Jüngeren Kinogängern ist das Genre des „Gerichtsdramas“, wenn überhaupt, nur noch aus US-amerikanischen Produktionen geläufig. Die deutschen Gerichtsfilme der 1950er und 60er Jahre – der wichtigste sicher: „Rosen für den Staatsanwalt“ von Wolfgang Staudte – sind weithin vergessen. Unverdient.
Nun also belebt Fatih Akin das Genre – zumindest zu weiten Teilen seines neuen Films – neu. Deutlich orientiert er sich formal eher an den Hollywood-Hits als an deutschen Vorläufern. Was völlig in Ordnung ist. Denn: Er kann’s!
Vor dem Hintergrund der Taten der rechtsextremen Terrorzelle NSU und insbesondere deren Aufklärung (bzw. lange Zeit Nicht-Aufklärung) erzählt er eine Skandal-Story. Der Skandal: Die Bezüge zur deutschen Wirklichkeit sind leider nur zu eng. Wie dort, so passiert es auch im Film, dass der Mord an einem Mann mit Migrationshintergrund erst mal als Delikt zwischen Migranten abgetan wird und die Opfer zu Tätern abgestempelt werden. Doch die Witwe eines solchen Opfers, Katja, lässt sich nicht klein kriegen. Sie bohrt. Und sie agiert. Was schließlich zu einem ausgereiften Rachedrama führt. Am Ende stehen gewichtige moralische Fragen im Raum. Die Akin nicht mit kleinlautem Wir-haben-uns-doch-alle-lieb-Kitsch zukleistert. Er provoziert. Gut so!
Diane Kruger, die schon mehrfach ihre Klasse bewiesen hat, spielt hier, greifen wir ruhig zu der abgedroschenen Formel, „die Rolle ihres Lebens“. Als Katja überzeugt sie vollkommen, fesselt, packt. Differenziert arbeitet sie einen handfesten Charakter heraus. Großartig. „Differenziert“ kann man den Film an sich nicht unbedingt nennen. Er dürfte ob seiner Rigorosität auch Widerspruch auslösen. Man hofft auf Diskussionen, weit über das Kino hinaus. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Peter Claus
Bilder: © The Match Factory | Aus dem Nichts von Fatih Akin
Aus dem Nichts, von Fatih Akin (Deutschland 2017)
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