Samstag, 29. September 2007
Fiji
Wir landen auf dem internationalen Flughafen von Nadi. Obgleich „Nadi“ geschrieben, wird der Städtename „Nandi“ ausgesprochen. Am Ende der Gangway spielen bunt gekleidete Fijianer Ukulele und schmettern den Besuchern ein kräftiges „Bula“ entgegen. Bastian Pastewka hat vor Jahren mal in einem Interview erzählt, dass „Bula“ auf Fiji sowohl „Willkommen“ als auch „Hallo“ als auch „Bitte fahren Sie Ihren Wagen in Parkbucht Nummer 17“ heißen kann. Und damit hat er vollkommen Recht. Denn in den kommenden fünf Tagen höre und sage ich jede Stunde mindestens fünfzig Mal „Bula“.
Zum Glück muss ich mich im Urlaubsparadies der 330 tropischen Inseln um gar nichts kümmern, weil ich schon in Neuseeland das „Awsome Adventure“-Paket mit allen Transfers, Hotels, Mahlzeiten und Fährverbindungen gebucht habe. Kostenpunkt: 832 Neuseeland Dollar für fünf Tage und vier Nächte. Das sind rund 430 Euro. Mein Shuttlebus bringt mich zum Aquarius Fiji Hotel.
Von hier soll jede Stunde ein Bus Richtung Stadtzentrum fahren. Schon auf dem Fahrplan steht ausdrücklich, dass er mal zehn Minuten früher, aber auch durchaus zehn Minuten später eintreffen kann. Man soll sich entsprechend auf diese „Fiji Time“ einstellen. Mit acht Minuten Verspätung tuckert das alte fensterlose Gefährt um die Kurve. Ich lasse mich in die verschlissenen Polster fallen. Nach 15 Minuten Fahrt durch grüne Wiesen, vorbei an Zuckerrohrfeldern und einem McDonald’s-Drive-In, der an der Einfahrt mit „Bula“ grüßt, erreiche ich die halbwegs moderne Innenstadt. Hier reihen sich nicht nur die Shops und Supermärkte aneinander, hier müssen Touristen auch erdulden, alle fünf Sekunden mit Verkaufsabsichten angequatscht zu werden. Dieser Spießroutenlauf nervt mich schnell.
Ich will mich am Ende der Hauptstraße in den kunterbunten Hindu-Tempel retten. Doch der begrüßt einen am Eingang mit dem handgeschriebenen Hinweis, dass man ihn nur mit Tourguide und zum Preis von 35 Dollar besuchen darf. Fotos vom Zaun aus seien außerdem verboten. Diese offenkundige Touristenabzocke veranlasst mich dazu, den Tempelbesuch zu streichen. Weil keiner guckt, mache ich schnell meine Fotos. Vom Zaun aus.
Obwohl Nadi nach der Hauptstadt Suva die zweitgrößte Stadt auf der Insel Viti Levu ist, bietet sie nicht viel Sehenswertes. Ich laufe am Busbahnhof vorbei zum Prince Charles Park und werde neugierig, weil vor dem Sportstadion eine große Menschenmenge wartet. In diesem Moment fährt der Bus mit dem Rugby-Team von Nadi vor. Ich habe zwar keine Ahnung von Fijis Sportart Nummer eins, aber weil die Tickets für das Spiel nur zwei Dollar kosten, kaufe ich mir eines. Als einziger Europäer im Stadion wecke ich das Interesse vieler Zuschauer und Sportler. Selbst der Kapitän des Teams kommt vor dem Spiel auf mich zu und fragt höflich, ob ich ein Foto von ihm und seiner Mannschaft machen will. Ich will.
Nachdem das Spiel Nadi gegen Mosi gerade mal 15 Minuten läuft, verlasse ich das Stadion, weil ich unbedingt noch ins Kino Galaxy möchte. Das ist fest in der Hand von Bollywood-Filmen. Zu meiner großen Überraschung sind nämlich 46 Prozent der 800.000 Fijianer indischer Herkunft, was nicht nur den Hindu-Tempel und die vielen indischen Shops erklärt, sondern eben auch die vielen indischen Filme im Kino. Für 3,50 Dollar, rund 1,60 Euro, kaufe ich ein Ticket für den Thriller „Darling“. Dessen Handlung ist genauso schlicht wie die Klappstühle in dem Filmpalast, dessen einstige Pracht etliche Jahrzehnte zurückliegt.
