Ansätze für ein kleines ABC der Maschinen:
1) Dunkle Maschinen sind Entitäten, die vollkommen abgeschottet gegenüber anderen Maschinen existieren; es sind Maschinen, die ohne jegliche Relationen bestehen, so dass es ihnen auch kaum möglich erscheint, irgendwelche Anziehungskräfte zu entwickeln, um sich selbst manifestieren zu können. Ontologisch sind diese Maschinen zwar möglich, aber wir besitzen keinerlei Kenntnis von ihnen.
2) Bei den trüben Maschinen handelt es sich um Entitäten, die in aller Vagheit existieren und die sich stets in Gefügen manifestieren, aber dennoch üben sie sehr wenig Einfluss auf andere Maschinen oder deren Relationen aus. Man könnte hier sagen, dass die trübe Maschine innerhalb der sozialen Relation per se als quer erscheint, sozusagen als der Teil, der in den sozialen Gefügen kaum etwas zählt, z.B der Arbeiter, Immigrant, Obdach- und Arbeitslose etc., und obwohl diese trüben Maschinen in den sozialen Gefügen manchmal sogar äußerst auffällig agieren bzw. hyper-sichtbar erscheinen, besitzen sie keinerlei Stimme, die sich in irgendeinem Milieu oder Feld politisch zu manifestieren vermag und manchmal verzweifeln sie deswegen an ihrer Einflusslosigkeit. Es gibt zahllose politische Strategien, die sich darauf konzentrieren, diese Maschinen etwas heller zu gestalten, damit sie vielleicht etwas mehr an Anziehungskraft entwickeln.
3) Helle oder strahlende Maschinen sind Entitäten, die im Vergleich zu den trüben Maschinen eine ganz enorme Anziehungskraft ausüben, indem sie ständig Linien, Wege und Pfade kreieren, denen eine große Anzahl anderer Entitäten in bestimmten Zeiträumen einfach folgen müssen. Bestimmte Maschinen wie z.B. Institutionen, bürokratische Systeme, Staaten und Regierungen, Konzerne und Banken, Fossile und diverse Großtechnologien sind insofern leuchtende Maschinen, als sie die sozialen Gefüge und deren Zeiträume in einer Art und Weise strukturieren, dass vor allem die unterworfenen Entitäten im wesentlichen durch ihre Integration in diese Strukturen gekennzeichnet sind. Es scheint, dass die strahlenden Maschinen nichts anderes im Sinn haben als ihre eigene Reproduktion. So könnte man die Verschuldung als ein gutes Beispiel für die unsichtbare Macht der strahlenden Maschinen im Rahmen eines signifizierenden Systems heranziehen, denn durch Schulden, seien es nun Kreditkarten, Hypothekenkredite oder Studiengebühren, wird der Zeitraum des Lebens einer kleinen Maschine in einer möglichen Zukunft schlichtweg gesteuert oder restringiert.
4) Satelliten-Maschinen könnte man sich als solche vorstellen, welche in einem bestimmten Zeitraum an die exorbitante Anziehungskraft bzw. den Orbit der hellen Maschinen angekoppelt bleiben – man denke z.B. daran, wie das Leben der Massen seit der sog. Finanzkrise noch stärker an die Machtpraktiken der Banken und anderer Finanzinstitutionen angeschlossen wird, indem diese Organisationen Einkommen, Jobs und generell Möglichkeiten des Lebens nachhaltig affizieren. Die Masse ist und bleibt im Orbit dieser hellen Maschinen be- und gefangen, egal ob sie es nun will oder nicht. In vieler Hinsicht geht es in den heutigen politischen Kämpfen vor allem darum, Auswege und Fluchtlinien zu erfinden, um dem Orbit dieser hellen Maschinen zu entfliehen.
5) Sog. Schurken-Maschinen sind laut Levy R. Bryant solche, die keinem speziellen Gefüge angehören, aber ganz plötzlich in einem Gefüge wie aus dem Nichts auftauchen können. Diese Maschinen brechen in die Gefüge ein, um deren Anziehungskräfte sowie deren Pfade und Relationen zu rekonfigurieren oder neu zu konfigurieren, und letzteres ungefähr im Sinne des Ereignisses bei Badiou. Wenn das Auftauchen von solchen Objekten/Maschinen im Rahmen der alten Systemen auch als weitgehend unmöglich erscheint, so kann es dennoch vorkommen, dass sie wie aus dem Nichts auftauchen, wobei es sich hier um ein paradoxales Auftauchen im deleuzianischen Sinne handelt, bei dem das Neue durch die Wiederholung entsteht; so wiederholt die sog „verkleidete“ Wiederholung eine Virtualität, die schon in der Vergangenheit real war, aber aus welchen Gründen auch immer nicht aktualisiert wurde.
