„Glamour, Luxury and Beauty“ zu reflektieren, sei das Ziel ihrer jüngsten Regie-Arbeit fürs Kino gewesen, orakelte Madonna auf einer Pressekonferenz in Venedig. „W. E.“ heißt die Schmonzette, die hier im Wettbewerbsprogramm außerhalb der Konkurrenz gezeigt wurde. Der Jubel der Fans war groß, einfach nur deshalb, weil die Pop-Ikone hier war, sich zeigte, lächelte, winkte, Autogramme gab, sämtliche Star-Posen von A bis Z perfekt durchdeklinierte. Der Film handelt einerseits von der Lovestory zwischen Wallis Simpson (Andrea Riseborough) und König Edward VIII. (James D’Arcy) von England, die zur Abdankung des Monarchen führte. Auf einer zweiten, 1998 spielenden Ebene, wird eine nach Wallis Simpson Wally genannte New Yorker Schickse (Abbie Cornish) partout nicht von ihrem hysterischen Mann schwanger, flüchtet schließlich in die Arme eines russischen Wachmanns von Sotheby’s, wo gerade der Nachlass von W(allis) und E(dward) versteigert wird. Das ist toll fotografiert, zum Teil (etwa von Andrea Riseborough) ebenso gespielt, gut geschnitten und bietet doch nichts als ein ödes, in seinem Geschlechterrollenbild (erst wenn Frau ein Kind geboren hat, ist sie vollwertig – was für ein Schwachsinn!) geradezu reaktionäres Bilderbuch von „Glamour, Luxury and Beauty“. Vielleicht wäre Madonna gut beraten gewesen, einfach mal bei einem Edel-Juwelier die Auslagen zu fotografieren und einen hübschen Essay abzuliefern.
Roman Polanski setzt auf Boulevard-Theater. Yasmina Rezas weltweiter Bühnenerfolg „Der Gott des Gemetzels“ wurde von ihm, handwerklich ausgefeilt, als abgefilmtes Theater auf die Leinwand gebracht. Jodie Foster, Kate Winslet, Christoph Waltz und John C. Reilly spielen die zwei Ehepaare, die sich in der Wohnung des einen treffen, nachdem die zwei Söhne auf dem Spielplatz ein wenig blutig aneinander geraten sind. Erst geht’s zivilisiert zu, dann fallen die Masken. Es wird verbal gekotzt und tatsächlich auch. – Das ist höchst amüsant, die Schauspieler sind selbstredend brillant, nur Jodie Foster wirkt gelegentlich etwas hölzern. Wie schon an vielen Theatern, so dürfte auch die Kinofassung ein Publikum begeistern, dass sich gern vor Schadenfreude über die Unzulänglichkeiten der Mitmenschen auf die Schenkel klopft. Nicht weiter der Rede wert.
Wirklich interessant im Gemischtwarenladen Wettbewerb war bisher, neben Goerge Clooney „Die Iden des März’“ nur „That Summer“ (im französischen Original: „Ein brennender Sommer“) von Regisseur Philippe Garrel. Der Franzose hat in den letzten rund 45 Jahren manch verstörendes Psychodrama inszeniert. Auch diesmal. Es hagelte Buh-Rufe am Ende der ersten, überwiegend von Journalisten besuchten, Aufführung auf dem Lido di Venezia. Im Zentrum steht das emotional komplizierte Beziehungsgeflecht einiger mehr oder weniger junger Leute. Ein junger Mann, Maler, bringt sich um, weil ihn seine Frau, Schauspielerin, verlässt. Wie es dazu kommt, das ist höchst interessant. Garrel gibt einen vermutlich von Wissen und Erfahrung geschulten Blick in das Innenleben eines lebensunfähigen Einzelgängers. Leider hat der Film – und das bei dem subtilen Thema – kaum schauspielerische Klasse. Monica Bellucci spielt die weibliche Hauptrolle, die Frau, um die sich alles dreht. Leider ist sie von der Rolle überfordert, oder sie wurde vom Regisseur nicht gut genug geführt. Dazu kommt: die vor einigen Jahren als eine der schönsten Frauen der Welt gefeierte Aktrice ist, die Natur, die Natur, nicht mehr so jung wie noch neulich. Aber nicht sichtbar zu ihrem Alter jenseits der Jugend stehend, wirkt der Versuch des Konservierens vergangener Schönheit einfach nur peinlich. „Glamour, Luxury, Beauty“ – manchmal ist das einfach nur eine Last!
Peter Claus aus Venedig, 1. September 2011
Bild: Der Gott des Gemetzels (la Biennale di Venezia © 2011)
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