Bisher flau, lau, mau
Auf dem roten Teppich ist nicht viel los. Bisher werden Glanz und Glamour auf dem Filmfestival von Venedig eher klein gehalten. Macht nichts. Das Festivalgelände ist ohnehin eine riesige nicht zu Party-Stimmung einladende Baustelle, viele Zäune umgeben das riesige Gelände für den neuen Palazzo del Cinema, von dem bisher nichts zu ahnen ist, im Gegenteil, es sieht ganz danach aus, als habe ein Baustopp stattgefunden. Da schießen, natürlich, die Gerüchte ins Kraut: Wird es den neuen Palast je wirklich geben? Oder wird es vielleicht das Festival bald gar nicht mehr geben? Die Antworten weiß, hier jedenfalls, niemand. Sicher ist jedoch: Das weltberühmte Hotel Des Baines, in dem Thomas Mann einst „Tod in Venedig“ schrieb, wo Luchino Visconti den Roman verfilmte, wo über Jahrzehnte Weltstars residierten, ist zu. Der Prachtbau wird in Appartements aufgeteilt. Angeblich haben bisher vor allem reiche Russen Verträge erworben. „Morte a Venezia“, „Tod in Venedig“, so das Schlagwort, das dazu bisher die Runde macht.
Über Löwenkandidaten munkelt noch niemand. Ist ja auch noch arg früh dazu. Nicht wenige hatten vorab damit gerechnet, dass der US-Amerikaner Julian Schnabel (bekannt unter anderem durch „Basquiat“) einen ersten zu handelnden Film zeigen würde. Fehlanzeige. „Miral“, zu sehen im Hauptwettbewerb „Venezia 67“, ist furchtbar herzliches und leider auch herziges Gutmensch-Kino ohne nachhaltige Wirkung. Von einem aus der eigenen Lebensgeschichte gespeisten Buch seiner jetzigen Lebensgefährtin angeregt, durcheilt er im filmischen Sauseschritt den israelisch-palästinensischen Konflikt von der Gründung des Staates Israel bis heute. Wichtige historische Daten, wie der „Sechs-Tage-Krieg“ oder die „Intifada“ dienen als Kulisse für verschiedene Spotlichter auf die Lebensgeschichten von einigen Frauen, die durch die historischen Ereignisse miteinander verbunden sind. Das ist ganz ehrenwert, zumal Schnabel, der aus einer jüdischen Familie kommt, insbesondere die palästinensische Position einnimmt. Doch, leider, das wühlt nicht auf. Ein großes Thema wird hier an einen kleinen Geschichtsüberblick verschenkt.
Im Wettbewerb „Orrizonti“ hofften viele auf den neuen Film der Provokateurin Catherine Breillat aus Frankreich. Sie hat eine „Dornröschen“-Version zwischen Gestern und Heute realisiert – und provoziert allenfalls mit Biedersinn. Immerhin: Es gibt hübsche Bilder von hübschen Menschen. Ist ja schon was. Die gibt es in „Happy Few“, französischer Beitrag im Hauptwettbewerb, nicht wirklich. Was ärgert, wenn die Akteure, wie hier, oft unbekleidet agieren. Das ist nun mal so in einem Film, der den Sex zur Hauptsache erklärt. Da fallen zwei Paare übereinander her – erst in Verzückung, dann in Verwirrung, dann in Verzweiflung. Acht Beine, acht Arme, acht Augen usw. – dat is ja man auch ein büschen ville… Zu erzählen hat die Schmonzette von Antony Cordier nichts wirklich Spannendes. Nochmal: Schade!
Bisher also: flau, lau, mau. – Da hauen erste Kritikerinnen und Kritiker nun schon in die Tasten und maulen in die Mikrofone und TV-Kameras, dass der diesjährige Festivaljahrgang als Pleite einzuordnen ist. Das sind garantiert dann die ersten Kolleginnen und Kollegen, die Jubelhymnen anstimmen, wenn der erste richtig gute, sehenswerte Film kommt. Geduld ist angesagt. Und Realitätssinn. Ein Festival kann nur zeigen, was es auf dem Markt findet und dann auch von den Produzenten und Verleihern bekommt. Und wenn derzeit eher das Mittelmäßige zu finden ist – dann sagt das eine Menge über den Zustand der Welt aus, aber nichts über Schwäche oder Stärke eines Festivals an sich. Bleiben wir also ruhig, trinken Tee, genießen die Sonne und warten ab. Die tollen Filme werden schon noch kommen hier am Lido di Venzia.
Peter Claus
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