Zeitlupensterben

In „Crime is king“ scheint Regisseur Demian Lichtenstein nicht zu wissen, ob er Pulp Fiction, Western, Roadmovie oder doch Familiengeschichte verwursten will. Kevin Costner und Kurt Russell geben derweil ballernde Elvis-Imitatoren ab.

Wenn auf Stars zugeschnittenes Attraktionskino derartig in die Hose geht wie Crime is king, gibt es mindestens zwei Optionen. Man verlässt, so schnell es geht, den Schauplatz der mit 62 Millionen Dollar nicht einmal ganz billigen Lebenszeitverschwendung, oder man entwickelt ein persönliches Vergnügen an der offensiven Hilflosigkeit, mit der die Verantwortlichen nach jedem noch so schiefen Strohhalm greifen, der irgendwann aus dem Dung von Filmgeschichte und Zeitgeist gewachsen ist. Wie läuft so eine aufwändige Beschwörung von etwas Vergangenem, das partout nicht recht lebendig werden will? Ein schönes Kinobild dafür hat Kenneth Branagh in seinem gleichfalls verunglückten Mary Shelleys Frankenstein erfunden, als er in seiner Frankenstein-Rolle unter ständigem „Lebe! Lebe!!!“-Geschrei auf seinem zusammengestückelten Robert-De-Niro-Monster herumhopste.

Im vorliegenden Fall beginnt das ganze Drama schon mit der Besetzung. Zwei unterschiedlichere Exstars als Kurt Russell und Kevin Costner sind kaum vorstellbar, und wenn beide in einem gemeinsamen Film spielen wollen, muss sich einer eben zur Unkenntlichkeit verkleiden. Hier fiel das Los auf Kevin Costner, der als fiese Gangstertype und glühender Elvis-Fan zusammen mit Russell und ein paar anderen Rabauken einen Elvis-Imitationswettbewerb in Las Vegas überfällt, den er in seiner Aufmachung auch ebenso gut hätte gewinnen können. Weil es aber eine ordentliche Ballerei geben muss und anschließend die Jagd nach der Beute, wird nicht gesungen, sondern gemetzelt.

Spätestens von diesem Punkt an dreht Demian Lichtensteins Crime is king komplett durch und rast hysterisch zwischen Oliver Stone, Quentin Tarantino und allerlei postklassischer Gangster-, Western- und Roadmovie-Verwursterei hin und her. Bis er es mit der Angst zu tun bekommt und eine auf Rührung abgerichtete Familiengeschichte herzitiert, für die Courtney Cox samt Filmsohn herhalten muss. Gegen Ende bekommt noch Ice-T einen Auftritt als Ein-Mann-Sonderkommando. Jetzt ist eh alles egal, im Sinne des Vergnügens an der hysterischen Hilflosigkeit von Crime is king könnte man den letzten Satz zum Zeitlupensterben Kevin Costners als knarziges Schlusswort zum Film sprechen: „Ich bin froh, dass er nicht aufgegeben hat, ich hätt’s auch nicht getan!““

Autor: Jan Distelmeyer

Dieser Text ist zuerst erschienen in der taz 04/ 02