 19:00 – Filmgespräch mit Gerd Conradt

am 28.07.2019 BERLIN Lichtblick-Kino – 18:00 –  Berliner Preview mit Gerd Conradt

am 29.07.2019 BERLIN Filmkunst66 – 20:00 – Berliner Premiere mit Gerd Conradt

am 30.07.2019 POTSDAM Thalia – 18:45 – Filmgespräch mit Gerd Conradt

am 31.07.2019 BERLIN Bundesplatz-Kino – 18:00 – Filmgespräch mit Gerd Conradt

am 01.08.2019 HAMBURG Abaton – 20:00 – Filmgespräch mit Gerd Conradt

am 04.08.2019 MÜNCHEN Werkstattkino – 20:15 – Filmgespräch mit Gerd Conradt

am 06.08.2019 BERLIN Wolf – 19:00 – Filmgespräch mit Gerd Conradt

am 07.08.2019 BIELEFELD Kamera Filmkunsttheater – 19:00 – Filmgespräch mit Gerd Conradt & padeluun

am 29.08.2019 POTSDAM Thalia – 18:30 – Filmgespräch mit Gerd Conradt im Rahmen des Kongresses „Dabating Data: Problems & Perspectives of Digitalisation“

KINOSTART: 25.07.2019

BERLIN

25.07. – 31.07.2019 Brotfabrik

25.07. – 31.07.2019 Eva-Lichtspiele

28.07. – 04.08.2019 Lichtblick-Kino

29.07. – 31.07.2019 Filmkunst66

01.08. – 07.08.2019 Bundesplatz-Kino

01.08. – 07.08.2019 Wolf

BIELEFELD

07.08. – 14.08.2019 Kamera Filmkunsttheater

BOCHUM

25.07. – 31.07.2019 Endstation Kino

DRESDEN

25.07. – 31.07.2019 Kino im Dach

ESSEN

28.07. – 30.07.2019 Filmstudio Glückauf

GAUTING

am 02.09.2019 Kino Breitwand

HAMBURG

01.08. – 07.08.2019 Abaton

HEIDELBERG

25.07. – 31.07.2019 Karlstorkino

KARLSRUHE

am 24.07.2019 ZKM

KIEL

19.08. – 22.08.2019 Die Pumpe

KÖLN

25.07. – 31.07.2019 Lichtspiele Köln-Kalk

LEIPZIG

01.08. – 14.08.2019 Schaubühne Lindenfels

06.08. + 07.08.2019 Cinémathèque Leipzig

MANNHEIM

25.07. – 31.07.2019 Cinema Quadrat

MÜNCHEN

01.08. – 08.08.2019 Werkstattkino

POTSDAM

am 30.07.2019 Thalia

am 29.08.2019 Thalia im Rahmen des Kongresses „Dabating Data: Problems & Perspectives of Digitalisation“

SEEFELD

am 19.08.2019 Kino Breitwand

STARNBERG

am 26.08.2019 Kino Breitwand

STUTTGART

25.07. – 31.07.2019 Delphi

WIESBADEN

01.08. – 07.08.2019 Murnau Filmtheater