Töchter entfernen sich in der Jugendzeit von ihren Müttern, ihren Vätern. Ein alltäglicher Vorgang. So muss es sein. Aber das kann auch eine gefährliche Entwicklung nehmen. Zum Beispiel dann, wenn die Töchter sich radikalisieren und meinen, sie müssten, etwa in Syrien, als IS-Terroristin im Untergrund leben. Was können Eltern tun, um so etwas zu verhindern, oder um, wenn schon Schlimmes passiert ist, eine Rückkehr der Tochter zur Vernunft zu bewirken?
Der Film beschäftigt sich mit dem brisanten Thema, indem er Fakten und Fiktion geschickt montiert, Elemente des Spiel- und des Dokumentarkinos klug miteinander verbindet. In Frankreich ist dies nicht der erste Film zum Thema, aber einer der reifsten. Ausschlaggebend für die Regisseurin Marie-Castille Mention-Schaar war die Begegnung mit der Mediatorin Dounia Bouzar. Sie hilft betroffenen Eltern bei der Suche nach ihren Kindern, bei der Rückholung, bei dem Versuch, die Kinder wieder zur Menschlichkeit zu führen. Sie „spielt“ sich im Film selbst. Ihre Argumente sind der Realität entnommen. Die zwei verhandelten Fälle sind ausgedacht, beruhen aber auf Tatsachen. Einer der Knackpunkte: der Unterschied zwischen Islam und IS. Das geschieht klug, unaufgeregt, ohne Indoktrination. Wichtig auch: Es geht um die Hypersensibilität von Heranwachsenden, von jungen Menschen, die sich überflüssig fühlen, die nach einem Sinn ihres Daseins suchen, nach Anerkennung. Da ist mit Holzhammer-Argumenten gar nichts auszurichten. Es geht aber auch um die Ängste von Eltern, versagt zu haben, ihre Kinder für immer verloren zu haben, ihre Kinder nicht zurückholen zu können.
Von außen betrachtet ist es besonders spannend, zu begreifen, wie der IS verführt, wirbt, lügt und betrügt, mit den sozialen Netzwerken arbeitet, dem Internet. Der Film zeigt’s ganz sachlich. Gerade darum ist es eindringlich, hakt sich fest. Aufklärung in bestem Sinn.
Peter Claus
Bilder: Neue Visionen
Der Himmel wird warten, von Marie-Castille Mention-Schaar (Frankreich 2016)
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