Spätestens seit 2005 der spanische Film „Das Meer in mir“ (zu Recht!) einen „Oscar“ gewann, hat die Auseinandersetzung mit dem Thema „Leben mit Behinderung“ im Kino Konjunktur. Zahlreiche der gut gemeinten, jedoch nicht wirklich guten Filme sind (auch zu Recht!) vergessen. Noch gut in Erinnerung: „Vincent will Meer“ aus Deutschland und – ja noch immer erfolgreich in den Kinos – der französische Hit „Ziemlich beste Freunde“. Schöne Erfolge. Doch wer darüber nachdenkt, dem fällt auf, dass auch diese Filme nicht die gedankliche Tiefe von „Das Meer in mir“ haben.
Und „Hasta la Vista!“ nun? Die belgische Komödie kommt Gehalt und Klasse von „Das Meer in mir“ recht nah. Eine Komödie. Zu diesem Thema. Kann das gut gehen? Es geht hervorragend. Im Zentrum der liebevoll erzählten Geschichte stehen drei junge behinderte Männer, sie sind über 20, sie sind nicht unglücklich, Selbstmitleid ist ihnen fremd, doch sie sind sauer, denn partnerschaftliche sexuelle Erfahrungen konnten sie bisher keine sammeln. Als sie von einem Bordell in Spanien hören, das angeblich auf Menschen mit Behinderungen als Kunden spezialisiert ist, starten sie durch. Erwartungsgemäß treffen sie auf viele Hindernisse. Und, auch das überrascht nicht, schließlich wird auch hier wieder klar, dass der Weg an sich das Ziel ist.
Die Komödie, die auf Tatsachen beruht, hat vielfach eine melancholische Grundierung. Der fast vollständig gelähmte Philip (Robrecht Vanden Thoren), der blinde Jozef (Tom Audenaert) und der nach einer Krebs-Erfahrung in den Rollstuhl gezwungene Lars (Gilles de Schryver) werden von Regisseur Geoffrey Enthoven nie ausgestellt. Ein voyeuristischer Blick auf die Figuren bleibt aus. Das bewirken auch die agilen Akteure. Denn sie bauen auf Güte statt auf Gags unter der Gürtellinie. Der Witz erwächst aus Dramatischem. Das gibt ihm Schärfe. Das damit provozierte Lachen hat allerdings oft einen bitteren Beigeschmack. Denn die mit Kraftausdrücken gespickten Sprüche, mit denen sich die Behinderten über sich selbst lustig machen, sind erfreulicherweise der Realität abgelauscht, also alles andere als „politisch korrekt“. Auch wird so einiges an körperlichen Schwierigkeiten gezeigt, was in sentimentalen Filmchen ausgeblendet wird. Hier wird ein hartes Thema angegangen, also ist die Erzählung hart. Das sorgt für Glaubwürdigkeit. Ohne, dass eine solche Absicht auch nur angedeutet wird, sorgt der Film ganz selbstverständlich für Integration: behindert oder nicht-behindert, alt oder jung, blond oder schwarzhaarig – die intelligente Geschichte von der Suche nach der jeweils eigenen Persönlichkeit betrifft nämlich jede und jeden.
Peter Claus
Hast la Vista!, von Geoffrey Enthoven (Belgien 2011)
Bilder: Ascot Elite
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