Als ich das Kino verlasse, ist der letzte öffentliche Bus zu meinem Hotel längst abgefahren. Der Taxifahrer verlangt überteuerte acht Dollar für den 15-minütigen Transfer zu meinem Nachtlager. Dort sorgt abends eine lokale Tanzgruppe für Bula und Stimmung, doch ich höre die Rhythmen nur vom Zimmer aus. Ich liege längst im Bett und bin reif für die Insel. Die heißt Kuata und ist mein morgiges Ziel.
Sonntag, 30. September 2007
Kuata Island
Tourist für Tourist steigt in den großen Reisebus, der am frühen Morgen die einzelnen Hotels in Nadi abklappert und die Schar der Sonnenhungrigen zur Halbinsel Denarau bringt. Dort liegt der Hafen, von dem aus die vielen großen und kleinen Inseln der Region angesteuert werden. Auf unsere Gruppe wartet ein großer Katamaran, der täglich eine Strecke von 90 Kilometern fährt. Zuerst vorbei an den Mamanuca Islands, dann weiter zur Inselkette Yasawa. Jede Insel, jedes Resort, jeder Ferienclub entsendet jeweils ein kleines Boot und holt die Gäste vom Katamaran ab: „Bula everybody!“
Nach gut anderthalb Stunden wird Kuata Island ausgerufen. Eine Südafrikanerin, ebenfalls auf Weltreise, und ich besteigen ein kleines Boot und werden zum nahe gelegenen Strand gebracht. Kuata ist winzig klein und bietet neben dem Resort nur ein paar Berge vulkanischen Ursprungs, einige Strände und viel Wald. Von Kuata aus werden zwar Halbtagestouren zu einem Dorf auf der Nachbarinsel durchgeführt, doch weil heute Sonntag ist, entfällt dieses Angebot.
Ich starte meine Erkundung des kleinen Eilands und komme unterwegs mit einem australischen Touristen ins Gespräch. Chris ist Lehrer in Brisbane und hat mit seiner Freundin, die ebenfalls Lehrerin ist, ein paar Tage auf Kuata verbracht. Wir werden zum Mittagessen gerufen und ich lerne die anderen Gäste auf der Insel kennen. Zwei Schwedinnen, eine Kanadierin und eben die Südafrikanerin Lesley, mit der ich auf die Insel gebracht wurde. Außerdem ist hier noch die Italienerin Francesca. Sie hat vor zwei Monaten Urlaub auf Kuata gemacht und sich dabei in einen der wenigen Inselbewohner verliebt. Einen Monat will sie noch hier bleiben, dann werden beide gemeinsam nach Rom ziehen. Tja, ich drücke die Daumen.
An Wochentagen wird für zehn Fiji Dollar eine geführte Tour auf den höchsten Felsen von Kuata angeboten, der eine prächtige Aussicht auf die Inselkette ermöglicht. Am heutigen Sonntag ruht leider auch diese Tour, doch das australische Paar erklärt mir, wie ich auf eigene Faust dorthin komme. Ich steige den gut erkennbaren Pfad hoch, teste eine vermeintliche Abkürzung und verlaufe mich im dichten Gehölz. Irgendwann bin ich dann doch ganz oben, genieße den Ausblick und verewige meinen geglückten Aufstieg, indem ich einen großen Steinhaufen um einen weiteren kleinen Stein erhöhe. Der Rückweg ist beschwerlich, weil es steil bergab geht. Die Zehen meines linken Fußes beißen sich dermaßen in den Schuh fest, dass hinterher zwei Pflaster fällig sind, um die Blasen und Schürfwunden zu kurieren.
Unerwartete Verletzungsgefahr birgt auch die Hängematte, die verlockend vor meinem schlichten Ferienhaus schaukelt. Als ich mich in sie hineinwerfe, dauert es keine zwei Sekunden, bis ich nach einer kräftigen Umdrehung wie ein Stein zu Boden plumpse. Keine Ahnung, warum das Teil dermaßen straff zwischen zwei Bäumen gespannt sein muss. Ans sichere Hinlegen ist auf diesem geflochtenen Brett auf jeden Fall nicht zu denken.
Das Abendessen ist fertig. Weil die Australier und Schwedinnen am Nachmittag die Insel verlassen haben, sind wir jetzt nur noch drei Gäste auf Kuata. Kelly, eine Kanadierin, die zurzeit als Lehrerin in Auckland unterrichtet, möchte morgen bei Sonnenaufgang ihren Gutschein für die Besteigung des Inselberges einlösen, doch leider findet sich kein Tourguide, der um fünf Uhr in der Frühe aufstehen will. Ich biete mich als Ersatzführer an und nehme gern in Kauf, dass dieser Frühsport meinen Zehen den Rest geben wird.
