Europa im Aufwind?
Seit Jahrzehnten Standard auf Filmfestivals in Europa: die Klage, Hollywood dominiere zu sehr und verdränge das Kino der sogenannten „Alten Welt“ auf eine Außenseiterposition. Da ist es nun höchst interessant, dass gleich zwei US-amerikanische Regisseur (die in vollkommen unterschiedlichen Klassen spielen) ein Hohelied auf das europäische Kino und das europäische Publikum singen!
Jon Favreau, Blockbuster-erfahren, zeigte in Locarno „Cowboys & Aliens“, einen Western mit Science-Fiction-Elementen und ein Star-Vehikel, dies vor allem für Daniel Craig und Harrison Ford. Favreu wurde auf der Pressekonferenz und in Interviews zum Film nicht müde, seine Verehrung für das europäische Kino des 20. Jahrhunderts kund zu tun. Und er überraschte mit dem Eingeständnis, dass die Zuschauer in Europa sehr viel aufgeschlossener seien als das Publikum in den USA. Ohne darauf eingegangen zu sein, dass der Film nach seinem US-Start die kommerziellen Erwartungen nicht erfüllt hat, gestand er das Floppen doch indirekt ein, indem er erzählte, wie schwierig es in den USA derzeit ist, einen Film zu realisieren, der keine Fortsetzung und kein Remake ist, sondern einen Originalstoff (in diesem Fall basierend auf einem Comic) umsetzt, und wie schwer sich die Zuschauer im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ damit tun, so etwas anzunehmen. Durchschnittskost geht dort derzeit am besten über die Theke. Ein Glück für Favreau und seine Ware, dass es in Europa tatsächlich anders ist. Was sich, nicht zu unterschätzender Nebeneffekt, auch positiv aufs Portemonnaie durchschlägt.
Ganz Ähnliches erzählte mir auch der sehr sympathische Azazel Jacobs, der mit seinem Debüt „Terri“ (siehe getidan) im Wettbewerb um den Goldenen Leoparden kämpft. Für Jacobs „bedeutet es ungemein viel, auf einem europäischen Festival vertreten zu sein“. Denn: „Wenn der Film hier gut läuft, dann habe ich in der Branche zuhause die Feuerprobe bestanden und bin kreditwürdig.“ Für Jacobs selbst ist der – auch beim großen Publikum in Locarno – starke Erfolg seines Films dazu der Beweis, dass es ihm gelungen ist, sein Ziel zu erreichen: „Ich wollte keinen Film drehen, der nur etwas über den Alltag bei uns in den USA erzählt. Ich wollte einen Film machen, der Universelles reflektiert. Ich bin sehr glücklich, dass die Diskussionen und Foren mit den Zuschauern hier auf dem Festival bestätigen, wie gut mir das offenbar gelungen ist.“ Klar: Die Geldgeber haben damit auch die Bestätigung, dass der junge Regisseur, der – es ist ein Debütfilm! – überraschend gut in der Schauspielerführung ist, auch mit aufwändigeren, teureren Projekten betraut werden kann. Kunstanspruch und Kasse gehen mal wieder Hand in Hand.
Wie in Locarno selbst. Am Sonntag gab’s den passenden Stargast zum Thema, die Französin Isabelle Huppert. Wie neben ihr vielleicht nur noch die Deneuve, hat sie es in Jahrzehnten immer wieder geschafft, Anspruchsvolles und Leichtes erfolgreich miteinander zu verbinden – und den Produzenten damit eine Menge Profit zu bescheren. – Madame, ganz Diva, stellte sich in Locarno brav auf einer Pressekonferenz. Und sie strahlte, schließlich gab’s auch noch einen Preis.
© Peter Claus
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