Es war einmal in ferner Zukunft in Legoland
Wie das Kapital seine Pop-Mythologie frisst und mit den Verdauungsprodukten das Kino ruiniert
In den siebziger Jahren erlebte das Kino eine seiner größten kommerziellen und kulturellen Krisen. Hollywoods Studio-Strukturen lösten sich auf, die klassischen Genres, allen voran der Western, hatten ihre Verlässlichkeit verloren, die »Wunderkinder« des New Hollywood-Films hatten entweder ihre großen Niederlagen erlebt oder waren vom Mainstream aufgesogen, die Produzenten setzten auf Sex & Crime und Weltuntergänge. Neben allem, was vorher verboten war, interessierte sich das Kino vor allem für die Katastrophe. Der blutrünstige Weiße Hai und was er mit den mehr oder weniger ahnungslosen Menschen anstellte, war die treffendste, jedenfalls die erfolgreichste Film-Metapher des Jahrzehnts. Und auch damals war schwer zu sagen, was Abbildung, Projektion, Warnung und jene Wunscherfüllung war, von der Theodor W. Adorno schrieb, daß »wer sich das Unheil ausmalt, es irgend auch will«. In Europa war nach der Aufbruchsstimmung der »Neuen Wellen« die Dauerkrise ausgerufen. In den Schachtelkinos hatte man die Wahl zwischen Schulmädchenreports und Zombies unter Kannibalen. Das Kino war, bevor die Videotheken zur neuen Medienhölle wurden, zur unmoralischen Anstalt heruntergekommen, die nicht einmal die Disney-Produktionen noch mit dem Geist von Unschuld und Familiensinn erfüllen konnte.
Und dann kam Star Wars in die Kinos, das Science Fiction-Märchen eines der einstigen Wunderkinder, George Lucas, mit einem auch für damalige Verhältnisse bescheidenen Budget von neun Millionen Dollar und mit keinem anderen Ehrgeiz gefertigt als ungefähr zwölf jährigen Kindern etwas zum Staunen, Lachen und Fiebern zu geben. George Lucas‘ Film, von Anfang an sowohl auf Fortsetzungen als auf das geschickte Merchandising in der Kinderkultur abzielend, wirkte, als hätte jemand alles zusammengeworfen, was in einem Kinderzimmer sich an Zeichen und Träumen so anhäuft: Science Fiction-Romane, Comic-Hefte, Modellspielzeug, Fantasy-Spiele, Märchenbücher, Plastiksoldaten und Monsterfiguren, sogar eine alte Kinderbibel. Und alles zusammengerührt mit einer fast schon wieder konservativen Moral. Endlich gab es wieder Helden und Schurken, gab es wieder den radikal melodramatischen Druck auf das Material, der das Gute und das Böse zum Selbstausdruck zwang. Und natürlich zum Showdown.
Ein moralisches Universum
Das Märchen war verbunden mit einer gehörigen Portion militaristischer Begeisterung, verpackt in die Ästhetik der gerade aufkommenden Videospiele; Kinder durften einen ins Kosmische ausgeweiteten Krieg spielen, von dessen blutiger Realität sich die ältere Generation gerade mit so heftigen kulturellen Schmerzen verabschiedete, und der Zerfall der bürgerlichen Familie wurde in einen synthetischen Mythos eines dunklen Familienromans im Weltraum gespiegelt, der eine kinetische Erlösung versprach. Gegen den dunklen Vater, der auf die böse Seite der Macht gewechselt war und sein Gesicht hinter einer Maske verbarg, half eine Allianz der amerikanischen Kardinaltugenden. Nein, ganz harmlos war dieses Zukunftsmärchen nie. Die Kids aber liebten Star Wars, die Eltern trauten sich wieder, mit dem Nachwuchs ins Kino zu gehen, und George Lucas wurde Milliardär und einer der einflußreichsten Personen der restaurierten Traumfabrik.
Star Wars spielte, entgegen aller Erwartungen in Hollywood, binnen kurzem seine Produktionskosten wieder ein und führte zum Boom eines mehr oder weniger phantastischen Kinos, für das man das Wort »Eskapismus« hätte erfinden müssen, wenn es nicht schon in Mode gewesen wäre. Star Wars wurde zum Begriff für Ronald Reagans Aufrüstung im Weltraum, für die Errichtung des finalen Schutzschildes gegen das »Reich des Bösen«. George Lucas, so war zu hören, hätte sich gegen die politische Verwendung seiner Phantasie zur Wehr gesetzt. Vielleicht zahlte das Weiße Haus keine Lizenz-Gebühren.
