Alan Arkin ist die optimale Verkörperung eines Mannes, der im Eifer, eine Idealvorstellung zu verwirklichen, komisch wird, ohne es zu merken.
Nichts gegen die flamboyante Komik von Peter Sellers und Blake Edwards, aber der bessere „Inspektor Clouseau“ war für meine Begriffe Alan Arkin: ein todernster Kerl, der sich seiner Begabung zur Anarchie keinen Augenblick bewusst ist und der, anders als Sellers, auch kein geheimes Vergnügen an dem Chaos empfindet, das er anrichtet.
Und das ist auch schon die eine Geschichte von »The Return of Captain Invincible«: Alan Arkin als reaktivierter Superheld aus dem Golden Age der populären Mythologie Amerikas ist nicht komisch. Genau daraus zieht der Film seine komischsten Momente und seine Richtigkeit. Durch Arkins Ernsthaftigkeit muss die Umwelt, sowohl die der Wirklichkeit als auch die der Fiktionen, ihre Komik offenbaren. Die andere Geschichte ist eine hübsche kleine Satire auf Comic-und Serial-Helden, ihre Gesten, ihre Sprache, ihre Gimmicks, ihre Typologie usw.
Invincible ist vom „House Committee of Unamerican Activities“ angeklagt worden, weil er ein rotes Cape trägt, sich den Titel „Captain“ angemaßt hat und ohne Flugerlaubnis fliegt. So etwas erträgt auch der patriotischste Superheld nicht, und Invincible, nun nur noch ein unheldischer „Vince“, versumpft im entferntesten Winkel der Welt, der sich trotzdem so leicht mit Amerika verwechseln lässt, in Australien. Der alt-böse Feind, Mister Midnight (Christopher Lee mit Johannes-Heesters-Stimme) bedroht noch einmal die Welt. Der amerikanische Präsident, dem er einst als Pfadfinder seine allzeitliche Hilfe versprach, ruft ihn, unterstützt von einer adretten Polizistin, noch einmal auf den Plan.
Langsam muß er seine Fähigkeiten, das Fliegen und seine immense Magnetkraft, wieder erarbeiten und natürlich nicht zuletzt mit einem Super-Kater fertig werden. Was sich dann zwischen Midnight und Invincible abspielt, ist meistens amüsant. Besonders in seinen Musical-Passagen ist der Film schön überdreht. Mora spielt mit Formen und Zitaten. Besonders liebevoll parodiert er die Konsum-Träume der vierziger Jahre. Und endlich gibt es auch wieder einmal eine zünftige Tortenschlacht zu sehen.
Aber die vom einen oder anderen gewitterte „bitter-böse Satire“ auf amerikanische Mythen ist Moras Film sicher nicht. Selbst der verwandte Film »Cat Ballou«, auch nicht gerade das Werk eines Spielverderbers, wagte sich tiefer in die Abgründe der Helden. »The Return of Captain Invincible« ist im Gegenteil eine versteckte Restauration jener Mythen, mit denen sich auch die McCarthy-Ära die Paranoia ausstattete. Er läßt noch einmal die stets behauptete Qualität unserer alten Helden auferstehen: Naivität, Unschuld. Das heißt fliegen können (weshalb vermutlich sich unser „Schneider von Ulm“ nie wirklich in die Lüfte schwingen konnte).
An diese Unschuld glaubt heute kein Kind mehr. Vielleicht meint es dieser Film mit seinem Helden einfach zu gut. Um ihn zu bewahren, belässt es die Parodie bei den satirischen „Seitenhieben“, anstatt das Komische in diesem Traum von Captain Invincible selbst aufzuspüren.
Am Schluß von »Cat Ballou« säuft Lee Marvin natürlich wieder. Captain Invincible dagegen bleibt trocken, er fliegt und predigt wieder Ideale. Lee Marvin versucht für einen Moment, den Traum Wirklichkeit werden zu lassen, weil die Leute das brauchten. Captain Invincible dagegen hat nie seinen Traum verlassen, und eigentlich erzählt Alan Arkin (manchmal ohne daß es der Regisseur merkt) die Geschichte eines Träumers (den man natürlich wie alle Träumer auch einen Geisteskranken nennen kann), dem ein paar freundliche Mitmenschen seinen Traum ausstaffieren helfen, um ihm den Schrecken des Erwachens zu ersparen. Das tut auch den Captain Invincibles im Kino gut.
Georg Seeßlen
Text veröffentlicht in epd Film 11/84
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