Seit den 1970er Jahren gilt der Western als totes Genre. Aber: Totgesagte leben bekanntlich länger. Nach Flops wie Michael Ciminos „Heaven’s Gate“ (1980) gab es in den letzten Jahren einige bemerkenswerte neue Western, nicht nur aus Hollywood. Filme wie „The Homesmen“ (USA / Frankreich), „The Salvation“ (Dänemark / Südafrika / Großbritannien) und die österreichische Variante „Das finstere Tal“, alle drei im Vorjahr herausgekommen, haben mit Spannung und Sinn für Realität gefesselt. Der Musiker und Maler John Maclean setzt nun einen Höhepunkt der Wiederbelebung.
Genretypisch überschaubar wird die Story in nicht einmal eineinhalb Stunden mit bezwingender Ruhe erzählt: 1870 landet der 16-Jährige Jay (Kodi Smit-McPhee) aus Irland in „God’s Own Country“. Dem jungen Mann aus gutem Hause ist bald klar, dass er in der Wildnis kaum bestehen kann. Doch egal: er muss Rose (Caren Pistorius) finden, die Liebe seines Lebens, die ausgewandert ist. Also engagiert Jay einen Begleitschutz. Der ältere und erfahrene Silas (Michael Fassbender), ein Kopfgeldjäger, mutet allerdings nicht sehr vertrauenerweckend an. Es ist fraglich, ob Jay wirklich dort hinkommt, wo er sich in seinen Träumen sieht. Zudem Silas sehr eigene Ziele verfolgt, von denen „sein jugendlicher Boss“ nichts ahnt.
In eindringlichen Bildern (Kamera: Robbie Ryan) wird die häufige Unvereinbarkeit von Traum und Wirklichkeit deutlich. Die Schönheit der Landschaft etwa steht in krassem Gegensatz zum Elend des Alltags der Menschen. Hier blühende Leidenschaft, da Mord und Totschlag. Wenn Jay nachts in die Sterne guckt, leuchten sie bedrohlich. Und fallen Schüsse, kann man sicher sein, dass nirgendwo ein edler Held in der Nähe ist. Gen Ende schließlich, wenn die Reise längst im Brutal-Absurden gelandet ist, erweist sich der Film als schwarze Satire auf unsere Gegenwart: die Macht des Profits bestimmt alles und jeden.
Regisseur John Maclean, der das Drehbuch selbst geschrieben hat, arbeitet geschickt mit den Erwartungen des Publikums und untergräbt sie alle. Immer wieder gibt es Überraschungen. Was auch für das Schauspiel gilt. Keine Figur ist nur gut oder nur böse. An der Spitze der Akteure fasziniert Michael Fassbender als undurchsichtiger Charakter. Man möchte ihm zu gern vertrauen. Doch man ahnt, dass er Gleiches nicht immer mit Gleichem vergilt. Doch auch sein Silas hat ein Herz. Wenn man das schlagen hört, ist man allerdings längst in der Hölle gelandet.
Peter Claus
Bilder: Prokino
Slow West, von John Maclean (Großbritannien / Neuseeland 2015)
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