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Der Tod ist das „beste“ Zeichen des Subjekts, das als individuelle Entität und reiche und erfüllte Persönlichkeit gedacht wird. Der Tod macht aus dem Leben das eigene und ein Leben auf den Tod hinwird als „bewusstes“ Leben gebildet. Freilich ist die Beziehung zwischen Individuum und Tod stets auch umkehrbar: Mit dem einen ändert sich stets auch das andere. Sinnvoll, paradoxerweise, scheint der Tod stets, wo er sich vom Individuum abspaltet und einer kollektiven Sinngebung hinwendet. Das Opfer für das Ganze und Große allein scheint die Absurdität des Todes, das Individuum zugleich zu erschaffen und zu vernichten, aufzuheben. Das „hingegebene“ Leben macht den Tod erhaben. So entsteht ein Dreieck, und auch hier ist neuerlich jede Veränderung des einen Agens für die beiden anderen:
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Zunächst gibt es die Zeitdiagnose, die großen kollektiven Sinn-Maschinen (im Jenseits der medialenVerblödung) verlören an Einfluss und Verlässlichkeit. Deshalb würde dann alle Last auf dem Subjekt liegen (zumal im Neoliberalismus eine „Religion“ der Selbstsuchterstanden sei). Aber der Tod begrenzt dies, der nicht mehr rückbindend an das kollektive Sinnsystemerträglich ist. Jeder weiß, dass Geld im Angesicht des Todes seinen Wert für das Subjekt verliert und es für seine Verlängerung in der Zeit, für die „Erbschaft“ gewinnt. Kapitalismus ohne Familie ist grotesk, also erweitern wir unser Dreieck zu einem Viereck:
Im verschärften und globalen Neoliberalismus (der nicht nur Wirtschaftsordnung sondern auch Menschenbild ist) verwandelt sich selbst das SUBJEKT in eine Blase. Und da es weder im Kollektiv noch in der Familie eine nennenswerte strukturelle Verankerung mehr aufzuweisen scheint, bleibt ihm nur die direkte und radikale Auseinandersetzung mit dem Tod. Das neoliberale Subjekt darf nicht altern und will nichtsterben. (Aber haben wir uns Kapitalisten seit Scrooge, dem Protagonisten in Charles Dickens‘ Eine Weihnachtsgeschichte nicht ohnehin als einsame Untote vorgestellt?)
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Eines der Symptome ist es, dass das Sterben als Akt der Bestätigung/Aufhebung des Subjekts prolongiert wird, zugleich aber auch „selbstbestimmt“ sein soll. (Dem depravierten Bürger bleibt letztendlich nichts als das höchsteigene Sterben, so dass der populären Kultur durchaus Feiern eines solchen individuellen Todes finden, wenn auch keine „sinnvollen Opfer“ mehr.)Deshalb beschäftigt sich die postindustrielle Gesellschaft auf eine neue Weise mit dem Tod, die nur noch wenig mit den klassischen Diskursen von Religion und Ideologie zu tun hat. Der sterbende Menschsoll gerade in diesem Sterben seine Individualität und Autonomie unter Beweis stellen. Einerseits geht es daher um „das richtige Sterben“, ein Sterben also, das nicht zulässt, dass das Subjekt schon vor dem Leben selbst „ausgeschaltet“ wird. Zum anderen geht es um die Verlängerung des Lebens, gleichsam um das Subjekt quantitativ zu füllen und eine Dauer des Lebens zu erzielen, die in einer Beziehung steht zu den möglichen Zyklen des Kapitals. Zum dritten aber geht es um Lebensformen, die die Autonomie und Dauer des (bürgerlichen) Subjekts überschreiten. Der Maschinenmensch oder organisch, gentechnisch „designte“ Postmensch als Modell, als Fiktion und als Projekt reagiert auf ein dreifaches Verschwinden: das des sinngebenden Kollektivs, das der „natürlichen“ Familie (einschließlich der Verehrung der Ahnen) und das des autarken Subjekts. Erst der „unsterbliche“ (aber auch in gewisser Weise Bewusstseins-lose) Mensch benötigt weder das eine noch das andere, aber paradoxerweise definiert sich ausgerechnet der „unsterbliche“ Mensch durch nichts anderes als durch den Tod. Im avanciertesten Fall ist Nicht-Sterben die einzige Aufgabe und der einzige Sinn, den dieser posthumane Körper hat.