Viel konnte man von Star Wars sagen, aber kaum, daß es sich um einen »guten Film« handelte. Es war das kalkulierte Medienprodukt eines jungen, talentierten, aber bislang nicht sonderlich erfolgreichen Filmemachers, der von einem interessanten Buch gehört hatte. Es hieß The Hero With a Thousand Faces und belegte, daß die Mythologien der gesamten Menschheitsgeschichte auf gerade einmal 32 plots zurückzuführen waren. Und George Lucas unternahm nichts anderes, als alle diese 32 mythischen Geschichten in einer einzigen, ebenso märchenhaften wie technisch spektakulären Film-Geschichte zu vereinen, die unter dem Motto stand: »Es war einmal in ferner Zukunft«.
Dieses heftig beschleunigte, computergesteuerte und mit der bombastischen Musik von John Williams unterlegte Weltraummärchen klaute sich hemmungslos Bilder und Bedeutungen aus allen Bereichen der populären Kultur, war Western, Kriegsfilm, Familienroman und Zaubergeschichte in einem. Man konnte darüber spekulieren, ob dieser wilde Genre-Mix nun naiv, schamlos, raffiniert oder avantgardistisch war. George Lucas jedenfalls sah wohlgefällig auf sein umsatzkräftiges Werk und behauptete steif und fest, er habe »ein moralisches Universum« geschaffen.
Mit den beiden Fortsetzungsfilmen, die George Lucas auf Star Wars folgen ließ, Das Imperium schlägt zurück (1980) und Die Rückkehr der Jedi-Ritter (1983), mit seiner Firma unter dem bezeichnenden Namen »Industrial Light & Magic«, und der Vermarktung seiner Figuren als Spielzeug, Comics, Sammelbilder und Video Games wurde er zur beherrschenden Figur in der amerikanischen Unterhaltungsindustrie. Nachdem er 1992 die Vermarktungsrechte seiner Figuren auf den freien Markt geworfen hatte, wucherten die Variationen in Romanen, Comics und Computerspielen. Es war die erste Pop-Mythologie, die sich von ihrem Zentrum und von ihrem Autor so weit entfernt hatte, daß sie drohte, wie in der Multimedia-Produktion The Dark Empire, in ihr eigenes Gegenteil umzuschlagen. George Lucas fühlte sich herausgefordert, sein Weltraummärchen zu retten. Seine Verbündeten waren die Menschen, die in ^Star Wars einst den Glauben an die heilende Kraft des Kino-Mythos wiedergewonnen und nun selber Kinder hatten, denen sie die Träume ihrer Kindheit vorführen wollten. Schließlich kam eine »Special Edition« der alten Filme auf den Markt. Dafür wurden zusätzliche Szenen gedreht und mit dem Computer neue Objekte wie Raumschiffe und außerirdische Lebensformen eingefügt. Die Wiederaufführung der restaurierten und technisch verbesserten Star Wars-Filme erwies sich als erfolgreiches Mittel, die Neugier auf die lang ersehnte Fortsetzung anzuheizen. Und im Jahr 1999 endete schließlich die schreckliche, die Star Wars-lose Zeit im Kino.
Das nachgeschobene Alte Testament
Wir schauen auf einen Film, der so tut, als wären 23 Jahre der Mediengeschichte spurlos an uns vorübergegangen. The Phantom Menace, der vierte Star Wars-Film ist in der Chronologie der Legende der erste. Er erzählt die Geschichte von Luke Skywalkers Vater Anakin; von Jedi-Meister Qui-Gon Jinn und seinem Schüler Obi-Wan Kenobi, die Königin Amidala gegen eine Armee von Droiden und den buchstäblich satanischen Schurken Darth Maul verteidigt. Wieder gibt es verblüffende Effekte, computergenerierte Wesen und phantastische Architekturen zu bestaunen. Aber Episode One erzählt, ganz anders als seine Vorläufer, vorsichtig in eine selbst erzeugte Erwartungshaltung hinein. Nun zeigt sich erst, was geschieht, wenn man einen Pop-Mythos nach hinten weiter erzählt: Das nachgeschobene Alte Testament findet nicht mehr zur archaischen Freiheit des Erzählens. Was als innovatives Spiel mit den Mythen 1976 begann, setzt sich 1999 als restauratives Medienangebot fort.
