L.A.-Psychos
Eine prunkvolle Collage von Aufnahmen geschlossener Kinos in der Traumfabrikstadt Los Angeles eröffnet THE CANYONS. Das Hollywood-Sex-Drama stammt aus der Feder von Bret Easton Ellis (AMERICAN PSYCHO), inszeniert von Paul Schrader (AMERICAN GIGOLO). Ex-Disney-Star und Skandalnudel Lindsay Lohan spielt eine junge Ex-Schauspielerin, die sich an einen Millionärssohn und Möchtegern-Produzenten (Pornostar James Deen) gebunden hat, weil er sie- versorgt. In seiner modernen Luxus-Villa in den Hollywood Hills treiben sie lieblosen Sex mit Swingern und Callboys. Als ihr Ex-Freund auftaucht, beginnt ein unterkühltes Drama um Liebe, Besessenheit, Abhängigkeit und Mord.
THE CANYONS ist ein doppelbödiges Spiel: Alle reden hier von Filmen, aber die selbsternannten Schauspieler arbeiten im Hotel oder als Yogalehrer, die Produzenten interessieren sich nicht für Filme, sofern sie diese Produktionen nicht für Machtspiele nutzen können. Im Kino war, wie sich im Gespräch herausstellt, schon lange keiner mehr. Die zu Beginn gezeigten Kinos lassen keinen Zweifel offen, dass die Traumfabrik Hollywood geschlossen hat. Das Kino und Gefühle, bis auf Missgunst, sind tot.
Der routinierte Lowbudget-Film THE CANYONS wurde von Presse und Publikum gemieden oder verrissen. Dies geschah auch schon mit UNTER NULL (1987) und THE INFORMERS (2008), in denen Ellis die Stadt Los Angeles als hypermoderne, tote Seelenlandschaft darstellte. US-Star-Kritiker Roger Ebert nannte THE INFORMERS „eine Seifenopfer live aus der Hölle“ und meinte dies keineswegs positiv. Ellis Figuren sind zwar sexy, aber eiskalt, sie sind scheinbar gleichgültig und sich selbst egal – ein gefühlvoller Film geht anders, was die Abneigung der breiten Masse erklären mag.
UNTER NULL
Mit nur 21 Jahren veröffentliche Ellis das unter starkem Einfluss der Droge Speed geschriebene Buch-Debüt ‚Unter Null’ und erhielt den Ruf des „‘Fänger im Roggen‘ der MTV-Generation“. Sein No-Future-Kultbuch beschreibt eine Generation von „Rich-Kids“, die ziellos von Party zu Party treiben und sich im Leben verlieren. Der Gesellschaftsentwurf ist gefühl- und handlungslos, er ist bestimmt von Kokain, Anonymität, Markennamen, Sex und Tod.
Die Verfilmung UNTER NULL wandelt die Geschichte weitgehend in eine gradlinige Moralgeschichte, in der der nette Clay (Andrew McCarthy) zu Weihnachten von seinen Ostküsten-College nach L.A. kommt. Er versucht seinen Schulfreund Julian (Robert Downey jr.) aus einem Sumpf von Schulden, Drogen und Prostitution zu holen. Beverly Hills erscheint in kalten gestylten Bildern als Ort einer konsumgierigen oberflächlichen Schickeria. Obwohl der exzellent gedrehte wie gespielte Film der unmoralischen Buch-Geschichte Moral einimpfte, passte er kommerziell nicht in die Ära von Ferris Bueller und des Breakfast-Clubs.
THE INFORMERS
Der werkgetreue epische Gesellschaftsreigen THE INFORMERS verbindet Geschichten aus der Welt der Reichen, sowie die Geschichte eines gewalttätigen Rockstars (Mel Raido) und eines abgefuckten Kidnappers (Mickey Rourke). Ein Filmproduzent (Billy Bob Thornton) hat ein Verhältnis mit einer TV-Sprecherin (Winona Ryder), seine medikamentenabhängige Ehefrau (Kim Basinger) eines mit einem Freund ihrer Kinder. Die Teenager langweiligen sich auf Partys und in teuren Lofts mit Alkohol, Drogen und Sex. Ein Vater-Sohn-Trip nach Hawaii wird zum völlig deprimierenden Fiasko. Selbst die Beerdigung eines Mitschülers kehrt nur die Langeweile und Leere nach außen – man hat sich nichts zu sagen. Im Schlussbild liegt die hübsche Blondine Christie (Amber Heard) im Bikini am bewölkten Strand und gleicht einer Toten.
Der Rockstar verlangt von seinem Manager: „Bring mir meine Träume in Ordnung.“ Die freizügige Verfilmung liefert ein großes Gesellschaftsbild mit bombastischen Aufnahmen der aufstrebenden modernen Metropole in den 1980ern. Es ist noch eine Zeit mit scheinbar freiem Sex, doch zwischen den Musikclips verbreitet sich die Nachricht über den neuartigen tödlichen Virus AIDS, der das neue Babylon wie eine biblische Plage erschüttern wird.
Die Geschichten in THE CANYONS sind in Ellis‘ Manier abweisend und ohne Sympathieträger. Seine Figuren sind wie kühle Architekturen oder Popart-Bilder. Sein Los Angeles ist ein eiskalter, nekrophiler Ort an dem man sich kaum wohlfühlen kann. Doch dieser fasziniert so, dass man wie die Motte das berühmte Lichtermeer der Stadt ansteuern will, um an dieser Welt abzugleiten.
Wolf Jahnke (Los Angeles – Mit Hollywood durch L.A.)
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Bilder:
THE CANYONS (Szene und Cover KSM)
THE INFORMERS (Szene und Cover Universum Film Home Entertainment)
UNTER NULL (Cover Twentieth Century Fox Home Entertainment Germany)
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