Ben Wishaw haben wir noch in guter Erinnerung durch die Romanadaption „Das Parfüm“. Seitdem war er regelmäßig zu sehen. Der ganz große Erfolg, der Durchbruch zum Star-Ruhm aber blieb bisher aus. Schade. Denn auch dieses Mal zeigt er, dass er ein guter Schauspieler ist. (Vielleicht bringt ihm der nächste „Bond“, in dem er mitspielt, den verdienten Popularitätsschub.)
Wishaw gelingt es, der doch arg konstruiert anmutenden Story Wahrhaftigkeit zu verleihen. Er spielt mit schöner Lockerheit den lebenszugewandten Richard. Dessen Lebensgefährte Kai (Andrew Leung) ist gestorben. Nun fühlt sich Richard verpflichtet, sich um dessen aus Asien stammende Mutter Junn (Cheng Pei Pei) zu kümmern. Was nicht so einfach ist. Nicht nur, wusste sie nicht, dass Kai schwul war, sie spricht auch kaum englisch und fühlt sich in London im Altenheim fremd und ausgestoßen. Richard und Junn scheint nichts zu verbinden. Doch im gemeinsamen Versuch die Trauer auszuhalten, machen sie manch erstaunliche Entdeckung.
Spielfilm-Debütant Hong Khaou hat klugerweise die Figur einer Dolmetscherin (Naomi Christie) eingeführt, um die Geschichte glaubwürdig in der Realität zu verankern. Das kommt der Story sehr zugute. Und das verstärkt die Auseinandersetzung mit der zentralen Frage des Films: Wann ist es nicht nur erlaubt, sondern sogar geboten, das Leben durch Lügen abzusichern? Anders als Wong Kar-wai in seinem Hit „In The Mood For Love“ baut Hong Khaou dabei nicht auf eine Über-Ästhetisierung. Er interessiert sich offenkundig für das ganz Durchschnittliche, das, was sicher auch viele Zuschauer kennen. Schön daran ist, dass selbst Momente extremer Emotionalität nicht in Kitsch baden. Das sorgt für Glaubwürdigkeit. Und dafür, dass man sich als Zuschauer plötzlich mitten im Geschehen wähnt. Da bleibt dann die hinter der Geschichte stehende Reflexion der Schwierigkeit, unterschiedliche Kulturen miteinander zu verbinden, ganz leise und ist gerade deshalb sehr wirkungsvoll.
Peter Claus
Lilting, von Hong Khaou (Großbritannien 2014)
Bilder: Salzgeber
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