Am Abend begegnet mir in meinem Haus die erste Kakerlake meiner Weltreise. Sie klettert mir aus meinem Rucksack entgegen, lässt sich aber nicht erwischen, sodass ich kurzerhand den Rucksack samt Inhalt vor die Tür werfe. Hier auf Kuata kommt eh nichts weg. Deshalb haben die Türen der Ferienhäuser auch kein Schloss.
Montag, 1. Oktober 2007
Kuata und Naviti Island
Der Wecker klingelt um 4.45 Uhr. Der Stromgenerator auf der Insel läuft um diese Zeit leider noch nicht, sodass ich mich in meinem Haus in völliger Dunkelheit orientieren muss. Irgendwo im Koffer müsste die kleine Taschenlampe liegen, doch die ist ohne Taschenlampe schwer zu finden. Mit Hilfe des leuchtenden Handydisplays ist die Suche aber doch erfolgreich.
Kelly kommt um fünf Uhr an meinem Haus vorbei. Wir gehen zunächst wieder über den gut erkennbaren Pfad. Diesmal will ich eine andere Abkürzung zum Gipfel des Berges nutzen, die sich aber als noch steiler erweist als die gestrige. Weil die Sonne schon am Horizont zu erkennen ist, kippen wir unseren Plan, den Berg bis zum Gipfel zu erklimmen, und betrachten den Sonnenaufgang von einem baumfreien Berghang aus.
Nach dem Frühstück folgt das nächste Abenteuer: Schnorcheln mit den Riffhaien. Hätte mir 24 Stunden vorher einer gesagt, dass ich an dieser Unternehmung teilnehmen werde, hätte ich ihm vermutlich einen Vogel gezeigt. Aber jetzt sitze ich mit zwei Einheimischen und Kelly in einem Holzboot und lasse mich vom Benzinmotor eine halbe Stunde lang zum Riff rausfahren. Lesley ist lieber auf der Insel geblieben. Als Südafrikanerin hat sie von zu vielen Haiattacken auf Menschen gehört.
Maske auf, Schnorchel in den Mund, rein ins Wasser. Die Korallenwelt, die ich in dem 30 Meter tiefen Wasser erblicke, raubt mir den Atem. Es dauert keine zwei Minuten, bis die ersten Riffhaie auftauchen. In der Theorie hatte ich es so verstanden, dass ich die Haie aus sicherer Entfernung von der Wasseroberfläche aus beobachte, während ein mutiger Fijianer 20 Meter unter mir die Tiere mit frisch harpunierten Fischen füttert. In der Praxis erkenne ich jetzt aber, dass die Haie bis auf einen Meter Entfernung lustig auf mich zu schwimmen. Mir geht ein wenig die Muffe, aber letztlich bin ich von dieser Begegnung sehr fasziniert. Die Haie sind zwischen einem und anderthalb Metern lang. Aber vermutlich werden sie künftig immer größer, je öfter ich die Geschichte erzähle.
Nach 30 Minuten im Riff müssen wir zurück nach Kuata. Am Ufer steigt Kelly aus dem Boot und Lesley hinein. Auch mein Koffer wird in den kleinen Holzkahn getragen. In der Ferne ist schon der Katamaran zu sehen, der pünktlich um 10.30 Uhr vor Kuata hält und uns an Bord nimmt. Das nächste Ziel: Naviti Island, wo ich zwei Nächte im Korovou Eco Tour Resort verbringen werde. Gegen 12 Uhr sind wir dort. Lesley ist ebenfalls für das Resort gebucht, außerdem nimmt eine Lehrerin aus London in unserem kleinen Transferboot Platz. Sie ist seit acht Monaten auf Weltreise.
Das Personal des Resorts trägt farbenfrohe Hemden und singt zu Gitarrenklängen ein Begrüßungslied: „Bula everybody!“ Auch zwei süße Mädchen von zwei und drei Jahren begrüßen die neuen Gäste. Die zweijährige Polay ist dank ihrer von der Sonne blond gebleichten Haare der Star der Insel und posiert für jedes Foto. Selten habe ich ein so sonniges Gemüt und Energiebündel erlebt.
Beim Mittagessen lerne ich die anderen Gäste im Resort kennen. Darunter ein Schreiner aus Irland, der mit seiner Freundin ein Jahr Ozeanien und Asien bereist und unterwegs immer mal wieder Jobs annimmt, um die nächste Etappe zu finanzieren. Und eine Versicherungsmaklerin aus London, die sich für ihre Weltreise hat beurlauben lassen. Einmal mehr bin ich überrascht, wie viele Weltreisende es gibt, die – wie ich – freiwillig auf Zeit oder für immer ihre alte Existenz aufgeben und nun in anderen Ländern auf Gleichgesinnte treffen.
