Filmsatire made in Germany. Da entfährt einem spontan erst mal nur ein: „Ach, Gottchen!“. Gab’s da noch was nach „Schtonk!“? Ein Vierteljahrhundert ist’s her. Und, nein, spontan fällt einem nichts Vergleichbares ein. Auch diese Roman-Adaption kann mit Helmut Dietls wahrlich köstlich-komischem Gesellschaftsporträt nicht mithalten. Aber immerhin: „Einsamkeit und Sex und Mitleid“ unterhält famos und gibt einem doch so einiges zum Grübeln mit auf den Weg.
Formal lässt der Spanier Pedro Almodóvar aus weiter Ferne leise grüßen. Wie er, so setzt auch Regisseuer Montag auf einen wilden Episodenreigen, reißt Geschichten um Einzelschicksale eher an, als dass er sie erzählt, zeigt unentwegt Charaktere in Krisensituationen. Ob Supermarkt-Boss oder Ex-Lehrer, Callboy oder Polizist, Künstlerin oder Ärztin, ob schon jenseits des Jugendalters oder grad mal so aus den Windeln raus: alle Figuren eint, dass sie krampfhaft das suchen, was sie für Glück halten. Heißt: Sie wollen all den Schein in Sein verwandeln, den sie aus der Werbung und den Medien kennen. Klar also: Sie müssen auf der Nase landen.
Der Witz ist mal flach, geht aber auch oft in die Tiefe, Gefühl rutscht nicht in Gefühlsduselei ab, so bekommt der Spaß Momente des Ernstes, also Wirkung. Sei es das Verschwinden der Lieblingswurst aus dem Supermarktangebot oder die unerfüllbare Lust auf gewisse Ansprüche: jede und jeder kämpft sich durch einen Alltag, der von Wahn gezeichnet ist, jenem Wahn, der die Profitgesellschaft als solche nun mal ausmacht: dem nach „höher, weiter, schneller“ und vor allem „mehr, mehr, mehr.“
Die Chose basiert auf dem 2009 herausgekommenen Buch von Helmut Krausser, ein Bestseller um das Leben deutscher Großstädter auf kleinen Sonneninseln in sehr viel Schatten. Das Schöne: als Leser und als Kinobesucher lacht man die Protagonisten nie aus. Wer lacht schon sich selbst aus?!
Montag hat bisher wohl vor allem, das allerdings mit Erfolg, „Tatort“-Folgen inszeniert. Eine wirklich individuelle Handschrift zeigt er aber nicht, jedoch ebenso wenig reibungslose Routine. Was sicher insbesondere daran liegt, dass man seine Zuneigung zu allen vorgeführten Figuren zu spüren meint. Wobei Montag nicht auf Promi-Akteure setzt. Zwar kennt man sie oder ihn aus diesem oder jenem Film, doch von Star-Ruhm kann bei Leuten wie Jan Henrik Stahlberg, Friederike Kempter, Bernhard Schütz oder Maria Hofstätter nicht die Rede sein. Macht nichts. Sie alle agieren mit Stil und Klasse, tragen den gelegentlich etwas überbordenden Mix aus Unsinn und Sinnsuche pointensicher. Das auch am Ende, wenn’s überraschend dramatisch wird. Da schluckt man als Zuschauer zunächst ein bisschen, um sich dann umso mehr über die Originalität des Finales zu freuen.
Peter Claus
Bilder: © X-Verleih
Einsamkeit und Sex und Mitleid, von Lars Montag (Deutschland 2017)
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