„Die Stars sind eine Widerspiegelung, in der die Öffentlichkeit ihre eigenen Vorstellungen ihrer selbst studiert und berichtigt. Die soziale Geschichte einer Nation kann mit den Zeichen ihrer Filmstars geschrieben werden.“ Mit diesem Zitat von Raymond Durgnat begann Richard Dyer 1979 sein Buch „Stars“. Damals leitete „Stars“ eine neue Form der Auseinandersetzung mit Filmstars in ihrem Verhältnis zum Kino-Apparat, zur Filmindustrie und zur Popkultur ein, die bis heute ihre Bedeutung nicht verloren hat. Zumal die Macht und der Einfluss von Stars noch immer wachsen und sie weiterhin nicht nur Vorstellungen diktieren und widerspiegeln, sondern auch selbst mindestens zweifach benutzt werden: vom Publikum, dem sie zum Objekt werden, und von der Kulturindustrie, der sie ihr Leben verdanken.
Einer der aktuellen Hollywoodregisseure, die mit diesem Komplex besonders verbunden sind, weil sie für ihre erfolgreichen Starvehikel geschätzt und geheuert werden, ist John McTiernan: Predator (1987) und Last Action Hero (1993) sind ganz und gar um Arnold Schwarzenegger zentriert und illustrieren im Verbund sehr schön den Wandel des Images dieses „Action-Helden“ vom Zerstörer zum selbstbewussten Geschäftsmann. Jagd auf „Roter Oktober“ (1990) und Medicine Man (1992) leisteten etwas weniger für Sean Connery, und Stirb Langsam 1 (1988) und Stirb langsam – Jetzt erst recht (1995) kreierten und feierten anschließend jenen Bruce-Willis-Heldentypus, der als verschwitzter Halbverlierer nicht ohne unzählige Verletzungen am blutverschmierten Leib aus seinen Abenteuern herauskommt.
Die Tradition lebt fort, wenn auch in einem anderen Tempo. Denn nur eine Woche nach seinem Remake The Thomas Crown Affair, das sich um Pierce Brosnan in der Titelrolle dreht, kommt McTiernans Der 13. Krieger mit dem Titelhelden Antonio Banderas in die Kinos. Vielleicht ist es ja übertrieben, schon im Titel des Banderas-Films die Konzentration auf den Star zu lesen. Aber Michael Crichtons Romanvorlage zum 13. Krieger hatte immerhin „Schwarze Nebel“ geheißen und damit die dunkle Bedrohung anstelle des Helden exponiert. Der Film jedenfalls nimmt den Star-Ball auf und lässt nicht einmal eine Minute verstreichen, ohne seinen Titelhelden vorzustellen. Während sich ein Wikingerschiff durch meterhohe Wellen auf offener See kämpft, findet die Kamera Antonio Banderas auf dem Deck kauernd. „Ich bin Ahmed Ibn Fahdlan“, erklärt dessen Stimme aus dem Off, „doch es war nicht immer so, wie es jetzt ist. Es gab eine Zeit, da lebte ich als Poet in der schönsten und prachtvollsten Stadt der Welt …“ Die folgende Titelsequenz fasst in einem Tempo, das von den übrigen 95 Minuten nie wieder erreicht wird, den Fall des Ahmed Ibn Fahdlan im Jahre 922 n. Chr. zusammen: Durch eine Affäre mit einer verheirateten Frau in Ungnade gefallen, wird der Schöngeist aus Bagdad verbannt, um für seinen Monarchen fremde Länder, Sitten und Menschen zu studieren. Begleitet von seinem Diener Melchisidek (Omar Sharif mit einem viel zu kurzen Auftritt), entkommt er nur knapp einem Angriff der Tataren und macht dafür Bekanntschaft mit einer Horde Wikinger, mit denen er für den Rest des Films nicht viele, sondern genau ein Abenteuer bestehen wird. Und das, obwohl er mehr als einmal beteuert: „Ich bin kein Krieger!“
Der Unterschied macht die Geschichte. Hier die rauhen, großen, heidnischen und meistenteils blonden Wikinger. Da der gebildete und bußfertige arabische Edelmann mit seinem – „Hey, reiten die Arabs auf Hunden in die Schlacht?!“ – im Vergleich zu den Wikinger-Kaltblütern viel zu kleinen Pferd. Kein Krieger also. Wie aber passt das mit Antonio Banderas zusammen?
