51 Stunden Film – Das Leben ganz normaler Leute

Wilmersdorf, ein Westberliner Bezirk zwischen Charlottenburg und Steglitz, hat weder Promifaktor noch Nachtleben. Hier liegt der Bundesplatz, von einer irrwitzigen Verkehrs- und Baupolitik zerstört, einfach nur hässlich! Warum ein Monumentalwerk der deutschen Film- und Fernsehgeschichte ausgerechnet an so einem Un-Ort spielt, ist einem banalen Umstand geschuldet: Die Filmemacher Deltef Gumm und Hans-Georg Ullrich haben hier ihr Filmbüro. An die 100 Dokumentarfilme sind seit den 1970er Jahren aus der Hand der beiden Regisseure entstanden, doch in keinem steckt so viel Herzblut, Engagement, Geduld und Feinfühligkeit wie in „Berlin – Ecke Bundesplatz“.

Die Idee das Leben ganz normaler „kleiner“ Leute zu filmen entstand in einer Zeit als das bundesdeutsche Fernsehen sich zu kommerzialisieren begann und ein Privatsender nach dem anderen entstand. 1985 war es die mutige Entscheidung vom WDR ein solchen Projekt zu unterstützen.  Man wollte ein Dokument schaffen, das späteren Generationen zeigt, wie Menschen am Ende des 20. Jahrhunderts leben – ihre Werte, Glücksvorstellungen, ihre Sorgen, Nöte und Freuden. Zunächst war geplant die circa 30 Protagonisten bis zur Jahrtausendwende zu begleiten, doch es gab so viel positive Rückmeldung, dass das Projekt bis 2012 fortgesetzt wurde.

Passend zur BERLINALE sind die letzten vier Filme fertig geworden. Sie erzählen von einem, der Jockey werden möchte und dann „nur“ kleine Brötchen backt, von einem Bodybuilder, der statt Schauspieler in Hollywood zu werden heute im Osten als Bezirksschornsteinmeister arbeitet, von einem Staranwalt, der im Knast landet und von einer ganz normalen Kleinfamilie, mit ihren Sorgen und Nöten. All dies wird mit großer Sorgfalt erzählt, ohne besserwisserische Kommentierung, laute Musik oder schnelle Schnitte. Dabei fängt man als Zuschauer unwillkürlich an über sein eigenes Leben nachzudenken. Wunsch und Wirklichkeit, wie geht das zusammen? So ist BERLIN – ECKE BUNDESPLATZ nicht nur ein filmisches Soziogramm, ein Panoptikum Berliner Lebens um die Ecke, sondern auch eine Reise ins eigene Leben.

Die Antworten im Film sind bunt und vielfältig und zum Teil eben typisch Berlin. Ob er sich wünscht mal eine richtig große Reise zu machen, wird etwa der Bäckermeister gefragt. „Nö“ sagt der „ick gehör zu den Menschen, die den Pups am liebsten im eigen Bett lassen“. Doch da sind nicht nur flotte Sprüche, sondern auch Optimismus und Lebensweisheit. Mit der Zeit wachsen einem die Figuren ans Herz. Gesprächspassagen werden unterbrochen mit kleinen Szenen aus dem Alltag. Sie liefern Blicke auf Arbeits- und Wohnräume, auf Frisuren, Kleider, Tischgewohnheiten.

Das Gesamtwerk umfasst mittlerweile 51 Stunden Film.

Gern wird „Berlin – Ecke Bundesplatz“ mit der legendären DDR Langzeitfilmproduktion „Lebensläufe – Die Kinder von Golzow“ verglichen. Zusammengenommen ist es ein unglaubliches Glück:  zwei filmische Chronologien deutscher Geschichte – Ost wie West.

Daniela Kloock

 

 

www.zukunftkino.com

 

MEHR INFORMATIONEN:

Interview mit den Filmemachern (von Daniela Kloock)

website Känguruh-Film

Online-Präsentation des Prokektes auf der website Deutsche Kinemathek

 

 

SENDETERMINE:

Die Bundesplatz-Filme von 2012 aktuell im TV

Dienstag, 19. Februar 2013, 22.25 Uhr auf 3sat »Feine Leute«
Dienstag, 19. Februar 2013, 2.25 Uhr auf 3sat »Die Köpcke-Bande« (von 2009, aktualisiert)
Mittwoch, 20. Februar 2013, 22.25 Uhr auf 3sat »Bäckerei im Kiez«
Mittwoch, 20. Februar 2013, 2.20 Uhr auf 3sat »Die Aussteiger« (von 2009, aktualisiert)
Donnerstag, 21. Februar 2013, 22.25 Uhr auf 3sat »Schornsteinfegerglück«
Freitag, 22. Februar 2013, 22.35 Uhr auf 3sat »Vater, Mutter, Kind«
Samstag, 23. Februar 2013, 23:45 Uhr im WDR »Feine Leute«
Dienstag, 26. Februar 2013, 22.45 Uhr im RBB »Feine Leute«
Samstag, 02. März 2013, 23:45 Uhr im WDR »Bäckerei im Kiez
Dienstag, 05. März 2013, 23.30 Uhr im RBB »Bäckerei im Kiez
Samstag, 09. März 2013, 00:15 Uhr im WDR »Schornsteinfegerglück«
Dienstag, 12. März 2013, 23.15 Uhr im RBB »Schornsteinfegerglück
Samstag, 16. März 2013, 00:15 Uhr im WDR »Vater, Mutter, Kind«
Dienstag, 19. März 2013, 22.45 Uhr im RBB »Vater, Mutter, Kind
Samstag, 23. März 2013, 00.15 Uhr im WDR »Die Köpcke-Bande« (von 2009, aktualisiert)
Samstag, 23. März 2013, 01.45 Uhr im WDR »Die Aussteiger« (von 2009, aktualisiert)
Dienstag, 26. März 2013, 23.30 Uhr im RBB »Die Aussteiger« (von 2009, aktualisiert)
Dienstag, 02. April 2013, 22.45 Uhr im RBB »Die Köpcke-Bande« (von 2009, aktualisiert)

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