6) Spektrale Maschinen stellen eine Art Simulakrum dar, und dies im Sinne von eigentlich unerlaubt vorgenommenen (theoretischen) Verdinglichungen, mit denen Prozesse hinter einer zuweilen schrill leuchtenden Maschine verschwinden oder gegenüber einer gespenstisch transparenten, monströsen Maschine unsichtbar bleiben. Man behandelt solche Maschinen meistens, als ob sie Entitäten an sich seien, aber in Wirklichkeit stehen diese Maschinen für sehr komplexe abstrakte Gefüge oder für Relationen zwischen Entitäten. In letzter Konsequenz kann man diese Maschinen als spektral bezeichnen, sie existieren überall und nirgends. Und obwohl sie als fiktiv gelten, besitzen sie bisweilen äußerst starke, reale Anziehungskräfte –, sie wären somit als Symptome des Realen selbst zu begreifen, die massiv auf soziale Praktiken, Kämpfe und Aktivitäten einwirken. Oft behandelt man z.B. den Begriff des Kapitalismus so, als würde er tatsächlich etwas tun und/oder er würde als dieses Etwas überall und nirgends sein, unumstößlich, bar jeder Kontingenz und niemals veränderbar. Andererseits benötigen politisch widerständige Strategien selbst immer gewisse Weisen von Spektralogien, um diese Art der Gespenster zu vertreiben. Beschreiben wir dagegen den Kapitalismus selbst als relational-materielle Maschinen, deren Elemente aus Fiberkabeln, Datenbanken, Satelliten, Schiffsrouten, Institutionen, Unternehmen etc. bestehen, wobei – und gerade dies erscheint von äußerster Wichtigkeit –, zwischen diesen Elementen dominierende Relationen und Passagen wirken, die das Kapital mit seinen Grammatiken und Axiomatiken zu fixieren versucht (während dagegen z.B. Michel Serres auf Präpositionen abstellt, welche die Art und Weise bezeichnen, Relationen fluid zu halten) –, dann scheinen wir erst in der Lage zu sein, zu handeln und zu intervenieren, um etwa die Spiralen der Kreditierung, der Kapitalisierung zu unterbrechen oder zu hyper-beschleunigen, wofür natürlich eine Kartographie der Maschinen selbst notwendig ist.
7) Schließlich gibt es schwarze Löcher, von denen wir wissen, dass sie zumindest in der astronomischen Welt existieren, von denen wir jedoch hoffen sollten, dass sie in der ökonomisch und sozial-politisch strukturierten Welt niemals auftauchen. Schwarze Löcher sind Entitäten, die eine solch enorme Anziehungskraft bei der Krümmung von Zeiträumen besitzen, dass wir ihnen nicht entkommen könnten. Um die Intellektuellen, die den Kapitalismus als schwarzes Loch betrachten, dem man nicht entwischen kann, oder die etwa behaupten, dass unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen so mächtig geworden ist, sodass wir der Klimakatastrophe nicht mehr entkommen können, ranken sich eine Menge von Gerüchten, wobei diese Intellektuellen partout nicht einsehen wollen, dass man dem Paradox, dass „nicht mehr von uns ab(hängt), dass alles von uns abhängt“ einfach standhalten muss. (Michel Serres: Aufklärungen. Fünf Gespräche mit Bruno Latour, Berlin 2008) Es handelt sich also darum, die Figur der Determination durch das Kapital als relative zu denken (in Korrespondenz zur Determination-in-der-letzten-Instanz durch das Reale), denn eine Maschine vermag potenziell immer, und dies als Ausdruck ihrer Kontingenz, von einem Typ zu einem anderen Typ Maschine zu wechseln.
Achim Szepanski
- Achim Szepanski: Der Non-Marxismus Finance, Maschinen, Dividuum - 17. Oktober 2016
- Der neoliberale Kapitalismus: Leben und Denken wie die Schweine - 21. Januar 2016
- DREI TAGE POETISCHE EINHEIT. EINE VIRTUELLE FÜHRUNG. - 2. Oktober 2015
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