„Perspektive Deutsches Kino“: Kein Film ohne Wald. |
Insgesamt sieben Filme umfasst das diesjährige Programm der Perspektive Deutsches Kino. Die Sektion, die 2002 von Dieter Kosslick ins Leben gerufen wurde, fördert den Nachwuchs und gewährt einen guten Einblick in das, was junge FilmemacherInnen beschäftigt. Dieses Jahr sind erfreulicherweise alle Filme, bis auf einen, aus der Hand von Regisseurinnen. Fünf Spielfilme und zwei dokumentarische Arbeiten (u.a. LADIES ONLY) zeigen ein breites Spektrum an Themen und stilistischen Umsetzungen.
Auffallend ist, wie häufig die Filme am und im Wald spielen. Ob dies mit der Pandemie zu tun hat (relativ pandemiesicherer Drehort) oder mit der deutschen „Seele“ bleibt offen. Fakt ist, daß der Wald mit seinen widersprüchlichen Bedeutungen eine hervorragende „Bühne“ für die unterschiedlichsten Geschichten ist.
In GEWALTEN (Constantin Hatz) ist der Wald der einzige Schutz- und Rückzugsort für den noch so kindlichen Daniel. Hierhin kann er jederzeit fliehen, denn zuhause warten nur ein todkranker, gefühlskalter Vater und ein aggressiver, tyrannischer Bruder. In SCHWEIGEND STEHT DER WALD (Saralisa Volm), einer Verfilmung des gleichnamigen Romans von Wolfram Fleischhauer, ist der Oberpfälzer Wald dagegen vor allem dunkel und unheilvoll. Hier geschah nicht nur ein Mord und der ungeklärte Tod des Vaters der Protagonistin, sondern auch ein grauenhaftes Verbrechens aus der deutschen Vergangenheit kommt an den Tag.
In WIR KÖNNTEN GENAUSO GUT TOT SEIN (Natalia Sinenikova) bleibt unklar, was oder wer im Wald so bedrohlich ist, dass man sich dort nur im Stechschritt und ausschließlich schwer bewaffnet bewegt, und nichts anderes wünscht, als in einem hermetisch abgeschlossenen Hochhaus zu leben.
ECHO (Mareike Wegener) ist formal der auffallendste Beitrag in diesem Zusammenhang. Die Polizistin Saskia leidet an einem Trauma. Sie hat in Afghanistan eine für Kollegen tödliche Übung zu verantworten. Nach Deutschland zurückversetzt ermittelt sie den Tod einer Moorleiche. Gleichzeitig wird eine Fliegerbombe aus dem 2. Weltkrieg entdeckt. Wie die Regisseurin nüchterne Informationen, wie beispielsweise die Entschärfung einer Bombe, mit märchenhaften Sequenzen verknüpft, und beim Thema der Schuld- und Vergangenheitsbewältigung auch humorige und groteske Elemente einfügt, ist ungewöhnlich. Irgendwann wird es dann aber doch zu verschraubt. Ein sprechender, kommentierender Papagei, ein skurriler Großgrundbesitzer mit unheimlicher Sammelleidenschaft (vorzugsweise von Steinen), Eltern auf der Suche nach ihrem verschwundenen Kind, und eine Ermittlerin, die immer wieder von ihren Erinnerungen heimgesucht wird und dabei in pinkfarbenen Wolken versinkt.
Vor lauter Bäumen sieht man irgendwann den Wald nicht mehr. Der Film verirrt sich buchstäblich in der Vielzahl seiner Motive und Personen. So wie in geologischen Ablagerungen und Gesteinen Erdgeschichte verborgen ist, so tragen auch wir Sedimente unserer persönlichen und kulturellen Vergangenheit in und mit uns und erzeugen (meistens) unkalkulierbare Echos. War das die grundlegende Idee? Leider wurde daraus kein überzeugender Film.
Daniela Kloock
Bild ganz oben: Schweigend steht der Wald (Regie: Saralisa Volm) | DEU 2022 | Perspektive Deutsches Kino | © POISON/if… Produktionen
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