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Viele, viele Hollywood-Spielfilme haben schon hinter die Kulissen der US-amerikanischen Traumfabrik geguckt, meist düsteren Blickes. Ein berühmtestes Beispiel ist „Sunset Boulevard“. Billy Wilder nutzte das Genre des Melodrams, gewürzt mit intellektuell scharfem Witz. Der kanadische Regisseur David Cronenberg baut vor allem auf Letzteres. Sein Trip durch Tinseltown hat ein böses Motto: Der Weg zum Ruhm führt über die Treppenstufen des Todes.

Cronenberg, bekannt durch visuell raffiniert illustrierten Psycho-Horror wie etwa „Naked Lunch“ oder „Die Fliege“, lässt in „Maps to the Stars“ kein gutes Haar am Show Business. Satire ist angesagt, gallebitter, ja, geradezu giftig. Was schon der literarischen Vorlage zu danken ist, dem 2012 herausgekommenen, bisher nicht auf Deutsch vorliegenden Roman „Dead Stars“ von Bruce Wagner. Buch und Film fesseln als schwindelerregender Abstieg ins Reich der Finsternis. Hauptdarstellerin Julianne Moore bietet mit ihrer Interpretation einer demontierten Diva eine absolut „Oscar“-reife Leistung. Die Auszeichnung als beste Schauspielerin des diesjährigen Filmfestivals von Cannes hat sie bereits in der Tasche.

Studien neurotische Charaktere sind das Spezialgebiet von Julianne Moore. Dieses Mal verkörpert sie mit bewundernswertem Mut zu äußerer und innerer Hässlichkeit die Schauspielerin Havana Segrand. Die hat ausgedient. Seit Jahren wird die falsche Blondine nicht mehr umjubelt. Wirklich begehrt wurde sie wohl noch nie. Befriedigung brachten ihr allein Glanz und Glamour. Doch Havana ist im grellen Schweinwerferlicht vollkommen ausgebrannt. Kein Wunder, dass die an Jahren eigentlich noch recht junge Frau total alt aussieht. Sie kennt kein wirkliches Leben, keines, das ihr nicht vom Jubel einer vergnügungssüchtigen Öffentlichkeit vorgegaukelt wurde, manipuliert von den profitsüchtigen Drahtziehern der Branche. Zum Schutz vor dem totalen Absturz – oder, weil sie tatsächlich schon vollkommen irre ist? – flüchtet Havana in Visionen. Da erscheint ihr dann die tote Mutter (Sarah Gadon), eine Leinwand-Göttin von einst, die auf tragische Weise ums Leben gekommen ist. Havana folgt ihr in allem, vor allem in der selbstzerstörerischen Sucht nach vermeintlichem Erfolg. Vor soviel Elend kapituliert sogar der erfahrene Psychoanalytiker Stafford Weiss (John Cusack). Der Mann mit Esoterik-Knacks hat allerdings selbst einiges an der Hacke: Gattin Christina (Olivia Williams) kann, wenn überhaupt, nur noch in Dollar denken. Sohn Benjie (Evan Bird) hat es nämlich als Kinderstar zu Millionen gebracht. Seine Existenz jedoch mutet bereits abgewrackter an als die eines ausgebrannten Greises. Auch dessen Schwester Agatha (Mia Wasikowska) trägt an schweren seelischen Lasten. Und ausgerechnet all diese Monster umgarnen Havana. Und es kommen noch einige andere zwielichtige Gestalten dazu. Da ist etwa der undurchsichtige Chauffeur Jerome Fontana (Robert Pattinson), der natürlich Karriere beim Film machen will. Und sogar „Star Wars“-Prinzessin Carrie Fisher (verkörpert von der echten Carrie Fisher), deren Karriere längst Historie ist, kreuzt Havanas Wege. Immer auch dabei: der Sensenmann!

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Autor Bruce Wagner hat seinen eigenen Roman geschickt in ein Drehbuch fürs Kinos übertragen. Er reißt alles Falsche von den Fassaden der Filmmetropole Los Angeles. Das tut er mit schonungslosem, gallebittererem Humor der schwärzesten Art. Die Schönen und die Reichen, und erst recht die Berühmten, zeichnet er allesamt als Leichenfledderer. In der Zusammenarbeit mit David Cronenberg, Kenner von dessen bisherigem Werk dürfte das nicht überraschen, mündet das in eine absurd-gruselige Horror-Orgie. Wer mag, kann dies als Absicht deuten. Dann muss man sagen: Wagner und Cronenberg wollen nicht nur der Traumfabrik selbst, sondern auch deren etablierten Erzählstrukturen den Garaus machen. So kann man’s sehen, wenn man sehr wohlwollend ist. Man kann es aber auch so deuten: Die pure Lust am Zerstören aller Kinoträume ist mit den Beiden durchgegangen. Vor dem Absturz ins Alberne hat sie Julianne Moore gerettet. Denn bei aller Überzeichnung der von ihr verkörperten Figur lässt die Schauspielerin Julianne der Schauspielerin Havana durchaus auch aufrichtige Gefühle. Schade nur, dass sie die Hölle mit dem Paradies verwechselt und Hollywood mit der Wirklichkeit.

Peter Claus

Maps to the Stars, von David Cronenberg (USA/ 2014)

Bilder: MFA (Filmagentinnen)