Die Beichte

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Clint Eastwood zieht in „Gran Torino“ die Summe aller seiner Filme

„Walt“, sagt der Priester, „Sie müssen beichten.“ Doch Walt Kowalksi will nicht beichten, will nicht Vergebung erlangen von diesem Kindskopf. Aber Clint Eastwood will es von seinem Publikum, will Beichte und Vergebung. Walt Kowalski war in Korea und weiß, dass der Tod nicht bitter-süß ist. Und Clint Eastwood, sagt er, weiß es auch, Er benötigt keine Kirche, nur einen Film.

Es gibt keinen anderen Filmkünstler, der sein eigenes Image so thematisiert, so zum beherrschenden Sujet macht, dass daraus ein Alterswerk entsteht. Clint Eastwood schreibt über die Jahre hinweg die Biografie einer imaginären Figur fort, die die Summe ist aus diesen Männern, die in der Einsamkeit leben und töten. Und je älter diese Figur wird, so problematischer wird sie sich selbst, so mehr mengt sich eine Sehnsucht in ihre Einsamkeit, eine Sehnsucht nach Sinn, nach Nähe und Menschen. Dieses reflexive Filmen begann mit dem Spätwestern „Erbarmungslos“, für das er den Regie-Oscar bekam, für „Million Dollar Baby“ gab es vier Oscars. Der alte Boxtrainer Frankie tötete noch einmal auf Verlangen, aus Barmherzigkeit. Der alte Koreaveteran Walt mag überhaupt nicht mehr töten. „Gran Torino“ war nicht einmal für den Oscar nominiert  und ist doch der wunderbare Film eines wunderbaren Schauspielers und Regisseurs.

Walt Kowalski bekommt seine Geburtstagsgeschenke. Vom Sohn die Greifhilfe, von der Schwiegertochter das Telefon mit den großen Tasten. Und von beiden Prospekte für Seniorenresidenzen, der alte Mann wohnt allein in seinem großen Haus. Da macht er ein Gesicht wie Dirty Harry kurz vor der Explosion. Der alte Walt Kowalski liebt seinen alten Hund und seinen alten Gran Torino, den er 1972 selbst mit baute, als er noch bei Ford war. Sonst liebt er nichts. Und schon gar nicht die Nachbarn, lauter Asiaten, lauter Schlitzaugen. Die sind nicht zu Hause, wo Walt Kowalski zu Hause ist, in Amerika. Die fressen Hunde und die haben sich fernzuhalten von seinem Rasen, Kroppzeug das. Und dann will dieser Bursche, dieser Thao oder Mao oder wie die so heißen, noch seinen Gran Torino klauen.  Dann belästigen drei Schwarze Sue, die Tochter der Nachbarn, dann will eine kriminelle Boygroup ihren Bruder mit Gewalt pressen. Nicht in seinem Amerika, so greift Walt Kowalski ein, obgleich es nur Hundefresser sind. Die Hundefresser sind erstklassige Köche und der knurrige, biestige alte Mann lässt sich von den dankbaren Nachbarn überreden. Und sieht, dass es gut ist, das Essen und die Menschen. Hier ist Gran Torino so etwas wie eine sanfte Komödie. Wie der alte Mann sich widerwillig von Sue mit respektvoller Unbekümmertheit in das Leben der Nachbarn ziehen lässt, wie er doch das Essen genießt und die Menschen, den Geschmack und die Nähe. Dem jungen Priester hat er verboten, ihn Walt zu nennen, das noch jüngere Mädchen sagt Wally zu ihm. Und der Schamane sagt: „Sie haben in ihrem Leben einen Fehler gemacht, Sie haben keine Fröhlichkeit, keinen Frieden.“ Walt Kowalski hat in Korea als Soldat Menschen getötet, er hat den Silver Star dafür bekommen und er hat es nicht verwunden. Und Clint Eastwood hat als namenloser Reiter für eine Handvoll Dollar getötet, er hat als Dirty Harry getötet, er hat Ruhm dafür bekommen und er leidet darunter. Dann wird Thao von der Gang zusammengeschlagen, und Walt macht noch einmal den Harry, ohne Tote. Dann wird Sue brutal gequält. Eastwood, wenn er das zerschundene Mädchen sieht, zeigt ein Gesicht, das sich fragt, ob jetzt doch wieder die Zeit für Harry ist. Dann nimmt er ein Bad und  geht zum Friseur, dann geht er zum Schneider und zur Beichte. gran_torino2Und dann tut er, was ein Mann tun muss, wenn er einmal Dirty Harry war und es nie wieder sein will. Dann tut er Buße auf seine Art. Ich bin jemand, der die Dinge zu Ende bringt sagt er. So geschieht es. Als Kowalski, als Eastwood. Es soll seine letzte Rolle sein.

Es ist in der Tat, als ziehe der 78-jährige die Summe aller seiner Filme, als wolle er sagen, es müsse einmal Schluss sein mit der Gewalt. Natürlich ist das auch ein Spiel, natürlich schreibt Eastwood die moralische Biografie seiner Figuren auch fort mit Kalkül, natürlich ist das auch ein amerikanisches Ende mit Pathos. Aber es ist schon faszinierend wie dieser Künstler seine Figuren, den Schauspieler und den Regisseur mit minimalen Mitteln zu einer wunderbaren Trinität fügt. Ja, das ist ein Meister. Und diese Beichte ist ein Meisterstück.

Autor: Henryk Goldberg

Text geschrieben März 2009

Text: veröffentlicht in Thüringer Allgemeine

Bild: Warner Bros.