Kindesmissbrauch unter dem Dach der Kirche. Ein hartes Thema. Ein viel diskutiertes Thema. Nun also ein deutscher Film dazu. Ein erstaunlich sehenswerter Film!
Erzählt wird keine Krimistory. Autor und Regisseur Gerd Schneider, Debütant, einst selbst beseelt vom Wunsch Priester zu werden, setzt nicht auf schrille Effekte. Er will Nachdenken auslösen. Das gelingt ihm mit einer klugen Geschichte um Freundschaft, Glaube und Versagen.
Im Zentrum steht der Jakob Völz (Sebastian Blomberg). Erst ahnt er, dann bekommt er Gewissheit, dass sich ein Freund und Kollege an einem Minderjährigen sexuell vergriffen hat. Wie soll Jakob handeln? Soll er Schweigen um der engen Freundschaft willen? Muss er das Schweigen brechen? Er selbst steht gerade am Beginn einer Karriere. Wird die abrupt gestoppt, wenn er gegen den Willen von Kirchenbeamten reden wird?
Gerd Schneider attackiert weder den Glauben noch die Kirche an sich. Ihm geht es um die Frage, wie weit das eigene Gewissen belastbar ist, wann ein Mensch über den eigenen Schatten springen muss, welche Anstrengung das kostet. Darüber denkt er in einem streng komponierten Spielfilm nach. Schweigen, Fragezeichen, Zweifel sind das Entscheidende. Leise Töne herrschen vor. Daraus erwächst eine große Spannung. Das Verhalten von Kirchenoberen, das auf Vertuschen und Verschweigen aus ist, wird gezeigt, steht aber nicht im Zentrum. Es geht um den Einzelnen, schließlich sind in konkreten Situationen immer Einzelne gefragt. Durch Inszenierung, Kameraführung und das Spiel von Hauptdarsteller Sebastian Blomberg ist man als Zuschauer immer ganz dicht an der Zerrissenheit von Jakob Völz. Blomberg gibt ihm eine schöne Würde, ein glaubhaftes Nachdenklichsein, eine kraftvolle Persönlichkeit voller Widersprüche. Ob gläubig oder nicht, in diesen oder jenen Konflikt verwickelt: vor allem Dank Blomberg sieht man sich als Zuschauer sofort gefordert, wird zum Mitdenken und Nachdenken gezwungen. Dafür hat Blomberg mindestens den Deutschen Filmpreis verdient.
Peter Claus
Bilder: Camino
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