Es gibt wohl nur wenige Romane des 20. Jahrhunderts, die derart berühmt sind und viel geliebt werden, wie Jack Kerouacs „On the Road“. Im Westen sah sich die so genannte Beat-Generation vortrefflich verstanden, im Osten weitete das Buch den Blick auf Lebensmöglichkeiten jenseits verordneten Spießertums. Ein Sehnsuchts-Buch also.
Dem brasilianischen Regisseur Walter Salles („Central Station“) muss man gehörigen Mut zugestehen, sich an eine Verfilmung gewagt zu haben. Die Kritiken sind gespalten. Und, ja: da gingen nicht alle Träume auf. Die notwendigen Kürzungen haben zu Verflachung geführt. Und doch. Auch der Film hat seine Stärken. Die gehen besonders auf das Konto von Sam Riley. Er spielt den Autor Sal, der sich 1947 mit einem Freund (Garrett Hedlund) und dessen Frau (Kristen Stewart) „on the road“ begibt, auf eine Tour einmal quer durch die USA. Freiheit ist ihr Ziel. Was sonst?! Drogen und Sex bereiten den Weg. Und Eskapaden, wie etwa Deans Scheidung von seiner Frau und die Heirat einer anderen (Kirsten Dunst). Und dann kommt auch noch ein Kind auf die Welt…
Das Kaleidoskop der Stationen amüsiert. Doch die gewaltige Sprachkraft von Kerouac schimmert allenfalls gelegentlich durch. Die konkreten Bilder hemmen, ein altes Problem, die Phantasie der Zuschauer. Das, was Kerouac so meisterhaft gelang, nämlich die Zuchauer in ihren Köpfen auf Reisen zu schicken, sie selbst erleben zu lassen, fehlt hier. Man wird zu Begleitern im Kino. Mehr nicht.
Es gibt viel zu sehen. Kameramann Eric Gautier gelangen wundervolle Panoramen, oft in wohligen Brauntönen. Nur: das ist alles recht sauber. Das Dreckige der Vorlage fehlt. Sam Riley macht manches wett. Er wird, weil der Zugang zu seiner Figur, einem letztlich doch durchschnittlichen Typen, einfach ist, zum Erzähler, nimmt einen als Zuschauer sozusagen an die Hand. Seine Virtuosität als Schauspieler versöhnt einen mit den Mängeln. Wer das Buch nicht kennt, erfährt durch ihn eine spannende Geschichte über Möglichkeiten und Grenzen der Selbsterkenntnis.
Peter Claus
On the Road, von Walter Salles (USA/ Frankreich/ England 2011)
Bilder: Concorde
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