Einübung des ausdruckslosen Blickes
Leander Haußmanns NVA-Klamotte sieht aus, als würde er bald Kaspers
Abenteuer im wilden Osten mit Otto Waalkes drehen
Auf dem Kasernenhof werden die Neuen unterwiesen, wie sie die Vorgesetzten
anzuschauen haben. Angespannt, salbadert der Vorgesetzte, aber ausdrucklos.
Angespannt ist dieser Film nicht, das liegt dem fröhlich-verspielten Leander
Haußmann nicht. Der Rest ist zutreffend.
Dieser Film ist nicht so deprimierend schlecht, weil er die DDR verharmlose,
wie ein alberner ideologischer Anwurf der schönen Sonnenallee vorwarf. Er
ist so schlecht, weil er nichts ein Nummernprogramm ist, das die alten
Militärklamotten recycelt, den deftigen, schenkeligen Kasernenhofhumor. Und,
wenn die Jungens skandieren I dont want my Teenage Queen, I just want my
M-16 wird auch Full Metal Jacket Respekt erwiesen.
Leander Haußmann ist schon immer, fast immer, ein Freund nicht des
ausdruckslosen, wohl aber des beinahe des meinungslosen Blickes gewesen.
Schon seine frühen, schönen Weimarer Inszenierungen, waren verspielt, schön
und substanzfrei. Seine Arbeiten verfügten, fast, immer über Witz und Charme
und, fast, nie, über eine Substanz. Sie waren ästhetisch zentriert, nicht
konzeptionell. Wo andere junge Regisseure grübelten und grummelten zum
Steinerweichen, da lief Leander fröhlich durch die Welt, die er fröhlich
abbildete. Just for Fun. Viel Spaß! titelte er in seiner ersten Bochumer
Spielzeit, und das war sein voller Ernst.
Diese, doch, Abwesenheit eines harten, eines geistigen Kernes konnte, wer
wollte, sehen in seinen luftigen Arbeiten, aber es ließ sich auch gut
übersehen. Hier ist es nicht zu übersehen, denn hier bringt diese Art von
Substanzlosigkeit die ganze Konstruktion zum Einsturz. Haußmann, der seinen
eigenen, nun ja, Roman verfilmte, sammelte gleichsam visualisierte
Erinnerungen an die Nationale Volksarmee und reiht sie unterschiedslos
aneinander. Einfach so. Wie skuril es war und wie demütigend und wie albern.
Und wie Jungens doch immer wieder erzählen müssen von diesem merkwürdigen
Initiationsritual. Es ist, als mache der Autor und Regisseur sich zum
Verbündeten der Offiziere: Er nimmt den handelnden Personen die
Individualität, als verschmölzen in der Erinnerung die Persönlichkeiten zum
Typ: Der Sensible, der Kämpfer, der Religiöse, der Arsch, etc. Und die
Offiziere sind holzgeschnitzt in einem mitunter lustigen Kabarett. In
wenigen Szenen nur, die Kaffeerunden der Offiziere, die Verabschiedung des
Kumpels in das Straflager Schwedt, offenbaren, dass da ein Regisseur am
Arbeiten war, viele Sequenzen hätte auch ein Regieassistent ins Werk setzen
können: wo es keine Erzählung gibt, da gibt es auch keine Ästhetik. Das
Grundproblem ist, dass das Buch nicht Thomas Brussig schrieb, sondern eben
Leander Haußmann. So ersetzt der Film den Charme der Sonnenallee durch den
Charme der NVA.
Leander Haußmann ist das Beispiel eines hoch begabten Regisseurs, der sein
Talent vertändelt, weil ihm die Welt nur Spielmaterial ist. Bislang
resultierte aus diesem problem- und meinungsfreien Arbeiten doch wenigstens
der Spaß, mitunter ein hochklassiges ästhetisches Vergnügen. Nun, da er
seine eigne Geschichte schrieb, ist er angelangt bei den ausdruckslosen,
den kunstlosen Blicke.
Autor: Henryk Goldberg
Text geschrieben 2005
Text: veröffentlicht in Thüringer Allgemeine
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