Das Wort „Lysergsäurediethylamid“ kommt im allgemeinen Sprachgebrauch nicht vor. Die Kurzformel dafür ist weltweit ein Begriff: „LSD“. Seit Jahren geächtet, gilt die Säure als eine der gefährlichsten Drogen überhaupt. Dabei hatte sie einmal den besten Ruf, sowohl in der Medizin, als auch bei Kreativen, die behaupteten, LSD schenke ihnen ansonsten ungeahnte Schaffensmöglichkeiten.
Die Doku will herausfinden, wie es zu einem so widersprüchlichen Bild kommen konnte. Der Schweizer Autor und Regisseur Martin Witz geht dabei von Leben und Wirken des LSD-Entdeckers und -Entwicklers, des Chemikers Albert Hofmann aus. Ein im Jahr 2006 mit dem damals bereits einhundert Jahre alten Wissenschaftler geführtes Gespräch steht im Zentrum, Ausschnitte daraus strukturieren den Film. Die Chronologie beginnt 1943. Damals entdeckte der 37-jährige Hofmann die bis dahin unbekannte, aus dem Mutterkorn der Roggenähre stammende, Substanz. Er schildert eindrücklich, welche Wirkungen Selbstversuche hatten, was für Zweifel ihn bewegten, doch auch Hoffnungen. Aus dem Labor des Chemikers in einem Schweizer Pharmakonzern eroberte sich LSD schnell einen Platz in der Medizin. Es galt als ideales Mittel zur Behandlung schwerer Psychosen. Rasch griff auch das Militär zu. Dabei ging es nicht um Heilung. Die Droge schien bestens geeignet, Menschen zu enthemmen und unter deren Einfluss Soldaten geradezu als Kampfmaschinen agieren lassen zu können. Berühmt wurde LSD als Anstoß für bewusstseinserweiternde Trips zur Hochzeit der Popkultur in den 1960er Jahren. All das zeigt der Film mit Archivmaterial und belegt es durch Interviews mit zahlreichen Zeitzeugen. Das nicht ohne Wertung. Rasch ist klar, dass die allein auf materiellen Gewinn zielende Vermarktung frühzeitig begann – und damit das Ende der Karriere dieses Stoffs.
Furiose Farbspiele und Toncollagen stehen für die Wirkung von LSD. Hier werden bewusst gängige Klischees geboren, um sie sofort zu konterkarieren. Der Mythos von der „harmlosen Partydroge“, als die LSD, aus dem angeblich die schönsten Träume sind, so gern stilisiert wird, wird dabei sehr schnell entblättert und zu den Akten gelegt. Die Chronologie der Ereignisse verdeckt jedoch nicht das Wesentliche. Für Albert Hofmann ist das, seine Statements belegen es, die Verantwortung des Wissenschaftlers für sein Tun, eine Verantwortung, die er weit vor die ebenfalls unumgängliche Neugier setzt, vor den Drang danach, der Natur ihre Geheimnisse abzuringen.
Im letzten Kapitel zeigt die Dokumentation, wie LSD Todkranken helfen kann, zur Schmerzlinderung und beim Sterben selbst. Da werden starke Akzente gesetzt. Es wird klar, dass die umstrittene Substanz ein Potential hat, das längst nicht ausgeschöpft wurde. Intelligenz und Verantwortungsbewusstsein sind gefragt. Beides ist Mangelware in einer Welt, in der über allen Göttern als oberster der des Geldes thront.
Peter Claus
The Substance, von Martin Witz (Schweiz 2011)
Bilder: mindjazz (Real Fiction)
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