Leere Legende

Verbrechen lohnt sich nicht: „Sass“

Erich, sagt Franz zu seinem Bruder, möge der Dame ausrichten, sie habe einen Blick wie fiebrige Jade. Ob er, wird die Dame ihn später fragen, das auch glaube. Nein, sagt Franz, schließlich, er ist nicht blöd. Auch Erich hat Glück, er trifft im Puff die Hure Gertrude aus der Nachbarschaft, die hier Veronica heißt. Sie küßt ihn, obschon das verboten ist und sie gibt ihm sein Geld zurück. So fangen Liebesgeschichten an und Geschichten überhaupt. Aber Carlo Roha erzählt sie nicht.

Die Brüder Sass gab es tatsächlich im Berlin der späten Weimarer Republik, sie waren clever und sie waren populär. Tressorknacker und in diesem Erwerbszweig so hoch qualifiziert wie motiviert. Das Sujet enthält mehrere mögliche Geschichten: die Legende vom Aufstieg eines proletarischen Bruderpaares aus Moabit, die Liebesgeschichten, die Verschränkung des ursprünglich rein kriminellen Vorganges mit der politisch-kriminellen Energie der Nationalsozialisten. Roha, sonst für das Fernsehen arbeitend, Rosa Roth etwa, erzählt von jeder ein bisschen und keine richtig. Entweder er hat sie nicht gesehen oder es genügte ihm die Möglichkeit, in einer opulenten Ausstattung zu baden. Das Feeling dieser, wie jeder anderen, Zeit indessen entsteht nicht durch gestylte Bars, Bordells und Banken, es entsteht durch Inszenierung. Und die gibt es nicht.

Es gibt nur Ben Becker und Jürgen Vogel, die deutlich besser sind als der Film, der sie verschleudert in planen Bildern. Roha bleibt noch hinter Vilsmaiers Commedian Harmonists zurück, der, wenn schon kein historisches Bewusstsein, so doch wenigstens eine szenische Vitalität besaß. Lang anhaltendes, weithin uninspiriertes Räuber-und-Gendarm-Gewusel, so bieder muss man Einbrüche erst mal inszenieren können, wenn man dieroaring twenties meint. Kaum ein Versuch, die Gegensätzlichkeit der beiden Brüder anders als verbal zu nutzen der eine will die Mörder des Vaters selbst erschießen, der andere läßt es von der Polizei erledigen , die Nationalsozialisten, denen die Brüder zum Opfer fallen, haben mit diesem Film erkennbar nichts zu tun. Wie auch einige, in sich ansprechende Szenen, isoliert stehen, unverknüpft durch eine Geschichte, uninspiriert durch einen Gedanken.

Autor: Henryk Goldberg

Text geschrieben 2001

Text: veröffentlicht in Thüringer Allgemeine