Die Zweitverwertung der Figuren hat gleichsam das Original überholt. Wenn George Lucas erklärt, er werde nun doch auf die Verfilmung der einst geplanten Folgen 7 bis 9 seines Weltraummärchens verzichten (und verspricht, mit den verbleibenden 6 Teilen sowieso alles gesagt zu haben, was wir nach Ansehen von Episode One nur zu gern glauben), dann hat das nicht nur mit der begrenzten Lebens- und Phantasiekraft eines erfolgreichen Regisseurs/Produzenten im gesundheitsbewußten Kalifornien zu tun, sondern auch damit, daß Lucas mittlerweile fatalerweise seinen eigenen Lizenznehmern wiederum Lizenzgebühren zahlen müßte, da es keine Möglichkeit gibt, die Legende fortzusetzen, ohne daß eine der zahlreichen Nachfolger diese Möglichkeit nicht schon ausprobiert hätte. Sagen wir es einmal so: Star Wars testet die Endlichkeit des synthetischen Mythos aus.
Dennoch ist alles eine Frage der Rendite. George Lucas hat seiner Gemeinde vor dem Start von Episode One unmissverständlich gedroht: »Sollte Episode One kein wirtschaftlicher Erfolg werden, wird es keine weiteren Fortsetzungen geben«. Die »Gemeinde« also ist dem Meister erbarmungslos ausgeliefert; wenn sie sein Evangelium nicht verbreitet, wird ihnen der Stoff entzogen, aus dem ihre Träume sind. Was könnten dagegen die Stimmen der Kritiker ausrichten, die Lucas gewiss zu recht vorwarfen, er habe über seinen imperialen Träumen und seinen Geschäften mit Industrial Light and Magic die simple Kunst der Schauspielerführung verlernt und Darsteller wie Liam Neeson, Ian McGregor, Samuel L. Jackson und Natalie Portman weit unter Wert verkauft? Der alte Charme sei dahin, so war man sich hüben wie drüben einig, aber die Bildwelten seien dennoch einzigartig. Episode One wurde vor allem zum Vater/Kinder-Film: 60 Prozent aller amerikanischen Familienbesucher waren Väter, die ihre Kinder begleiteten – was um so bedeutender ist, als es in der Regel eher die Mütter sind, die die Kids ins Kino begleiten. Daß schließlich über 80 Prozent der Zuschauer den Film als »empfehlenswert« einstufen, gehört dann schon kaum mehr in die Kategorien ästhetischen Empfindens. Star Wars ist nicht nur die Parodie eines religiösen Kults, einer »großen Erzählung«, sondern auch die Parodie einer sozialen Bewegung.
Geschütztes Warenzeichen
»Märchen sind die Träume der Völker« hat der Psychologe O. Graf Wittgenstein geschrieben, und Star Wars ist das Märchen der Zeit, in der das Wünschen eigentlich nicht mehr hilft. Es ist ein Kurzschluß zwischen den Ablöse- und Initiationsphantasien der Märchen und den Katastrophenphantasien der Science Fiction. Die Kids werden nicht nur in eine fremde und seltsame, sondern auch in eine semiotisch zusammenbrechende Welt hinein entlassen, was ja irgendwo auch seinen realistischen Aspekt hat. Der synthetische Mythos freilich wird nicht nur von seiner eigenen Vermarktung, sondern auch von seiner eigenen Trivialisierung überholt. In einer Anzeige in den Berliner Stadtzeitungen wird ein großes Event unter dem Motto »Star Wars – Die Macht der Mythologie« angekündigt, bei der jedes dritte Wort mit dem Trade Mark-Zeichen geschützt ist: »Naboo(TM) Fighter in Aktion. Die Darth Vader (TM) und Stormtrooper (TM) live Show«. Und was ist die größte Attraktion? Ein kostenloses Star Wars (TM)/Kellog’s Souvenir-Paket. Vielleicht kann nicht einmal die synthetischste Macht der Mythologie die Inflation der Warenzeichen überleben. Am Ende bleibt von Weltentraum und Märchenmagie nichts anderes übrig, als ein Päckchen mit Cornflakes, das wiederum an eine andere mythische Bewegung erinnert, an den Treck der Quaker in den Westen. Es ist noch nicht so lange her, als man auf der Packung statt des neuen Obi-Wan Kenobi in das Antlitz eines Quaker-Predigers sah, der so aussah, als würde er jedes wilde Träumen, jede Phantasie, jedes Bild mindestens mit Verachtung strafen. Aber vielleicht ist der Star Wars-Mythos eben genau dies, der Versuch einer Gesellschaft, die es gelernt hat, statt mit Bildern eher mit Codes umzugehen, sich ein Mittelalter zu träumen, der Versuch eines Marktes, sich als Mythos zu verkleiden.