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Natürlich leben wir derzeit noch mit den milden Formen des Untodes. Ein allgemeines Ansteigendes durchschnittlichen Lebensalters; Erscheinungsweisen(in der Öffentlichkeit), denen man das Alter„nicht ansieht“; Verknüpfungen und Verschmelzungen mit Maschinen bzw. Archiven des Wissens (das digitalerweiterte Gehirn, im Multitasking erprobt) und der Erfahrungen, zum Enhancement der Wahrnehmung als Zielerfassung, was in den biomaschinellen Einheiten des Supersoldaten längst gefertigt wird. Die Problematik ist nach wie vor, für den „unsterblichen“ oder wenigstens „langlebigen“ Menscheneinen Sinn zu finden. Die beiden Ideale des Neoliberalismus, ökonomische Effizienz und entgrenzte Unterhaltung (positives Denken und Entertainment als religiöse Fixpunkte), lassen ja paradoxerweise das Alter als „Wert“ nicht zu. So gibt es als Ideal nur den„jungen Alten“, der beides versteht, immer noch Effizienz zu erzeugen oder sich wie Bolle zu amüsieren, wenn auch auf gesunde Weise wie auf dem Golfplatz. Weder Weisheit noch Zurückhaltung dagegen machen ihn nützlich (und nur Nützliches kann leben in einem System, das seinen Sinn in der eigenen Effizienzerkannt zu haben glaubt). So entsteht ein paradoxes Projekt: Das Leben der Menschen zu verlängern und zugleich den länger lebenden Menschen„zuzurichten“ beziehungsweise wenn dies nicht hinreichend gelingt, zu bekämpfen. Ebenso wird der veränderte und „verbesserte“ Mensch zugleich Ideal und „Freak“. Am Erscheinen gewisser Politiker und gewisser Pop-Stars erkennen wir, dass der verbesserte Mensch einschließlich seiner verlängerten Jugend und seiner transgressiven Elemente (weiß/schwarz, männlich/weiblich, aristokratisch/vulgär) nur dann gilt, wenn die Techniken der Verbesserung unsichtbar bleiben. Das ist einerseits eine Frage dieser Techniken selber, andererseits aber auch der öffentlichen und medialen Macht: Im Zweifelsfall ist es verboten, über des demokratischen Fürsten gefärbte Haare oder gestraffte Haut zu sprechen.