Nachdem er in Spanien durch die Filme von Pedro Almodóvar bereits ein nationaler Star geworden war, wurde Antonio Banderas in Hollywood zu dem Fremden, mit dem sich Hoffnungen bzw. Ängste verbinden. Das gilt sowohl für den Blick der Industrie auf das neue Pferd im Stall als auch für seine Rollen. Denn Banderas war nicht nur der Latin Lover schlechthin mit dem erotischen Appeal des (maßvoll) kulturell Anderen, sondern trat ganz direkt als eine Art junges, fremdes Versprechen auf: Er ist der Mann, der als erotisches Kultobjekt von Madonna in In Bed With Madonna – „Ich muss diesen Mann kennenlernen!“ – verzweifelt gesucht wird. Ausführlich wird er in Desperado als der coole, mysteriöse Rächer mit dem Gitarrenkasten angekündigt, bevor er sein erstes Opfer erledigt. In Assassins bläst er sich selbst als der fremde Killer-Emporkömmling auf, der Sylvester Stallone erst abknallen und dann beerben will. Und in Die Maske des Zorro muss er lange Zorros großmäulige, egozentrische, junge und leicht tollpatschige Gegenthese bilden, deren gleichwohl vielversprechenden Kämpfer-Anlagen erst vom alternden Meister selbst ausgefeilt werden müssen, bevor der Neue zum ersten Mal die sagenumwobene Maske tragen darf.
Insofern passt Der 13. Krieger recht gut in die Banderas-Actionfilme. Als der verheißene 13. Krieger einer Wikinger-Prophezeiung fährt Ibn Fahdlan mit in König Hrothgars (Sven Wollter) Reich, um die letzten Überlebenden vor dem Schreckliche zu retten, „das keinen Namen haben darf“: eine riesige Horde menschenfressender Krieger, scheinbar halb Bär, halb Mensch. Sechs Reiter mehr als in Die glorreichen Sieben verteidigen schließlich das letzte Dorf gegen die anstürmenden Wesen, und nachdem „der Arab“ sich aus einem der Wikinger-Schwerter einen Krummsäbel geschmiedet hat, zeigt Banderas wie schon als Zorro seine Geschicklichkeit im Kampf. Diesmal aber steht Banderas‘ Fremder im Gegensatz zu Assassins und Zorro für die Hochkultur, deren Mitglieder lesen können, nur einen Gott haben und nicht aus Waschtrögen trinken, in die bereits die restliche Horde gerotzt hat. Ach ja: Wann eigentlich wurde zuletzt in irgendeinem Blockbuster der Islam als Religion der Intellektuellen und der Sanftmütigen inszeniert, die dem Kampf und den Barbaren wenn möglich aus dem Weg gehen?
Das vielleicht Interessanteste am 13. Krieger ist dennoch sein Tempo. Mit altmodischer Ruhe erzählt er von dem Kampf zwischen den Wikingern und den mythischen Bärenkreaturen, bis die Schlacht geschlagen ist. Ganz ohne die handelsübliche Ironie wird da gewissermaßen das Hochhaus von Stirb langsam durch das Dorf der Wikinger ersetzt, in dem der Rhythmus der Glorreichen Sieben lebt. Vorwärts in die Vergangenheit – auch die Massenszenen wurden nicht nachträglich digital animiert, sondern entstanden wieder mit einer Unmenge an Komparsen und Pferden. Einerseits erinnert diese seltene Altertümlichkeit an so viele fantastische, klassische Abenteuerfilme und nimmt darüber – was heute nicht selbstverständlich ist – das Genre in seiner Geschichte ernst. Gleichzeitig aber geht damit sowie mit der Archaik der Kämpfer ein tradierter und sich historisch gebender Sexismus einher, der aber natürlich auch dann nicht gebrochen wird, wenn in der ahistorischen Mystik jener Bärenmenschen dafür Platz gewesen wäre. Im Gegenteil, erst wenn die Urmutter, der Uterus des Bösen, erschlagen ist, können die Nord-Männer siegen. Die „Barbarei“ also, der Banderas seinem Star-Charakter entsprechend als der andere, 13. Krieger gegenübersteht, bis er genau durch sie zum Mann wächst, liegt in diesem Sinne über dem ganzen Projekt.
Autor: Jan Distelmayer
Diese Kritik ist zuerst erschienen in: epdfilm, August 1999
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