Den Hype um Episode One der Star Wars können wir noch mit einer Mischung aus Faszination und Befremden zur Kenntnis nehmen – ein wunderschönes Bild für den Post-Kapitalismus: Alles ist vollkommen durchschaubar, jeder Vermarktungskniff wird öffentlich ausgestellt, und trotzdem fallen wir auf das alles herein, weil wir uns wenigstens unsere Träume nicht nehmen lassen wollen. Nostalgie und postmoderne Ironie haben ein Ende, wenn wir uns die letzten Vermarktungsschritte von Lucasfilm und dem Verleiher Fox ansehen, die die Kinolandschaft erneut, und keineswegs zum besseren verändern können.
Die Zahlen sind, weiß der Himmel, beeindruckend genug: Episode One erzielte scheinbar mühelos den Rekord der Einspielergebnisse an einem Tag, nämlich 28,5 Millionen Dollar – der bislang »erfolgreichste Film aller Zeiten«, nämlich James Camerons Titanic benötigte für das selbe Ergebnis eine ganze Woche. Die Berechnungen gehen mittlerweile dahin, daß der Film allein in den USA (bei Produktionskosten von 120 Millionen Dollar) mindestens 400 Millionen einspielen wird. Da Lucas den Film allein finanzierte und alle Merchandising-Rechte für sich beanspruchen kann, sagen ihm die Fachleute einen Reingewinn aus Episode One von über einer Milliarde voraus. Mehr als drei Milliarden Dollar wurden schon vor dem Kino-Start umgesetzt, das Geld kommt von neuen Comic-Serien, von Pepsi-Cola für ein Star Wars-Dosen-Design, von Lego für eine Baustein-Serie und so weiter.
Und doch täuschen diese Zahlen. Denn der wirtschaftliche Erfolg von Episode One ist mehr erzwungen, als es unseren Vorstellungen von einem Freien Markt auch im Bereich der kollektiven Träume guttun mag. Daß der Gegenwert für die Vermarktungsrechte stimmt, wird durch die Start-Kampagne in allen Ländern garantiert, die gar keine Möglichkeit für einen Mißerfolg zuläßt. Die Verleihfirma Fox etwa konnte den Kinos Konditionen diktieren, wie sie bis dahin kaum bekannt waren: Es dürfen keine anderen Filme gestartet werden, die größten Säle müssen für Star Wars – Episode One reserviert sein, die Kinobetreiber müssen einen erhöhten Verleih anteil bezahlen und sich zu mehreren Wochen Einsatz unabhängig von der Publikumsresonanz verpflichten.
Die uneingeschränkte Macht Hollywoods
Diese Brutal-Kampagne, die das Kinogeschäft mehr verändern wird, als wir vielleicht im Augenblick bemerken, war auch dringend geboten. Sie war nur einerseits einigermaßen hemmungsloser Geldgier geschuldet, andrerseits auch so etwas wie eine Notbremse: In den USA war bereits nach drei Wochen Episode One durch den zweiten Austin Powers-Film vom Spitzenplatz verdrängt. In Großbritannien erwies sich der Film als regelrechter Flop; Australien meldet alarmierende Star Wars-Abstinenz. Am Ende wird wohl Episode One nicht einmal die relativen Einspielergebnisse seiner drei Vorläufer erreichen. Ausschluß der Konkurrenz, Knebelung der Distribution, Manipulation der Zuschauer ist also ein probates Mittel, eine Ware zu vertreiben, die die Erwartungen der Zuschauer gar nicht mehr erfüllen kann.
Jene uneingeschränkte Macht Hollywoods, ihre Waren auf einen selbst nahezu konkurrenzlos kontrollierten Markt zu werfen, die einst durch das Anti-Trust-Gesetz zumindest in der Vertikalen aufgehoben wurde (die Kette von Produktion, Verleih und Filmtheater in einer Hand wurde durchbrochen), ist durch die Hintertür einer Pop-Kosmologie restauriert. Pop-Kosmologie, Wirtschaftsevent und Medien-Hype ergeben ein Ganzes, demgegenüber es kaum noch so etwas wie ein unschuldiges Unterhaltungsbedürfnis gibt. Niemand kann es sich leisten, aus dieser neuen »Offenbarung« ausgeschlossen zu werden, die so perfekt das Funktionieren des Marktes wie der Ersatz-Religion zeigt.