Im Gegensatz zu Kuata ist Naviti eine große Insel. Zu groß, um sie komplett zu Fuß zu erkunden. Die Kanadierin Nora, die ebenfalls auf Weltreise ist und zwei Monate lang im Korovou Eco Ressort als Masseuse jobbt, gibt mir den Tipp, dass der Honeymoon Beach einen Besuch wert sei. Dafür muss ich über einen kleinen Hügel klettern und auf der anderen Seite zwei Dollar in eine Spendenbox werfen. Ich fische einen Geldschein aus meiner Tasche und amüsiere mich darüber, dass Königin Elisabeth II., die auf allen Geldscheinen abgebildet ist, stets lachend ihre Zähne zeigt. Auf britischem Geld wäre das undenkbar, aber die gute Laune der Fijianer macht offenbar auch vor königlichen Porträts nicht Halt. Bula!
Der Honeymoon Beach ist malerisch und einsam, allerdings muss man vermutlich wirklich auf Honeymoon, also in den Flitterwochen sein, um die Vorzüge dieses Strandes schätzen zu lernen. Mein Plan, ein faules Sonnenbad am Strand zu nehmen, wird von einem kleinen Wetterumschwung durchkreuzt. Kaum liege ich zwei Minuten am Boden, ziehen Wolken vor die Sonne und schütten kräftigen, aber immerhin warmen Regen aus. Egal. Wenig später wird eh das Abendessen serviert. Nachdem ich vier Wochen lang in Neuseeland abends allein im Hotelzimmer gehockt habe, genieße ich den Austausch mit anderen Weltreisenden sehr. Ich bin zurück im Leben und lade meine Akkus für die nächsten Reiseetappen auf.
Es folgt ein Bula-Begrüßungstanz, den die männlichen Resort-Angestellten für uns drei Neuankömmlinge aufführen. Wer will, kann mittanzen. Ich will nicht.
Dienstag, 2. Oktober 2007
Naviti Island
Um neun Uhr beginnt die Village Tour für 25 Dollar. Lesley aus Südafrika, drei Londonerinnen und ich besteigen das motorisierte Holzboot. Nach 15 Minuten erreichen wir Gaunavou. Die Frauen des Dorfes breiten schnell ihre selbst gemachten Schmuckstücke und andere Souvenirs für die Touristen aus, die Männer bereiten alles für die Kava-Zeremonie vor. Kava ist ein flüssiges Rauschmittel, das aus der Wurzel einer Pfefferpflanze gewonnen wird. Als einziger Mann und zugleich noch Ältester in unserer kleinen Reisegruppe gebührt mir die Ehre, als erstes Versuchskaninchen die braune Plörre aus einer halben Kokosschale zu trinken. Sie schmeckt zum Glück nicht so schrecklich wie erwartet, wird aber trotzdem nie mein Lieblingsgetränk werden. Erst später erfahre ich, dass der Gährungsprozess in Gang gesetzt wurde, indem die Männer alle mal in die Schüssel gespuckt haben.
Wir besuchen die Grundschule von Gaunavou. 130 Kinder in blau-weißen Uniformen reihen sich im Schatten der großen Bäume auf und singen für uns die Nationalhymne von Fiji. Es folgen weitere Lieder und Tänze. Die Kinder lernen an ihrer Schule Englisch, sprechen auf ihren nahe gelegenen Heimatinseln aber vorwiegend einen der vielen Fiji-Dialekte. Bei den Besuchen der ausländischen Touristen nutzen sie mit großer Freude die Gelegenheit, ihre neu gelernten Vokabeln anzuwenden. Mit noch größerer Freude lassen sie sich fotografieren. Wann immer ich die Kamera zücke, versammeln sich erst zehn, dann 20, dann 30 Kinder auf engstem Raum. Solche Begegnungen liebe ich.
Nach dem Mittagessen lade ich die frischen Fotos auf mein Notebook. Das weckt sofort das Interesse der Fijianer. Wir unterhalten uns ausgiebig. Samson, ein 17-jähriger Angestellter im Resort, bietet mir eine Tour hinter den Kulissen der Anlage an. Erst besuchen wir seine Großeltern, die mich mit großer Gastfreundschaft in ihrem kleinen Haus empfangen, dann streifen wir durch Bananen- und Kokosplantagen bis ans Ende des Strandes, wo wir die Schweine füttern. Auf dem Heimweg legen wir einen Fotostopp bei drei Frauen ein, die aus Bananenblättern Körbe flechten, und in der kleinen Waschküche von Rachel, die heute für gerade mal zehn Fiji Dollar einen Großteil meiner Klamotten reinigt.
