Hans-Christian Schmid dreht Filme, die mit sanfter Widerborstigkeit packen. Zusammen mit seinem Autor-Freund Bernd Lange, mit dem Schmid schon „Sturm“ und „Requiem“ realisiert hat, sorgt er auch diesmal wieder für eine kreative Irritation.
Ausgelöst wird die von Beobachtungen in einer Familie, die zunächst recht durchschnittlich anmutet: der Berliner Marko (Lars Eidinger) fährt mit seinem kleinen Sohn Zowie (Egon Merten) ins Rheinland. Die Familie erwartet ihn zum Wochenende. Dass Marko sich schon vor einiger Zeit von seiner Frau (Eva Meckbach) getrennt hat, wissen die Seinen nicht. Eine bequeme Lüge, um Idylle vorzutäuschen. Verständlich. Seine Mutter (Corinna Harfouch) und sein Vater (Ernst Stötzner), gut betucht, wollen wohl auch gar nicht immer wirklich wissen, was Sache ist. Markos kleiner Bruder, Jakob (Sebastian Zimmler), hat sich in der Nähe als Zahnarzt etabliert. Er und seine Freundin (Picco von Groote) scheinen wirklich glücklich zu sein. Doch auch das trügt. Besonders schwierig ist die Situation, weil die Mutter manisch-depressiv ist. Seit langem in Behandlung, fühlt sie sich aber stark und verkündet stolz, die Medikation absetzen zu wollen, sie käme auch so gut zurecht. Das versetzt alle in Angst und Unruhe – zurecht, wie sich im Lauf des Wochenendes zeigt.
Hans-Christian Schmid hat wunderbar leise inszeniert. Das zeigt sich insbesondere in der Schauspieler-Führung. Selbst ein Theatertiger wie Stötzner, der gern zu großen Gesten neigt, wirkt angenehm zurückhaltend. Dass die Harfouch das kann, wusste man längst, und doch überrascht sie diesmal mit noch mehr Nuancen im Nicht-Aussprechen und Nicht-Ausstellen. Sie ist nun mal eine der Besten in ihrer Generation. Allein mit ihrer Körperhaltung, die immer Stärke und Zerbrechlichkeit zugleich zeigt, kann die Harfouch unendlich viel erzählen. In Lars Eidinger hat sie einen großen Partner. Auch er begeistert mit Sensibilität. Drehbuch und Regie haben ihn allerdings geradezu meisterhaft zugearbeitet. – Nur gen Ende wird ein wenig überzogen. Die Schlusssequenz ist überflüssig. Zuschauer, die mitdenken und mitfühlen, haben längst begriffen, warum die Familie die Selbstzerstörung vorantreiben muss. Doch wird die Kraft, die von dem Film ausgeht, dadurch nicht geschmälert.
Wer es schätzt, durch die Kunst zum Nachdenken über sich selbst angeregt zu werden, ohne dass dabei vorschnell Antworten auf drängende Fragen frei haus geliefert werden, muss diesen Film sehen!
Peter Claus
Was bleibt, von Hans-Christian Schmid (Deutschland 2012)
Bilder: Pandora
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