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So erkennen wir unsere Untoten-Phantasie als mehr oder weniger jämmerlichen Versuch, diesen Widerspruch auszudrücken und aufzuheben. Der verbesserte Mensch verschärft die Bedingungen von Verlieren und Gewinnen. Das humanistische Projekt also besteht darin, den Bereich des Untoten einerseits nach Möglichkeit aufzuklären und einem „demokratischen“ Diskurs zu öffnen(also einer Begegnung der damit Befassten auf Augenhöhe, so wie wir davon träumen, Patient und Arzt, Mensch und Medizin könnten sich auf Augenhöhebegegnen, auch im Angesicht des Todes, odergenauer gesagt des Sterbens beziehungsweise eben des Nicht-Sterbens und des Untodes.) Nun ist freilich, nach wie vor, die Geschichte immer auch die Geschichte der Klassenkämpfe. Vereinfachend ist deswegen vorgeschlagen worden, zwischen dem survivre und dem sousvivre, dem Überleben und dem Unterleben, zu unterscheiden. Die einen überleben, um den Genuss des Lebens zu verlängern, die anderen überleben, um Qual und Ausbeutung zu verlängern (zum Beispiel als organisches Rohstofflager für Transplantationen). Die einen können weiter leben, die anderen dürfen nur nicht sterben. Dies entspricht offensichtlich dem vereinfachenden Lebensmodell des Neoliberalismus: Es gibt Gewinner und Verlierer, die Gewinner nehmen alles, die Verlierer dürfen auf nichts rechnen (nicht einmal auf Mitleid, sie sind selber schuld, und nicht einmal auf Solidarität, denn ursprünglich wollten sie ja Gewinnerwerden, wie auch nicht, und haben und hätten weder Mitleid noch Solidarität gezeigt). Der eigene Körper also wird zum Objekt der Spekulation, entweder, im Mittelstand, indem man selber auf seine Vorteilebringenden Veränderungen, Verbesserungen und Verlängerungen setzt, oder, in der alten beziehungsweise der neuen Unterschicht, indem man ihn, freiwillig oder nicht, als Spekulationsobjekt anbietet. Dem technisch verbesserten Körper entspricht dabei möglicherweise eine ausgelagerte Leiblichkeit: Warum soll die Frau im babylonischen Kapitalistenturm über der Mega-City ihre Figur ruinieren, wenn es genügend Leihmütter für ihre Kinder gibt? Warum sollte man sich nicht, das Geld vorausgesetzt, für gewisse Reisen gewisse Organe ausleihen?
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Natürlich ist diese radikale Dualität eher eine Projektion; die Probleme, die sich aus Lebensverlängerung, Neudefinition von Sterben und Untod ergeben mögen, zwischen der Machbarkeit, der Vertretbarkeit und der Vorstellbarkeit, tauchen am ehesten eben in der Mittelschicht auf, dort, wo man nichtweiß, ob man Verlierer oder Gewinner, Täter oder Opfer ist, wo man noch nicht einmal weiß ob man dem System dient oder ihm gegenüber steht. Der Kampf um die Zone des Untodes wird weitgehend in der Sphäre des Kleinbürgertums geführt, mag dieses auch global schrumpfen beziehungsweise ökonomisch und kulturell überfordert sein. Da indes dem globalen Kleinbürgertum immer mehr Aufgaben übertragen sind, letztendlich als einziger Klasse, die den Überschuss noch produziert, jenseits der Maschinen und jenseits der organischen Systeme, die den Menschen und das Menschliche weitgehendausschließen (wie Nahrungsmittelproduktion, in deren Sphären es für den realen Menschen längst zu gefährlich hergeht), damit der Klassenkampf (oder pure Finanz-Aktion wie in der jüngsten Katastrophenblase) überhaupt noch geführt werden kann, ist es genau diese Klasse, die an der verbesserten Effizienzwie an der gesteigerten Unterhaltungsfähigkeit des verbleibenden Subjekts interessiert sein muss. Der ewig lebende Verwalter, Lehrer, Arzt, Pfleger, Häuslebauer, Zeitungsabonnent, Fernreisende; jener, der weder „spekuliert“ noch „verschwendet“, sondern spart und abgeben kann, und jener, dem, wenn ihm die ökonomischen Kriminellen wieder einmal alles genommen haben, nichts anderes einfällt, als nach dem Staat zu rufen, jener Kleinbürger, der zu allem, was ihm geschieht, auch noch Erzählung und Bild produziert.
