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Man darf staunen, zu welchem Ramsch selbst ein wundervolles Märchen verhunzt werden kann. Der französische Regisseur Christophe Gans hat diesbezüglich ganze Arbeit geleistet. Einen bemerkenswerten kommerziellen Erfolg errang er bisher mit dem vor dreizehn Jahren herausgekommenen „Der Pakt der Wölfe“. In dem Thriller spielt Vincent Cassel den Besitzer der so genannten „Bestie vom Gévaudan“, eines Monsters, dass zur Zeit der französischen Revolution scheußliche Untaten begeht und zahllose Menschen umbringt. Gans hat sich damit als Meister deutlichen Horrors ausgewiesen. Das wiederholt er nun mit Vincent Cassel nicht ganz so drastisch, schwelgt aber wieder gern im Grusel. Der tricktechnische Aufwand hat dabei ein geradezu gigantisches Ausmaß. Der Vorlage selbst fühlt sich der Film allein in Äußerlichkeiten verpflichtet: Arme Jungfrau wird zur Geisel eines Untiers, das in Wahrheit ein verwunschener Prinz ist. Aus Ekel und aus Angst aber wird Liebe. Dadurch kann das Mädchen die Bestie erlösen. – Die feinsinnige Auseinandersetzung mit der These, dass man sich niemals auf den augenscheinlichen Anschein verlassen darf, gibt dem Märchen Gewicht. Im Hässlichsten kann das Schönste wohnen. Was Belle nur sehr langsam begreift. Ihre Wandlung von Abscheu zu Hingabe, das Erwachen und Erstarken ihrer Gefühle für den Prinzen in grausliger Tiergestalt fesselt und fasziniert Leser und Künstler. Seit Gabrielle-Suzanne de Villeneuve das Märchen 1740 erstmals schriftlich festgehalten hat, wurde es oft bearbeitet, nicht nur von weiteren Autorinnen und Autoren. In den letzten Jahrzehnten gab es -x Varianten; Spielfilme, Animationsabenteuer und zwei Musicals. Léa Seydoux, seit „Inglourious Basterds“ eine der Leinwandgöttinnen Frankreichs, und Vincent Cassel („Black Swan“), nicht nur im Nachbarland als Sex-Symbol hoch gehandelt, sind die schauspielerischen Zugpferde in dieser Version des populären Stoffes. Doch Christophe Gans behandelt seine Stars nur als Marionetten einer bombastischen CGI-Effekte-Show, also einer Parade von am Computer hergestellten Szenen voller optischer Opulenz. Und voller Gewalt. Nie flackert auch nur so etwas auf wie jene Poesie, die der 1946 uraufgeführten Erstverfilmung von Jean Cocteau eine noch heute bezaubernde Poesie verlieh. Die unbefangene Fabulierlust des 1991 herausgekommenen Disney-Animationshits sucht man vergebens. Vor dem emotionalen Reichtum des drei Jahre später uraufgeführten Musicals nach dem Disney-Welterfolg scheint der Regisseur geradezu auf der Flucht zu sein. Er setzt auf Glitzer, Computerspielchen und Horror.

biest_teaserDabei gerät die Vorgeschichte relativ lang: Die schöne Belle (Seydoux) gerät durch das kaufmännische Missgeschick ihres Vaters (André Dussollier) und die Habgier ihrer Geschwister in Bedrängnis. In der Folge wird die junge Frau in einem verwunschenen Schloss zur Geisel des Prinzen (Cassel), der von einem Fluch in der Gestalt eines Biestes gefangen gehalten wird. Kleine Kobolde um Belle herum suggerieren allerdings deutlich, dass es nicht weit sein kann zum Happy End. Doch ehe es soweit ist, wird ein tricktechnisches Feuerwerk des Schreckens entfacht: Bäume und Sträucher werden zu meuchelnden Monstern, Gesteinsmassen zu Gruselwesen, Menschen zu Furien. Es kracht, Blut spritzt, das Böse wuchert. Eine Gänsehaut aber bekommt man als Zuschauer nicht. Denn alles wirkt lächerlich. Was daran liegt, dass Gans die (wenigen) Momente des Glücks und die vielen des Unglücks in scheußlich überzogenen, kitschigen Ansichten spiegelt. Seine Inszenierung verfällt gerade dem, was das Märchen geißelt: der Anbetung des Äußerlichen. Wo nachvollziehbar gestaltet werden müsste, warum sich die schöne Belle in das Biest verliebt, wabert hier nur Schnickschnack. Zwischen 35 und 45 Millionen Euro soll das gekostet haben. Ausgegeben wurde das Geld in Deutschland, in Potsdam-Babelsberg. Haben wir immerhin was davon. Der Region um die altehrwürdige Filmstadt kann jeder Cent nur recht sein.

Unholde, Fantasiegestalten, Mordgesellen, Wasserspielchen, Blütenpracht, Luxusroben, Himmel so schön, wie nie ein Himmel ist, Wiesen so grün, dass es einem in den Augen sticht – die Bilder ersaufen in farbenprächtiger Postkartenschönheit. Die tollen Schauspieler gehen dabei baden. Besonders trifft es neben den zwei Stars die Deutsche Yvonne Catterfeld. Sie tritt in einer Nebenrolle als Prinzessin auf, zunächst als Kleiderständer, dann als nackerte Leiche. Künstlerisch hat ihr das nichts abverlangt. Léa Seydoux und Vincent Cassel haben keinerlei Chance, auch nur ansatzweise Gefühle zu zeigen. Warum sich die junge Frau in das Biest verliebt, wird absolut nicht klar. Romantik? Fehlanzeige! Wuchernde Rosenranken, wisperndes Baumgeflüster und wabernde Musik muten nur albern an. Wie der ganze Film. Absolut entbehrenswert.

Peter Claus

Die Schöne und das Biest, von Christophe Gans (Frankreich/ Deutschland 2014)

Bilder: © Concorde