Sex, Gewalt und gute Laune in der Maske reiner Unschuld
Ist es möglich „South Park“ zu mögen? Diese krude Mischung aus betont roher Legetechnik-Animation, Kinder-Niedlichkeit und erbarmungsloser Geschmacklosigkeit? Diese hemmungslose Mischung aus Gesellschaftssatire, Fäkalhumor und gezielter Beleidigung aller Mächtigen, Ohnmächtigen und Weggetretenen? „South Park“ „politisch unkorrekt“ zu nennen, wäre ein Euphemismus. Hier geht es nicht um die Überschreitung von Grenzen, hier ist man bereits jenseits jeder noch so unscharf gezogenen Grenze medienkultureller Bekömmlichkeit. Sexualität, Religion, Politik, Pädagogik, Gesetz – nichts bleibt verschont; es wird gefurzt, gekotzt, geflucht, geprügelt und abgemurkst. Schwule, Behinderte, Minderheiten, Gut- und Alltagsmenschen, Erwachsene oder Kinder, alle sind gleich korrupt, gewalttätig, wahnsinnig und heuchlerisch. Der tückisch konstruierte Kinderblick sieht die Welt wie sie wahrscheinlich ist und scheint sich nichts daraus zu machen. Nein, Peanuts sind das nicht.
Im Zentrum der Serie stehen vier acht- bis neunjährige Jungen, Stan Marsh, Kyle Broflovski, Eric Cartman und Kenny McCormick, die im idyllischen Städtchen South Park am Fuß der Berge von Colorado die Grundschule besuchen. Sie „Freunde“ zu nennen, wäre eine Verkennung ihrer Welt, sie haben keine Probleme damit, einander zu betrügen oder auch umzubringen, wenn es den eigenen Interessen oder Obsessionen dient oder sich gegenseitig mit rassistischen und religiösen Phobien zu verfolgen. Dazu kommen eine Reihe feststehender Nebenfiguren wie etwa (als eine der wenigen eher positiv erscheinenden Figuren) der Koch der Schule (den im Original der Soul-Sänger Isaac Hayes sprach, bis er sich wegen der South Park-typischen Abfertigung von Scientology zurückzog).
Seit 1997 läuft die Serie von Trey Parker und Matt Stone (die auch den meisten Hauptfiguren die Stimme geben), nun schon in vierzehn Staffeln, im Fernsehen zumeist in den späten Abendstunden und was die DVD-Ausgaben anbelangt mit einem dräuenden FSK-16-Hinweis versehen. Auch das ist natürlich ein Trick. Beinahe jedes Kind auch hierzulande kennt „South Park“, und es wiederholt sich vor dem Fernseher, was Inhalt der Serie ist: Sex, Gewalt und gute Laune erscheinen in der Maske reiner Unschuld.
Aus, nun ja, gegebenem Anlass kommt gerade eine „South Park“-Kompilations-DVD recht, die sich mit Themen wie Kirchenmacht, Kindesmissbrauch, religiöser Propaganda, und Heuchelei in gewohnt drastischer Weise beschäftigt. „The Passion of the Jew“ vereinigt drei Episoden aus verschiedenen Staffeln. Worum es geht? Um Mel Gibsons kruden „Jesus“-Film und die antisemitischen Reaktionen, um Kindesmissbrauch als Normalfall katholischer Priester-Sexualität, um die Umkehrung der Folge von Nahrungsaufnahme und Verdauung, um Kinderpsychologen mit der „South Park“-Variante von Einfühlungsvermögen, um Christen-Rock und seine Vermarktung, um Anfälle von Atheismus („Wenn es einen Gott gäbe, würde er es nicht zulassen, dass seine Priester unsere Kinder missbrauchen“). Und um furchtbare, wirklich furchtbare musikalische Einlagen.
„South Park“ ist hässlich, zynisch und bösartig. Und wahrscheinlich sind Rundschläge des schlechten Geschmacks auch keine Lösung für unsere Probleme. Aber wenn sonst niemand sagt, wie es ist… „The Passion of the Jew“ kann man wahlweise als Einstiegsdroge (alle Staffeln sind sowohl auf DVD-Boxen wie frei im Internet zu haben) oder als Abschreckungsmittel verwenden.
Autor: Georg Seeßlen
SOUTH PARK: DIE PASSION DES JUDEN (2010, Paramount Home Entertainment)
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