Am Ende des Tages weiß ich: Naviti Island gefällt mir sehr, sehr gut. Hier regiert nicht der Kommerz wie auf vielen anderen Inseln oder in Nadi. Hier haben die Besucher und die wunderbaren Einheimischen gemeinsam eine angenehme Zeit, lernen voneinander und respektieren sich. Hinzu kommt, dass sich hier nicht die Partymeute versammelt, wie sie zum Beispiel auf Beachcomber Island zu finden ist. Auch die heutigen Neuankömmlinge aus Neuseeland und Kanada erweisen sich beim Abendessen als interessante Gesprächspartner. Hier könnte ich es länger aushalten, doch leider werde ich Fiji morgen verlassen.
Mittwoch, 3. Oktober 2007
Naviti Island und Nadi
Eigentlich will ich hier gar nicht mehr weg. Den großen Familienbetrieb vom Korovou Eco Tour Resort auf Naviti habe ich innerhalb nur eines Tages regelrecht ins Herz geschlossen. Was offenbar auf Gegenseitigkeit beruht. Den ganzen Vormittag über werde ich freundlich mit Namen gegrüßt und ständig kommen Besucher auf meine kleine Veranda, um sich die gestern gemachten Fotos auf meinem Notebook anzuschauen. Ich brenne die Fotos auf CD und schenke sie Samson. Stellvertretend für alle Bewohner der Insel, sodass sie sich die Bilder auf den durchaus modernen Computern im kleinen Internetcafé des Resorts anschauen können.
Um 14.20 Uhr erscheint der große Katamaran wieder am Horizont. Ein kleines Holzboot fährt uns rüber. Es beginnt die dreistündige Heimfahrt nach Nadi. Von dort aus nehme ich den kostenlosen Shuttle zum Internationalen Flughafen. Vor mir liegt die längste Flugreise meines Lebens: Mit drei Mal Umsteigen werde ich insgesamt 40 Stunden unterwegs sein, um via Los Angeles, Guatamala City und Panama City schließlich in Santiago de Chile zu landen.
Der Flughafen von Nadi erweist sich als sehr modern, sodass ich dort gut die dreistündige Wartezeit rumkriege. Eigentlich will ich meine letzten 69 Fiji Dollar gegen US Dollar umtauschen, doch dann entdecke ich im Duty-Free-Shop Nike-Sportschuhe, die auf exakt 69 Fiji Dollar runtergesetzt worden sind. Weil meine in Tokyo gekauften Schuhe bald auseinanderfallen werden, lege ich mir die neuen Treter zu.
Das Flugzeug von Air New Zealand startet pünktlich um 22.30 Uhr. Zum Glück ist es nur zu einem Drittel besetzt. Deshalb zieht der alte, muffelige Mann, den mir die Airline auch diesmal wieder an die Seite gesetzt hat, schon nach wenigen Minuten in eine der hinteren Sitzreihen um. Dort kann er sich komplett hinlegen. Ich mache es mir auf meinem Doppelsitz bequem und schlafe auch direkt nach dem Abendessen ein. Als ich wieder wach werde, läuft bereits der dritte Bordfilm. Der zehneinhalbstündige Flug nach Los Angeles ist weitgehend geschafft.
Noch einmal: Mittwoch, 3. Oktober 2007
Los Angeles
Dieser 3. Oktober wird mir in ewiger Erinnerung bleiben: als längster Tag in meinem Leben. Weil der Flug von Fiji nach Los Angeles über die Datumsgrenze geht, profitiere ich von einem kuriosen Phänomen. Obwohl ich am 3. Oktober erst um 22.30 Uhr in Nadi abgeflogen bin, komme ich ebenfalls am 3. Oktober schon um 14 Uhr in Los Angeles an. So gesehen, habe ich im Flug einen Reisetag geschenkt bekommen.
Michael Scholten
Der in Kambodscha lebende Reise- und Filmjournalist Michael Scholten (TV Spielfilm, TV Today, ADAC Reisemagazin, Spiegel Online) hat bisher 123 Länder bereist. Über seine längste Reise, die ihn innerhalb von 413 Tagen in 40 Länder führte, ist das 560 Seiten starke Buch “Weltreise – Ein Tagebuch” erschienen. Es umfasst 68 Farbfotos, viele Berichte über Filmlocations in Kambodscha, Sri Lanka, Neuseeland, Panama etc. und ist für 15 Euro unter www.michaelscholten.com zu haben.
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