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Erst durch seine Verkleinbürgerlichung wird der Diskurs des Untoten zum moralischen Dilemma (sieht man einmal vom Rumoren der alten Sinnsysteme Religion, Philosophie und Wissenschaft ab). Aber während sich das Sterben beziehungsweise Nicht-Sterben zugleich subjektiviert und moralisiert, verändert es sich noch auf weiteren Ebenen: Zunächst verlagert es sich vom „privaten“ in einen„öffentlichen“ Raum. Selbst wenn ein sterbender Mensch, den die Medizin als „austherapiert“ ansieht, nach Hause geschickt wird, muss dies ein öffentlicher Akt sein. Der Körper wird noch einmal examiniert, von den Chirurgenbildern der Renaissance, von Rembrandts„Anatomie des Dr. Deyman“ aus dem Jahre1656 bis zu den spektakulären „Körperwelten“ unserer Zeit. Durch das populistische Entertainment wird dieses Bild nun nomadisch. Es ist nicht mehr garantiert, dass es eine „vernünftige“ Beziehung zwischenpersönlichem Geschehen und allgemeinem Interesseherstellt, seine Moralität ist nicht vorausgesetzt. Das Sterben geschieht im Angesicht bildgebender Verfahren, es erzeugt eine ungeheure Datenmenge, die Dokumentationen des Sterbens, selber untot, überdauern nicht nur sondern überdecken auch den Sterbenden. Je größer der Zugriff der rationalisierenden Instanzen in all ihrer Widersprüchlichkeit, desto irrationaler wird das Bild selber. Das Sterben der Vernunft zu unterwerfen scheitert im Einzelfall, bedeutet aber zugleich unentwegte normative und normierende Arbeit. Jedes Sterben wird daher zu einem Drama, das sich beinahe noch mehr als im Subjektzwischen den Instanzenseiner Rationalisierung abspielt. Sterben und Nicht-Sterben werden unentwegt neu verhandelt. Tatsächlich kommen in dieser Zone des Nicht-Wissens(das zu „Entscheidungen“ zwingt, die Drahtseilaktengleichen), verschiedene Formen des Nicht-Wissenszusammen.
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Die Absurdität wird beim Sterben-Wollen deutlich: Der Wunsch zu sterben ist für den Psychiater Beleg dafür, dass der Patient nicht Herr seiner Sinne ist, für den Juristen genau der Ausdruck seiner Entscheidungsfähigkeit(und für den Politiker vor allem„ein schlechtes Beispiel”). Die Zone des Untodes its zunächst nichts anderes als die Kollektivierung der Probleme in jedem einzelnen Sterbefall. So ist also das Drama des Untodes verdoppelt: Hierein Sterben-Wollen und Nicht-Sterben-Dürfen; dort eine Bewegung zum Anti-Ageing, Anti-Dying, die mit der Biokost und der Mucki-Bude beginnt und endet in Neo-Kreationen wie Universal Soldiers, Robocops oder Androiden (Abfall und Negation: der Zombie, der in unserer populären Kultur die Aufgabe übernommen hat, das Grauen des unterlebenden Untodes sinnlich zu machen). Tatsächlich bedeutet nicht mit dem Sterben umgehen zu können vor allem nicht mit dem Bild des Sterbensumgehen zu können. Die Veränderung des bürgerlichen Subjekts wird an der Veränderung des Sterbens, an der Ausweitung der Zone zwischen Leben und Tod verhandelt.
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Sterben wird „professionalisiert“; es ist eine Sache von Spezialisten, aber es wird auch für den Sterbenden zunehmend vom Schicksal zu einer „Aufgabe“ geformt. Es gibt eine neue Kunst des Sterbens, die mit der alten nicht mehr viel zu tun hat (die ja ohnehin eher eine Kunst des Sich-sterben-Machens, des Sich-selber-in-den-Tod-Schickens und daher fast ausschließlich auf den kriegerischen Menschen bezogen war). Immer mehr Professionen lagern sich an dieses veröffentlichte Sterben oder Nicht-Sterben an, Vertreter des Rechts, der Psychologie, der Politik und der Ethik, aber auch die ästhetische Produktion, die Unterhaltung, und nicht zuletzt kommt derzeit der Kunst ein neues Aufgabenfeld zu, das Sterben gleichsam aus seinem Inneren heraus darzustellen. Der Tod macht Sinn als Opfer im Sinn der kämpfenden Klasse und muss zur großen Tragödie werden im Sinne der herrschenden Klasse. In der Mittelschicht aber ist und bleibt er der Skandal (der Punkt hinter einer Geschichte der Sinnlosigkeit). Das erklärt eine gewisse Zähigkeit und Mediokrität im öffentlichen Umgang mit der neuen Erzählung von Sterben und Untod.