Schließlich ist Episode One der ideale Testfall für die Virtualisierung des Distributionsverfahrens: Der Film wird nicht mehr von einem (gar unabhängigen) Verleiher in die Kinos, sondern direkt vom Produzenten digital auf die Leinwände gebracht. Lucas sah seinen Film als »Anstoß für die Kinobetreiber, eine digitale Anlage ins Auge zu fassen«, was natürlich nur konsequent ist, da er an dieser Technik beteiligt ist. Der reale Weg der Distribution wird damit in absehbarer Zeit überflüssig; die vertikale Macht der Traumfabrik ist dann vollkommen, das Kino nur noch Endverstärker des Produzentenwillens. Dazu passt, daß Lucas angekündigt hat, Episode II nicht mehr auf Film, sondern rein digital zu fertigen, weil er glaubte, bis zur Fertigstellung sei der Umgestaltungsprozeß der Kinos bereits abgeschlossen. Auch wenn diese Hoffnungen mittlerweile relativiert sind, steht uns dennoch eine Umwandlung bevor, deren Ausmaße nicht unvergleichbar jenen der Einführung des Tonfilms sind.
Geld und Religion
Mag sein, dass auch eine Pop-Kosmologie ihr eigenes Unbehagen ausbildet (wir werden es, ich wette, etwa in einer der nächsten Simpsons-Folgen formuliert finden, und wahrscheinlich wird spätestens in Scream 4 einer der Teenager bekunden, wie schlecht er Episode One gefunden habe, bevor er von dem Mörder mit der »Schrei«-Maske erwischt wird). Die Macht ist aber dadurch nicht mehr zu bezwingen. Es ist die Macht des Quakers auf den Kellog’s-Packungen: Geld und Religion. Und damit wird Episode One dann doch wieder zum Bild unserer Befindlichkeit: das größte monopolkapitalistische Unternehmen der jüngeren Kino-Geschichte erzählt von der Rebellion gegen ein monopolkapitalistisches Unternehmen, eine Handelsföderation, die sich von der Republik ungerecht besteuert fühlt, das den Planeten mit dem bezeichnenden Namen Naboo bedroht und die Jedi-Ritter auf den Plan bringt. Mit der wahren Geschichte von Annakin Skywalker, die wir eigentlich erfahren wollen, hat das eigentlich wenig zu tun. Das ist ein bißchen viel Referenz: Wenn George Lucas beteuert, daß er in seinen Filmen immer nur sich selber, seine Träume und seine Probleme abbilde, dann wissen wir jetzt, womit er sich am meisten herumschlagen muss. Anders gesagt: Sollte es wirklich so sein, daß man in die galaktisch-relativistische Erzählhaltung von »Es war einmal in ferner Zukunft« einsteigen muß, um mit Steuer-Problemen konfrontiert zu werden? Eines ist wohl klar: Der Krieg der Sterne ist offenkundig, wie gehabt, ein Wirtschaftskrieg. Aber warum, um alles in der Welt, die Monopolkapitalisten-Föderation unbedingt den Planeten Naboo erobern wollen, bleibt im Dunkel verlorener Drehbuch-Seiten. Und der Regisseur Lucas verwechselt endgültig eine Erzählweise mit einer Vermarktungsstrategie. Er steigt in Szenen ein, als hätte deren Anfang irgendwo anders, in einem Comic Book vielleicht, stattgefunden, er steigt wieder aus, als wollte er den Höhepunkt einem anderen Medium überlassen, er verschenkt seine besten Gestalten und Situationen, als müßten wir uns, zum Beispiel, dafür, daß Darth Maul nur so kurz in Erscheinung tritt, auf jeden Fall mit dem Erwerb einer entsprechenden Figur schadlos halten. Die umfangreichste und erfolgreichste Film-Erzählung macht eigentlich Schluß mit dem Erzählen selber, um uns Bilder für eine Welt hinzuwerfen, die wir nur noch selbst, spielend auf dem einen oder anderen Niveau, mit so etwas wie Leben erfüllen können. Um Episode One verstehen zu können, brauche ich weder eine Filmkritik noch die Kenntnisse eines echten Eingeweihten in den moralischen Kosmos des Herrn Lucas. Was ich brauche ist, je nach meinem Alter, einen Lego-Bausatz oder ein Computergame, um den eigentlichen Helden und Herren dieses Kosmos (wieder) zu finden: mich selbst.
Autor: Georg Seesslen
Text veröffentlicht in Freitag, 27.08.1999
- MISCHPOKE II - 4. März 2024
- Bruno Jasieński: Die Nase - 27. Juli 2021
- Manifest für ein Kino nach Corona | Brauchen wir andere Filme? - 27. Juli 2021
Schreibe einen Kommentar