Über die deutsche Kinolandschaft, ihre Bewohner und deren Konsumverhalten
Den Kinobesitzern geht es anscheinend gut. Allein mit ihrem Ticketverkauf haben sie im vergangenen Jahr 989 Millionen Euro erwirtschaftet – deutlich mehr als zuvor. Und dies bei einem Besucherrückgang um immerhin 10 Prozent. Die Erklärung hierfür ist jedoch einfach: Die Eintrittskarten fürs Kino sind in den letzten Jahren um ein Drittel teurer geworden.
Vor allem der 3D Boom hat diese Entwicklung geschickt begründet und kaschiert. Gleichzeitig ist die massive Preissteigerung für bestimmte Gruppen der Grund dem Kino fern zu bleiben, so das Ergebnis einer Befragung der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). Vor allem bei den 10 bis 29 Jährigen, der bisher eigentlich relevantesten Besuchergruppe, lässt sich eine deutliche Kinoabstinenz ablesen. Die ungleich billigere DVD, das attraktivere Streaming Angebot aus dem Internet und ein insgesamt veränderter Bilder- und Medienkonsum mögen Gründe hierfür sein. Auch insgesamt nimmt die Wertschätzung fürs Kino permanent ab. Ging aus der Gruppe der kinoaffinen Besucher 1999 noch jeder durchschnittlich sechs bis sieben mal pro Jahr ins Kino, waren es 2011 nur noch vier Besuche jährlich. Gleichzeitig aber zeigt sich, laut GfK-Studie, wer einmal den Weg ins Lichtspielhaus gefunden hat, dem sitzt der Geldbeutel relativ locker. Denn ein Drittel des Umsatzes, man glaubt es kaum, kommt zusätzlich zum Ticketverkauf aus dem sogenannten Consession Bereich. Für Verzehr gehen pro Kopf durchschnittlich fast 7 Euro über die Kinotheke. Verkauft werden nicht nur das klassische Becks, die Cola oder das „Magnum“, sondern „Spiderman Eis“, „Tigerenten Topper“, oder je nach Filmangebot zu „Madagscar 3“ oder „Ice Age 4“ sogenannte „Film-Menü-Trays“ – gigantische Popkornbecher mit entsprechend gestalteten Banderolen.
Hier entwickelt sich ein für die Branche lukrativer Zwischenmarkt, der das Sehen mit dem Einverleiben bzw. mit einem erweiterten Konsumangebot zu verbinden sucht. Die Multiplex-Kinos machen damit bereits 40 Prozent ihres Umsatzes. So wundert es nicht, dass in Gießen und Hanau derzeit Kinoneubauten mit integrierten Restaurants geplant sind, in denen bis zu 150 Essen in einem engen Zeitfenster serviert werden sollen. Auch eine Kette kleiner Luxushäuser, zu denen beispielsweise die Astor Film Lounge in Berlin gehört, versucht mit zusätzlichen Service-Angeboten Gewinne zu generieren. Ein Doorman, eine Gardrobiere, ein Begrüßungscocktail und gepflegtes Fingerfood am Platz ziehen ein zahlungskräftiges, vor allem älteres Publikum an, welches sich weder in den nach Popcorn riechenden Sälen der Multiplex-Kinos wohl fühlt, noch in den eher in die Jahre gekommenen Arthouse- und Programm Kinos. Und das Konzept scheint aufzugehen. Köln, München und Zürich haben bereits solche Kinos, und Frankfurt kommt demnächst dazu. Die jüngsten Besucherbefragungen der Filmförderanstalt (FFA) geben diesem Trend recht. Im Zeitverlauf der letzen 10 Jahre hat der Anteil der 60 plus Generation am Kinobesuch um 80 Prozent zugenommen. Doch je älter der Kinobesucher desto stärker ausgeprägt ist sein Qualitätsempfinden bezogen auf das Ambiente. Dabei klettert der Ticketpreis dann ohne weiteres auf durchschnittlich 17 Euro.
Problematisch sind diese Entwicklungen für die Lichstpieltheater, die personalmäßig oder von den Räumlichkeiten her nicht auf auf den Gastronomie- und Luxus-Zug aufspringen können. So verzeichnen die Einsaalhäuser, also die klassischen Kinos ohne großes Brimborium drum herum, die stärksten Besucherrückgänge. 2011 mußten 183 Kinos ihre Pforten schließen. Vorzugsweise in ländlichen Gebieten, aber wegen steigenden Mietkosten oder zu starker Konkurrenz durch andere Freizeit- und Medienvergnügen nicht nur dort. So gibt es beispielsweise am Kurfürstendamm in Berlin, der Stadt mit der bundesweit größten Kinodichte, von einst 22 Kinos gerade noch zwei.
Und der Film, um den es doch eigentlich gehen sollte? Auch hierzu gibt es Untersuchungsergebnisse. Über 3000 Mitglieder der internationalen Filmgemeinschaft, Branchenmitglieder wie Filmenthusiasten, wurden hierzu befragt (Filmwoche 15/12). Dabei kam heraus, dass 81 Prozent der Überzeugung sind, dass das Mainstream-Publikum fantasievollere Filme sehen möchte. Zwei Drittel der Befragten glauben zudem, dass es einen Mangel an originellen Drehbüchern gibt und dass große Film-Franchises favorisiert werden. Ein weiterer Befund: 60 Prozent äußerten Besorgnis, dass zuviel Nachdruck auf neue Techniken gelegt wird und inhaltlicher Einfallsreichtum dabei auf der Strecke bleibt.
Abschließend erhält man aus all den Studien und Befragungen – nicht zuletzt auch nach der diesjährigen Jahrestagung des Hauptverbandes der deutschen Filmtheater (HdF) – folgenden Eindruck: die Branche lässt sich – eben weil es ihr wirtschaftlich so gut geht – wenig einfallen, um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken. Vorstellbar wären eine Ausdifferenzierung und Flexibilisierung des Filmangebots, eine Professionalisierung der Kinomacher aber auch der Versuch einer größeren Publikumsbeteiligung. Hier sind zukunftsträchtigere Konzepte gefragt als ein erweitertes Konsumangebot, denn die Konkurrenz fürs Kino wird weiter zunehmen. Auf dem Pariser Autosalon wurde z.B. gerade ein neuer Smart vorgestellt mit integriertem Beamer unter der Motorhaube. Und sollte man keine Lust mehr aufs Filme schauen haben kann man sich den Sternenhimmel aufs Autodach projizieren lassen.
Daniela Kloock
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