Die bisherigen Komödien von Multitalent Til Schweiger strahlten alle – mit schöner Selbstverständlichkeit – eine angenehme Grundhaltung der Gelassenheit aus. Stets schien es so, als riefe Schwieger dem Publikum zu: Hey Leute, entspannt Euch, lehnt Euch zurück und amüsiert Euch! Dieses Mal aber greift er zu einem gewichtigen Thema: Alzheimer. Er erzählt die Geschichte einer Elfjährigen aus gestresstem Elternhaus, die den 70jährigen Großvater, der mehr und mehr ins Vergessen abdriftet, vor der Abschiebung ins Pflegeheim bewahren will. Da sie weiß, dass er sich noch immer mit Wonne daran erinnert, welches Glück er einst mit seiner inzwischen verstorbenen Frau in Venedig empfunden hat, will sie ihn an den Ort der vergangenen Erlebnisse bringen.
Emma Schweiger als Kind reinen Herzens und Dieter Hallervorden als unfreiwilliger Tor sind das A und O des Films. Man erfreut sich gern an dem Paar. Doch der Film an sich ist keine Freude. Von Szene zu Szene steigert sich der Ärger. Denn Schweiger hat weder der Kraft der Story noch der Präsenz seiner zwei Protagonisten vertraut. Unentwegt macht ein aufdringlicher Soundtrack alle Chancen für Atmosphäre, Gefühle, Wahrhaftigkeit kaputt. Zudem hat Schweiger den Film im Stil eines Action-Thriller geschnitten: laufend reißt er die Momentaufnahmen von Verzweiflung und Vergnügen durch eine hektische Schnipsel-Montage kaputt. Damit zerstört er beispielsweise die enorme Leistung von Dieter Hallervorden. Wann immer er als Amandus eine große Szene hat, drückt Schweiger sie durch das Klein-Klein der Montage auf Mini-Format.
Sicher: der Film zeigt den Verlauf einer Alzheimer-Erkrankung genau, schnörkellos, auch mit der notwendigen Schärfe. Da ist kaum etwas überzogen, nicht mal da, wo hervorsehbare Billig-Gags (Amandus entfacht etwa zu unpassender Zeit ein Feuerwerk) nur stören und nicht unterhalten. Schweiger haut auf die Pauke, wo er hätte pianissimo spielen müssen. Dadurch verpufft auch Schweigers Mut zum Sentimentalen. So gibt es kurz vor dem Finale eine Szene, da Amandus und sein Sohn (gespielt von Til Schweiger) sich offenbar erstmals nach Jahrzehnten ihre Liebe zueinander gestehen. Die Tränen, die Schweiger hier als Sohn vergießt, sind des Guten viel zu viel.
Dass es hier und da, besonders im letzten Teil, der in Venedig spielt, ab und an unlogisch zugeht, dass es überflüssige Episödchen (etwa in einem Nonnenkloster) gibt, stört nicht weiter. Tolle Akteure in den Nebenrollen (Katharine Thalbach etwa und Claudia Michelsen) bügeln vieles aus. Außerdem darf ein Kino-Märchen der Realität manches Schnippchen schlagen. Nur: die Balance von Komik und Tragik muss stimmen. Die ist hier leider total in Schieflage. Und damit stürzt der ganze Film ins Bedeutungslose.
Peter Claus
Honig im Kopf, von Til Schwieger (Deutschland 2014)
Bilder: Warner
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