Die vielfältigen Formen von Protest und Widerstand gegen den G20-Gipfel in Hamburg liegen mittlerweile ein dreiviertel Jahr zurück. Sie haben ein sehr unterschiedliches mediales und politisches Echo hervorgerufen und der öffentliche Kampf um die Deutungshoheit über das Geschehen dauert weiter an. Aber auch innerhalb der linken Bewegung sind die Ereignisse umstritten und die diesbezüglichen Positionen sehr heterogen, insbesondere was die Bewertung der Vorgänge am Freitagabend, den riot, betrifft, um den es im vorliegenden Buch gehen wird. Innerhalb dieser Haltung reichen die Positionen von der euphorischen Feier des riots bis hin zur kritischen Sicht auf G20 als Niederlage. Einige Positionierungen haben wir versucht hier darzustellen. Dabei kann dem riot auf verschiedenen Ebenen begegnet werden. Bei der Auswahl der Beiträge war uns wichtig, sowohl eine möglichst große Bandbreite innerhalb der Diskussionen der radikalen Linken zu erfassen als auch keine Beiträge zu verwenden, die sich jenseits einer kritischen Bezugnahme einfach vom Geschehen distanzieren und damit staatliche Deutungsmuster reproduzieren, statt sich ihnen zu entziehen. Der Titel eines Beitrages von Karl-Heinz Dellwo drückt somit die dem Band zugrunde liegende Haltung aus: Nicht distanzieren.
Das Buch gliedert sich in mehrere Teile. Auf die als Einführung konzipierten Annäherungen, die einen ersten Überblick über das Thema beinhalten, folgt ein längerer, chronologisch aufgemachter Bericht, der die Ereignisse der Protestwoche in Hamburg ausführlich schildert und die dortige Atmosphäre lebendig werden lässt. Es folgen kürzere Beiträge, die sich, unmittelbar aus dem Eindruck des Geschehens heraus entstanden, mit dem riot beschäftigen, und weitere, die ihn aus unterschiedlichen Blickwinkeln thematisieren. Enthalten sind identitäts- bzw. ideologiekritische medientheoretische, diskursanalytische, politische, soziale, subjektive und philosophische Ansätze und Herangehensweisen. Anschließend folgen zwei längere Texte, die den riot im Kontext der politökonomischen Entwicklung analysieren, indem sie insbesondere auf seine Beziehung zu den Produktions- und Arbeitsverhältnissen in der kapitalistischen Ökonomie hinweisen und ihn auch sozialgeschichtlich verorten. Der Artikel von Joshua Clover wurde eigens für dieses Buch übersetzt und liegt damit erstmals in deutscher Sprache vor. Achim Szepanski folgt der Sichtweise Clovers und untersucht den riot als Teil der globalen Zirkulationskämpfe. Den letzten Teil des Buches nehmen Beiträge ein, die die andere Seite der Barrikade analysieren, das staatliche Vorgehen gegen den Protest. Abgeschlossen wird das Buch durch den Versuch, die staatliche Repression, welche wir in Hamburg deutlich beobachten konnten, als Teil einer umfassenden, aber weniger sichtbaren Tendenz zu begreifen, sie in in einen breiteren Kontext von technologischen, gesellschaftlichen und politischen Prozessen einzuordnen sowie geeignete theoretische Begrifflichkeiten zu finden, welche die Vorgänge und Entwicklungen möglichst adäquat erfassen können.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort . . .7
J. Paul Weiler
Einleitung – Annäherungen an den Aufstand . . 9
CrimethInc. Ex-Workers’ Collective
Don’t try to break us – we’ll explode. Der G20-Gipfel 2017 in Hamburg – umfassender Bericht und Analyse . . . 17
Karl-Heinz Dellwo
Was geschah in Hamburg? . . .57
Karl-Heinz Dellwo
Nicht distanzieren! . . . 65
Yann Döhner
Riots und Nachbarschatsorganisierung . . . 71
David Doell
Wake-up Call – Der Mikro-Aufstand von Hamburg als materielles und diskursives Ereignis.. . 77
Sebastian Lotzer
Schanzenblues . . . 91
Thomas Seibert
Das Eine tun, das Andere nicht lassen . . . 97
Hans-Christian Dany
Die Falle der Identität . . . 103
Emmanuel Kapinger
Links, gewaltbereit, demokratiefeindlich. Die Sicherheitsideologie nach G20 und die Politik der Linken . . . 111
Robby Basler
G20 – aus dem Blick eines Fotografen zur Stellung der Jugend . . . . . 125
Joshua Clover
Eine heorie des Aufstands . . 131
Achim Szepanski
Der Aufstand als Teil der globalen Zirkulationskämpfe . . . 159
Jose Rosales
Der Schwarze Block, der nie da war . . . 201
Peter Nowak
Gradmesser über die autoritäre Verfasstheit der deutschen Gesellschaft. . . 211
Martin Kirsch
Spezialeinheiten gegen Menschenmengen. Militarisierung der staatlichen Bekämpfung von Unruhen während des G20-Gipfels in Hamburg . . . 221
Achim Szepanski / J. Paul Weiler
Einige Anmerkungen zur strukturellen Staatsfaschisierung . . . 233
Laika Verlag: neue Reihe: Laika//Non.Derivate, non.copyriot.com
ISBN: 978-3-944233-91-8
April 2018
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