Wieder ein Film darüber, wie schwer es sein kann, die Schwelle von der Kindheit in die Welt der Erwachsenen zu überschreiten. Und – Überraschung – ein Film, der das altbekannte Thema neu gestaltet.
Der 12-jährige Simon (Kacey Mottet Klein) hat eigentlich keine Kindheit. Sein Leben in den Schweizer Alpen ist karg. Dazu kommt, dass seine schon erwachsene große Schwester Louise (Léa Seydoux) psychische Probleme hat. Simon muss nicht ums Leben, sondern ums Überleben kämpfen. Das macht ihn zum Kleinkriminellen. Er grast die Skipisten ab und klaut reichen Touristen die kostspielige Ski-Ausrüstung. Der Weiterverkauf per Straßenhandel rentiert sich. Doch auf Dauer geht das natürlich nicht gut. Hinzu kommt, dass die Beziehung zu Louise mehr und mehr zum Nervenkrieg wird. Es sieht ganz danach aus, als müssten Beide in eine Katastrophe schliddern. Ob die schließlich Katharsis bringt, ist bis zum letzten Moment ungewiss.
Léa Seydoux und Kacey Mottet Klein tragen den Film mit souveränem Schauspiel. Beide charakterisieren die Figuren mit minimalem Aufwand. Ganz langsam zeigen sie, dass es nicht Simon ist, der erwachsen werden muss, sondern Louise. Da sie aber entscheidende Schritte nicht gehen kann, betrügt sie den Jungen um seien Kindheit und damit auch um eine möglicherweise bessere Zukunft. Regisseurin Ursula Meier verlässt sich klugerweise weitgehend auf die Intensität der beiden Akteure. Sie ziehen das Publikum denn auch trotz ein, zwei arg konstruiert anmutender Entwicklungen innerhalb der Erzählung in den Bann. Man folgt ihnen mit Anteilnahme – und wird dadurch, auch als schon lang Erwachsener, mit Fragen der ganz alltäglichen Verantwortung für den Nächsten angeregt.
Peter Claus
Winterdieb, von Ursula Meier (Schweiz/ Frankreich 2012)
Bilder: Arsenal
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