DAMALS

Ach Leute. Ihr wart doch auch dabei, damals. Damals, als jeder, der zur Erweiterten Oberschule (vulgo: Gymnasium) wollte oder zum Studium, ein Attest benötigte. Gesellschaftlich aktiv, Klassenstandpunkt klar, Einstellung positiv.

Wenn einer wohlmeinende Lehrer oder Vorgesetzte hatte, bekam er ein solches Papier ohne sonderliche Kopfstände. Bodo Witte, der damalige Erfurter Intendant, stellte mir ein solches Zeugnis aus, so kam ich zu Abitur und Diplom, obgleich mir damals, anders als später, die DDR so ziemlich Hekuba war.

Aber es ging auch anders. Es ging nicht ohne FDJ, es ging selten, wenn einer aktiv in einer Jungen Gemeinde war und es ging, wechselnd mit den Jahren, schwer, wenn die Eltern den falschen Beruf oder die falsche Einstellung hatten.

Und jetzt gibt es Leserbriefe, die das bezweifeln. Dabei, da gibt es nichts zu zweifeln. Die wenigstens behauptete „positive Grundeinstellung zu unserer Republik“ war eine Grundvoraussetzung jeglicher höherer Bildung. Und Angela Merkel, die diesen Zuschriften zum Argument dienen muss, wird getan haben, was doch viele taten: Bisschen gesellschaftliche Aktivität, bisschen Klappe halten. Wie rot es wirklich war unterm blauen Hemd, das ging keinen was an.

Es war ja wirklich nicht alles schlecht. Aber wenn ihr alles leugnet, was wirklich schlecht war, dann macht ihr den Rest auch noch kaputt. Dann ist, was bleibt von der DDR: Demagogie und Rechthaberei.

Henryk Goldberg, Thüringer Allgemeine 13. Juni 2012