Der Titel lässt das Genre ahnen. Und tatsächlich: ein Krimi wird geboten. Allerdings ist er mit viel Komik angereichert.
Im Februar, auf der Berlinale lief die norwegisch-schwedisch-dänische Kriminalkomödie unter dem Titel „Kraftidioten“. Damit ist die Zielrichtung des Witzes trefflich markiert. Regisseur Hans Petter Moland und Drehbuchautor Kim Fupz Aakeson entlarven mit geradezu unschuldigem Frohsinn die Idiotie von Menschen, die lieber ihre Muskeln spielen lassen, als das Gehirn einzuschalten. Die von Stellan Skarsgård gespielte Hauptfigur, der schweigsame schwedische Schneepflugfahrer Nils Dickman, allerdings ist von anderem Kaliber. Er lässt seine kleinen grauen Zellen auf Hochtouren arbeiten und wird damit trotz seiner mörderischen Aktivitäten zum Sympathieträger.
Der brave Nils rast geradezu in die Welt der Verbrechen. Er und seine Gattin Gudrun (Hildegard Riise) haben sich im Leben eingerichtet. Alles hat in ihrem wohlgeordneten Alltag seinen Platz. Das Glück scheint unerschütterlich. Doch der Schein trügt. Mit der Nachricht vom angeblichen Drogentod ihres erwachsenen Sohnes Ingvar bricht die Welt der Dickmans zusammen. War alles nur Selbstbetrug? Gudrun und Nils wollen und können das nicht glauben. Drum schwingt sich der trauernde Familienvater auf den Schneepflug und stellt eigene Ermittlungen an. Was er dabei herausfindet, treibt ihn zu gnadenloser Verbrecherhatz.
Die Story darf hier nicht weiter erzählt werden. Verraten werden kann: Es ist ein außerordentliches Vergnügen, mitzuerleben, wie ein Mann von schlichtem Gemüt, doch im festen Glauben an die Grundwerte des Menschseins, genau diese verteidigt. Dabei muss er sich gezwungenermaßen unmenschlich verhalten. Was einem eine spannende Frage mit auf den Nachhauseweg gibt: Darf man zur Rettung des Guten dem Bösen huldigen? Der Film gibt darauf keine Antwort. Jeder muss sie für sich finden. Freilich wird diese Frage nicht strapaziert. Unterhaltung ist angesagt. Aber diese Unterhaltung gewinnt durch die Gedanken, die von ihr ausgelöst werden, ein wenig an Gewicht. Ein wenig. Wer’s ausblenden mag, hat leichtes Spiel.
Hauptdarsteller Stellan Skarsgård geht mit leisem Grimm durch den Film. Nichts da von einer exaltierten Darstellung. Der Zorn des Mannes, dem von Verbrechern der Sohn genommen wurde, kommt tief aus dem Inneren. Dem Akteur genügen eisig in sich versenkte Blicke und ein beredtes Schweigen, um das auszudrücken. Gerade weil Skarsgård nicht auf die Tube drückt, bleibt der Protagonist glaubwürdig und man geht als Zuschauer mit ihm mit. Dabei bleibt’s selbst dann, wenn die Handlung hier und da alle Logik ausblendet und sich das Karussell des Mordens immer schneller und aberwitziger dreht. Man genießt eine wohlige Gänsehaut, wenn der Schneepflug zur Waffe wird. Was optisch natürlich spektakulär ist. In glitzerweißem Schnee kommt Blut gut zur Geltung. Selten ist Grusel optisch so attraktiv.
Der knochentrockene Humor, mit dem die Geschichte erzählt wird, verführt die Zuschauer oft zu lautem Lachen. Zu einem Höhepunkt wir der Auftritt von Bruno Ganz als Papa, ein gewissenloser serbischer Oberfiesling mit sardonisch sanftem Lächeln. Treffen er und Nils aufeinander, kippt der Krimi völlig in die Farce und man verwandelt sich im Parkett in einen Mittäter im Geiste.
Viele Filme werden zitiert, von den Coens, Hitchcock, Tarantino. Freilich: Die psychologische Tiefe, die etwa ein Hitchcock oft erreichte, die den Coens stets zu eigen ist, wird nicht erreicht. Der Spaß schliddert an der Oberfläche. Das jedoch sehr effektvoll.
Peter Claus
Einer nach dem anderen, von Hans Petter Moland (Norwegen/ Schweden/ Dänemark)
Bilder: X-Verleih
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