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Voraussetzung für den Untod ist die Aufspaltung der Entität Mensch (an die das Kapital ja ohnehin nicht glaubt, weil es den Menschen als Funktion des Geldes ansieht). Die Aristoi in Dietmar Daths Die Abschaffung der Arten bestehen aus der Fähigkeit, sich immer wieder neu zusammenzusetzen, aus Elementen der digitalen Information und aus solchen der Gentechnologie. Das setzt eben die Trennung voraus, eine Zerlegung des Subjekts in Elemente, die noch aus der sehr einfachen Denkweise entstammen mag, der Trennung in Körper, Geist und Seele, die nun aber, da sie ja in den Status der Machbarkeit der Trennung geraten sollen, ins Dilemma der Lokalisierung geraten. So ist der „Gehirntod“, dessen Feststellung Voraussetzung für eine allgemeine medizinische Verfügung über den „Restkörper“ und seine nützlichen Organe ist, eine durchaus zentralistische und hierarchische Vorstellung. Wenn es das Projekt bislang war, das Gespaltene zu vereinen, selbst in der Liebe, selbst in der Religion, selbst in der Kunst, selbst in der Wissenschaft, immer nur diese große Sehnsucht: eines und vollständig zu werden, das Verlorene wiederzufinden, so ist nun das Projekt der endlosen Zerlegung erstanden. Ist es reaktionär sich ihm zu widersetzen? Die zweite notwendige Trennung, und das haben alle Science Fiction-Autoren vorausgesehen, besteht in der Genealogie: Nachwuchs, Familie und Sexualität können und müssen voneinander entkoppelt werden. Natürlich heißt das auch: Liebe muss neu definiert werden (und die Science Fiction, konservativ, wie sie nun einmal in ihrem Mainstream ist, kann sie sich seltenanders vorstellen als in der Rückkehr zu den alten Modellen inmitten der Emotions- und Fortpflanzungs-Diktaturen).
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Wenn es Androiden gibt, gibt es keine Götter mehr. Wenn es Zombies gibt, gibt es kein wissenschaftliches Weltbild mehr. Der ewig lebende Mensch ist ein System, dass eine eigene Schöpfung, sein eigenes Kind und sein eigener „Partner“ ist. Der Körper als Objekt von Technologie und Spekulation kann ohne weiteres die Funktion einer „bad bank“ übernehmen. Man hebt ihn gleichsam wegen seines Unwertes auf, man verkauft ihn als spekulatives Gift.
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Wenn, was den untoten Postmenschen anbelangt, das Verhältnis zwischen dem Machbaren, dem Vertretbaren und dem Vorstellbaren ausgerechnet im schrumpfenden Mittelstand und seinen Medienverhandelt wird, so müssen wir argwöhnen: Zombies, Androiden und Robomen werden erst real, wenn sie nichts mehr verändern. (Eine Welt, in der Zombiesund Roboter so selbstverständlich sind wie anderswo Haustiere und Landplagen, ist längst in der populären Kultur entworfen.) Und doch ist die Verhandlung von Rechten und Pflichten des Untoten und gegenüber dem Untoten noch stets ein Widerspruch zur bürgerlich-demokratischen Rechtsordnung. Wann dürfen Zombies wählen? Was muss sich eine denkende Maschine gefallen lassen? Oder eben: Wo ist die Selbstbestimmung des unscharfen Subjekts in der Zone des Untodes?
