Juli Zehs Roman „Spieltrieb“ war vor neun Jahren ein Renner an den Kassen – die Kritiker reagierten gespalten. Nun also der Film nach dem Buch. Wieder könnte es Pro und Contra geben.
Erfolgsregisseur Gregor Schnitzler (bekannt zum Beispiel durch „Soloalbum“ erzählt die Geschichte mit Fokus auf die 15jährige Ada (Michelle Barthel). Sie gerät in den Bann eines dämonischen Mitschülers (Jannik Schürmann). Der Lackaffe zwingt sie, einen ihrer Lehrer (Maximilian Brückner) zu verführen. Das treibt das junge Mädchen seltsamerweise in widersprüchliche Gefühle: plötzlich liebt sie offenbar beide Männer. Was wiederum zu einer Katastrophe führt.
Gregor Schnitzler erzählt mit frösteln lassender Kälte. Dabei orientiert er sich nur im Kern an der Vorlage. Teenager Alev (Jannik Schürmann), Ada (Michelle Barthel), die verführte Verführerin sowie der Deutsch- und Sportlehrer Smutek (Maximilian Brückner) muten an wie Schachfiguren in einem abgekarteten Spiel um die Möglichkeiten sexueller Grenzüberschreitungen. Im Roman mit seinen vielen überbordenden philosophischen Exkursen stößt das eine Diskussion zu Fragen der Moral an. Im Film wird lediglich unmoralisches Verhalten vorgeführt. Die Kamera weidet sich daran, wie Alev den Geschlechtsverkehr von Ada und Smutek fürs Internet filmt. Voyeure werden bedient. Und noch eine Veränderung im Vergleich zur Vorlage fällt auf: das komplizierte Verhältnis Adas zu ihrer Mutter (Ulrike Folkerts) rückt stark in den Vordergrund. Das reduziert die Geschichte auf eine Skizze zur Studie einer Pubertierenden.
Wie schon geschrieben: die Kritik reagierte 2004 auf den Roman kontrovers. Die einen lobten Sprachgewalt, andere schimpften über einen angestrengten Schreibstil. Die einen nahmen die Story als komplexes Zeitbild, die anderen als nervende Klischeesammlung.
Zwei Unterschiede von Buch und Film sind wesentlich: Juli Zeh hat den Ort, im Roman Bonn, und die sozialen Verhältnisse der Figuren exakt beschreiben. Und, zweiter Aspekt, sie macht klar, dass nie sicher ist, was sich wirklich ereignet und was lediglich jugendlicher Phantasie entspringt. Gregor Schnitzler hat das eliminiert. Die Story wird bei ihm zur Schicki-Micki-Farce im Milieu schier unendlich anmutenden finanziellen Möglichkeiten. Bei ihm bestimmt nichts als Geld die Welt. Da muten die Figuren arg ausgedacht an.
Schauspielerische Glanzleistungen? Michelle Barthel, bisher vor allem TV-erfahren, beeindruckt als Ada; die als „Tatort“-Kommissarin populäre Ulrike Folkerts gibt der Mutter der 15-Jährigen eine überzeugende Tragik. Die gemeinsamen Szenen der Beiden haben eine kraftvolle Intensität und damit Wärme. Die ansonsten fehlt. Es sieht fast so aus, als habe Gregor Schnitzler Angst, Gefühle zu thematisieren, gar beim Publikum auszulösen. Er will, so der Eindruck, um jeden Preis provozieren. Leider auch um den der Wirksamkeit.
Im Presseheft zu seiner Romanadaption sagt er: „So ein Film soll polarisieren. Wenn wir nur angepasste Filme machen, setzt sich keiner damit auseinander.“ Aber wer nur provozieren will, und sich keinen Deut um die Lust des Publikums an Aufklärung, Herzensbildung und Gefühlen schert, sollte vielleicht Vorlesungen halten oder Seminare, aber nicht ins Kino einladen.
Peter Claus
Spieltrieb, von Gregor Schnitzler (Deutschland 2013)
Bilder: Concorde Film
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