Johnny Depp gehört zu den wenigen Schauspielern, die im tatsächlich traditionellen Sinn als „Star“ bezeichnet werden können. Er ist keiner von diesen Fünf-Minuten-Sternchen, sondern seit Jahren ein Granat für Publikumszulauf. Und da er nicht allzu oft in reinen Vermarktungsfilmchen auftritt, sondern gern mit Exzentrischem begeistert, ist ihm die Gunst nach wie vor gewiss. Daran wird auch dieser Film nichts ändern. Sowieso werden seine Bewunderer sämtliche Kritik ignorieren und in Begeisterung schwelgen. Genauso werden die Anhänger technisch hochgerüsteter Science-Fiction-Filme dieses Action-Abenteuer bejubeln. Doch, schade: die Odyssee durch das Universum möglicher und unmöglicher Zukunftsvisionen lässt die Anhänger anspruchsvoller Unterhaltung jenseits von Star-Rummel und Technik-Kult schlichtweg kalt.
Wally Pfister hat das Spektakel in Szene gesetzt. Er gibt hiermit sein Regie-Debüt. Bekannt wurde er als Kameramann einiger der von Christopher Nolan inszenierten Hits. Darunter sind „Memento“ (2000) und „Inception“, welcher Wally Pfister 2011 einen Oscar in der Kategorie „Beste Kamera“ einbrachte. Kein Wunder also, dass optisch über weite Strecken wirklich Brillanz geboten wird. Doch: schicker Schein reicht nun mal nicht aus, um rundum zu begeistern.
Im Kern wird eine uralte Story aufgewärmt: Die von der Erschaffung künstlicher Wesen und daraus resultierender Folgen. Seit 1920 dem deutschen Stummfilm „Der Golem, wie er in die Welt kam“ ein veritabler Erfolg beschieden war, gibt’s das Thema immer wieder. Nach der gerade in Deutschland angelaufenen ironisch-romantischen Spielart „Her“ von Regisseur Spike Jonze schlägt Pfister düstere Töne an. Er erzählt die Mär von einem Superhirn: Wissenschaftler Will (Johnny Depp), ein Experte in Sachen künstlicher Intelligenz, hat gemeinsam mit Gattin Evelyn (Rebecca Hall) und Weggefährte Max (Paul Bettany) einen Computer mit geradezu menschlichen Fähigkeiten entwickelt. Das bringt ihm nicht nur Freunde, sondern auch Feinde ein. Und die transportieren Will via Attentat aufs Sterbebett. Doch Evelyn glaubt, dass die Menschheit zum Tode verurteilt ist, wenn Wills intellektuelle und emotionale Größe ungenutzt in die ewigen Jagdgründe abwandert. Schwuppdiwupp überträgt sie die Hirnströme ihres sterbenden Liebsten auf Chip & Co. Es kommt zur Transendenz, zur Übertragung von Wills Denken und Fühlen. Die Folge: ein Monster, gegen das der Golem oder auch Frankenstein, Godzilla und all die anderen technischen Fehlentwicklungen zu dankenden Leinwand-Ungeheuer der letzten einhundert Jahre nur lächerlich und harmlos anmuten. Schnell ist klar: „Will“ will mehr. Der Mann im Computer drängt zur Macht. Über die ganze Welt. Sein einstiger Mentor Joseph (Morgan Freeman) muss dann, gleich dem Hexenmeister in Goethes Ballade vom „Zauberlehrling“, den bösen Geist, der da von menschlichem Übermut gerufen wurde, in seine Schranken verweisen. Da Computer keine Schranken kennen, ist ein Showdown der Marke „Mord und Totschlag“ unausweichlich.
Die Bilder von dem zum „Maschinen-Mensch“ mutierten Will erzeugen anfangs einen schönen Grusel. Doch die eindimensionale Story, die vor allem von hölzernen Dialogen, voller platter Pseudophilosophie und wucherndem Öko-Kitsch getragen wird, verläppert sich rasch in Kintopp-Durchschnitt. Und damit ist aller Grusel perdu. Spannung, die unter die Haut geht, Nervenkitzel, bleibt aus. Nicht mal Johnny Depp kann die Chose retten. Erst darf er nichts weiter als Klischees vom braven Ehemann und umweltbewussten Bürger bedienen, dann erleben wir ihn, der Handlung entsprechend, als bösen Bildschirm-Buben. Es fehlt an ernst zu nehmenden Versuchen, die der Story innewohnenden wichtigen Themen, wie etwa Identitätsverlust, Vernetzung der Menschheit, Technik-Wahn, auch nur hier und da mit einem wirklichen Interesse zu spiegeln. Statt denkbare Katastrophen als Folge blinden Cyberwahns heraufzubeschwören, buchstabiert der Film altgediente Versatzstücke des Katastrophenkinos entlang.
Wally Pfister, Johnny Depp und Team offerieren knalligen Budenzauber in hübscher Verpackung. Filmkenner staunen. Denn sie bemerken, dass das Kino schon vor zwei Jahrzehntenz gedanklich weiter und formal wagemutiger war als dieser Film. Man schau sich nur Terry Gilliams „12 Monkeys“ an!
Peter Claus
Transcendence, von Wally Pfister (USA 2014)
Bilder: Tobis
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