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Wir ahnen: Die Veränderung von Leben und Sterben, Dauer und Qualität des Subjekts wird nicht zuletzt eine Rolle in den geopolitischen Auseinandersetzungen spielen. Wo die Überlebenden und wo die Unterlebenden zu finden sein werden, scheint sich an den Linien der Markt- und Militärmacht genügend deutlich abzuzeichnen. Doch der Zombie, ein radikaler Re-Enacter der Existenz, hat seine historischen Wurzeln in eben jener Welt, in der es die einzige vollständig vollzogene Revolution der Sklaven gab, und die denkende Maschine wird noch stets beschrieben als eine, die früher oder später einen Krieg mit ihren Schöpfern beginnen muss. Daher weiß der Mittelstand der postindustriellen wieder neuen Boom-Gesellschaften sehr genau, dass er es mit der Büchse der Pandora nicht übertreiben darf, und er versucht vor allem, über das Vorstellbare das Machbare zu kontrollieren. Die Zonen des Sterbens und noch nicht Tot-Seins ebenso wie die des Lebens über einen „natürlichen“ Todespunkt hinaus, prothetisch gerettet, organisch gemischt, chemisch verändert, sind einer moralischen und ästhetischen Arbeit unterzogen, die soviel Erforschung wie Missionierung enthält. Alles, was sich vorstellen lässt und was sich technisch machen lässt, das wird auch gemacht, sagt Stanislav Lem. Fügen wir hinzu: Alles, womit sich Geldmachen lässt, das wird auch gemacht. Und so ist der Mensch nach dem Mensch, der Untote und Posthumane, vor allem ein Geschöpf des Profits. Und auch in die eigene Sphäre des Untodes, in die vergrößerte Zone zwischen Leben und Tod, scheint mehr als Gnade und Hoffnung: das Geld. Bis in den Mittelstandhinein hören wir es jammern: Wir werden immer älter, aber das können wir uns doch gar nichtleisten. Wir leben zu viel, wir leben zu lang, wir leben über unsere Verhältnisse, wir sind uns, je besseres uns zu gehen scheint, der ärgste Feind, unsere Gesundung ist Krankheit, ist es nicht besser zu sterben als „unnütz“ zu leben, der Allgemeinheit „auf der Tasche zu liegen“ und in unseren Alten- und Pflegeheimen das Kapital daran zu hindern, sich auf dem Weltmarkt die geilsten Flecken zu suchen? Der untote Mensch erzeugt untotes Geld, so ist er zugleich Ergebnis und Schreckbild des Profits. Und was macht der Mittelstand mit seinem Subjekt leben, wenn er zwischen dem unsterblichen Kapitalisten mit der kosmischen Gier und seinen unzerstörbaren, bewusstlosen posthumanen Arbeitssklaven steckt? Unsterblich und posthuman im Kapitalismus. Es ist der pure Alptraum. Wir arbeiten dran.
Georg Seeßlen, Hinterland # 14
LESETIPP:
Georg Seeßlen
Überleben in der Zombiewelt: Untote – Im Leben und im Film
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Kurzinhalt: Um die Figur des Untodes kreisen die Gedanken in den drei Essays des kleinen Sammelbändchens „Überleben in der Zombiewelt; Untote – im Leben und im Film“ und führen uns in die Gesellschaft der Untaten, in die Zwischenzone von Leben und Tod. Wo kommen sie her, die Zombies, wo gehen sie hin, diese willenlosen Wesen, die unterwegs sind, die Welt in einen untoten Ort zu verwandeln? Eine Welt die das Untote schon in sich hat.
Ein Untoter, so meint Seeßlen, ist der Mensch jenseits von Moral, Hoffnung, Glück und Mitleid. Ein Wesen, das nicht weiß, warum es etwas tut.
Klar, dass Seeßlen den Zombie auch als popkulturelles Phänomen betrachtet.
„Zombokinematografia“ nennt er seinen kurzen Abriss der Geschichte des Zombiefilms und zeigt auf, dass der Zombie schon längst seinen Weg von der Leinwand bzw. Mattscheibe in die Welt gefunden hat – bis hinein in uns selbst.
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