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Das politisch spannende Kino mit hohem finanziellen Aufwand findet in Deutschland derzeit meist im Fernsehen statt, bei den Privaten vor allem, wie gerade wieder mit dem Film um den Sturz von Christian Wulff gezeigt wurde. In anderen europäischen Ländern sieht es zum Glück anders aus. Die Italiener etwa, seit Jahrzehnten mit Fehl-Politik geschlagen, pflegen nach wie vor das bissig-gesellschaftskritische Kino.

Hier wird ein Phänomen unserer Zeit in den spätbürgerlichen Gesellschaften mit scharfem Witz aufgespießt: die Macht des Mittelmaßes. Hauptfigur ist Enrico Oliveri (Toni Servillo), Chef der wichtigsten italienischen Oppositionspartei. Seine Popularität ist gering und wird geringer. Dazu ist er von viva_320Intriganten umgeben. Enrico weiß nicht mehr, was tun – und geht stiften. Er setzt sich nach Paris ab zu einer Ex-Gespielin (Valeria Bruni Tedeschi). Daheim löst sein verschwinden Hektik aus. Und Ängste. Doch Oliveris Adlatus (Valerio Mastandrea) kommt auf die geniale Idee, Enricos Zwillingsbruder Giovanni in die Rolle des Politikers schlüpfen zu lassen. Doch der bleibt kein Statist. Er mischt mit und die Parteienlandschaft auf – über die Grenzen Italiens hinaus. Selbst Signora Merkel kriegt Zunder. Und das Volk bekommt endlich mal einen Politiker, den es verdient, nämlich einen der übelsten Sorte, weil ehrlich.

Toni Servillo ist wieder einmal großartig, die Geschichte hat über weite Strecken Schwung, das Unterhaltungspotential ist hoch, ohne dass die Auseinandersetzung mit dem komplizierten Thema „Politikverdrossenheit“ allzu sehr simplifiziert wird. Schade nur, dass der scharfe Witz gen Ende von gefälligen Späßen abgelöst und die polit-satirische Schärfe versöhnlichem Gutmenschengefasel weicht. Da wird’s sogar ärgerlich. Bis dahin aber: eine erstklassige Farce um die Pein, die den demokratische Gesellschaften des so genannten Westens aus der zunehmenden Verflachung des Denkens erwächst.

Peter Claus

Viva La Libertà, von Roberto Andò (Italien 2013)

Bilder: Arsenal