Ball der Debütanten
Die Oscars: “ American Beauty“ ist der Gewinner der Saison
Diese Nacht war der Ball der Debütanten. Denn Sam Mendes, der Regisseur und Alan Ball, der Autor, haben mit American Beauty beide ihren ersten Film vorgelegt. Man wird lang zu suchen haben, einen vergleichbaren Vorgang zu finden: Ein Debütfilm wird durch fünf Osacars zur erfolgreichsten Arbeit der Saison erhoben. American Beauty gewann in den wichtigen Kategorien »bester Film«, »beste Regie« »bester Hauptdarsteller» (Kevin Spacey) und »bestes Originaldrehbuch« (alle Gewinner siehe unten) sowie »Kamera«. Überdies verfehlte die nominierte Annette Bening knapp die »beste Hauptdarstellerin«, und auch das wäre in der Ordnung gewesen. Der leise Gewinner dieser Nacht ist ein Mann, dessen Platz sonst eher an der Rampe ist, Steven Spielberg. Denn er war es, der, was in der Industriestadt Hollywood nicht selbstverständlich ist, die Debütanten engagierte. Die Kontostände seiner Firma »DreamWorks« bestätigen nun diese traumhafte Arbeit.
American Beauty beglaubigt auch als Kunst das Erfolgsmodell Hollywood. Denn wieder einmal haben sie es verstanden, einem durchaus ernsthaften Sujet eine Form zu geben, die einen solchen Film zu einer Attraktion geraten lässt. Das Leben in den Vorortsiedlungen des Mittelstandes ist ein wesentlicher Teil des Lebens in Amerika überhaupt und der Autor und sein Regisseur gehen auf eine Weise mit den durch Literatur und Kinematographie geprägten Schablonen um, dass es eine frohe Lust ist und ein ernsthaftes Thema bleibt. Und da sie den amerikanischen Mittelstand mit sich selbst versöhnen zwar, du bist ein Arsch, aber du kannst es ändern , war der souveräne, und berechtigte, Triumpf dieses Filmes kaum ernsthaft zu bezweifeln.
Zweifel, Unsicherheiten gab es um die Vergabe der minderen Weihen, ein Zweifel, der aus deutscher Sicht eine Hoffnung war, Wim Wenders und sein Buena Vista Social Club. Es hat nicht gereicht, und ob das eine Ungerechtigkeit war, wird erst zu bewerten sein, wenn, falls überhaupt, der Dokumentarfilm Ein Tag im September in Deutschland zu sehen ist. Schade auch für den Kinoklub Erfurt, der ab Donnerstag den Oscar-Gewinner zeigen wollte, so zeigen sie den beinahe Gewinner. Wim Wenders, der mit The Million Dollar Hotel letztens einen skuril-liebenswerten, wenn auch nicht kommerziell erfolgreichen, Spielfilm inszenierte, kann sich immerhin zum Troste sagen, einen der erfolgreichsten Dokumentarfilme des letzen Jahrzehnts gedreht zu haben, möglicherweise den erfolgreichsten überhaupt. Wer allerdings gesehn hat, wie Pedro Aldomovar Alles über meine Mutter erzählt, der wird aus lauter kinemathographischen Patriotismus nicht über das Schicksal von Aimee und Jaguar, trotz seiner beiden vorzüglichen Hauptdarstellerinnen klagen dürfen. Denn ganz unbezweifelbar ist die Arbeit des Spaniers, geehrt für den besten fremdsprachigen Film, in einer Klasse angesiedelt, mit der dieser deutsche Film nichts zu tun hat.
Als der zweitbeste Film der Saison, wenn man die verliehenen Oscars als Maßzahl des Erfolges akzeptiert, setzte sich Matrix durch, und auch das ist in der Ordnung. Denn der erste Kinofilm, der nach den Maßgaben der Computerspiele gefertigt wurde, erhielt keine Preise für Inhalte oder Schauspielereien, und den in technischen Kategorien definierte er in der Tat den Stand der Dinge.
Von den großen Filmen, den Filmen mit Anspruch, werden sich zwei als die Verlierer dieser Nacht empfinden, der eine mit einigem Recht, der andere wurde unangemessen hoch gehandelt: Gottes Werk und Teufels Beitrag von Lasse Hallström und The Green Mile von Frank Darabont. Wenn gegen den Nebendarsteller-Preis für Michael Caine nichts zu sagen ist, so waren doch sieben Nominierungen, darunter die Hauptkategorien »Film« und »Regie« für diese handwerklich gediegene Biederkeit eine Merkwürdigkeit und der Preis für das beste adaptierte Drehbuch ist es, hier wäre The Green Mile wohl die bessere Wahl gewesen. Gewiss, das ist kein wirklich großer Film, aber ein wirklich schöner. Und Tom Hanks hätte, nach Philadelphia und Forrest Gump einigen Anspruch auf seine dritte Trophähe geltend machen können. Dass sie, statt dessen, an Kevin Spacey ging, ist nachvollziehbar, dass Hanks hingegen, anders als Denzel Washington für den gut gemeinten Hurricane nicht einmal eine Nominierung erhielt, ist ein Vorgang, dessen Gründe kaum künstlerische sein können.
In American Beauty zeigt ein Junge einem Mädchen ein Video, eine im Wind treibende Tüte, die gelben Blätter tanzen dazu. Und wenn der Held stirbt wird er diese Bilder imaginieren, ein Symbol von Schönheit. So ehrt Hollywood mit diesem Film auch das ganze Gewerbe: Es ist die Kamera, die die Schönheit bewahrt
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