Langsam wurde es ja schon unheimlich: ein guter Film nach dem anderen. Aber Saarbrücken hat auch, wie alle Festivals, Flops zu bieten. Nach der fast schon beängstigenden Fülle an Spielfilmen im Wettbewerb, die publikumswirksam und anspruchsvoll sind, standen heute nun zwei arg missratene Filmchen an, deren Titel hier freundlich verschwiegen werden sollen. Bemerkenswert in beiden Fällen: Es war deutlich zu spüren, dass die Filmemacher nicht mit Herzblut an die Sache herangegangen sind.
Es wurde Zeit für einen Ausflug in die anderen Sektionen. Die Kurzfilmreihen lockten – und belohnten mit Sehenswertem. Wieder das Bedauern, dass die Zeiten des „Vorfilms“ schon lang vorbei sind.
Die schönste Entdeckung des Tages fand sich im Wettbewerb der mittellangen Spielfilme: „Kaiser und König“ von Autor und Regisseur Timon Modersohn, ein fünfunddreißig Minuten kurzer Spielfilm. Modersohn hat den Mut zum Genre-Kino. Science Fiction wird geboten. Allerdings nicht mit Krach, Bumm, Zisch. Die in naher Zukunft angesiedelte Geschichte zeigt Berlin als toten Ort. Menschen sieht man kaum. Bröckelnde Ödnis beherrscht das Bild. Chaos und Gewalt haben die Oberhand gewonnen. Mittendrin: ein altes Ehepaar, der vierzigste Hochzeitstag steht an. Sie, blind, erlebt die Welt nur durch seine Erzählungen. Die fromme Lügen sind. Als sie sich zum anstehenden Fest Fleisch wünscht, kommt er in Bedrängnis. Zwar hat dieser Helmut Kaiser mit Kumpel Bobby König ein gutes Auskommen als illegaler Metallverkäufer, der sich alles unter den Nagel reißt, was sich verkaufen lässt, doch wo es noch Fleisch gibt in dieser Welt der Verwüstung, das weiß er nicht. Was weiter passiert, sei nicht verraten. Nur das: Es wird spannend.
Inszenierung, Kameraführung (dezent von einigen Spezialeffekten unterstützt) und die drei Hauptdarsteller Dierich Hollinderbäumer, Markwart Müller-Elmau und Liane Düsterhöft erschaffen eine von Klaustrophobie und zugleich Herzensweite geprägte Atmosphäre. Da wird aus der Geschichte fast von Selbst eine philosophische Parabel auf den unerschütterlichen (Über-)Lebensmut so genannter „Kleiner Leute“. Und der Film wird zur politischen Parabel. Was Modersohn, wie er im Gespräch erzählte, durchaus beabsichtigt hat, ohne dabei zu dick auftragen zu wollen. Das ist ihm vorzüglich gelungen. Ein sensibler Film, der klug unterhält und gleichzeitig den kritischen Blick auf den Zustand unserer Gesellschaft schärft. Exzellent. Schade, dass Filme dieser Länge, die in den Hochschulen gern gedreht werden, in diesem Fall der dffb in Berlin, selten außerhalb von Festivals oder studentischen Kreisen zu sehen sind. In jedem Fall: Modersohn, tatsächlich ein Spross der berühmten Künstlerfamilie, hat einen starken Beweis seines Könnens vorgelegt. Da hofft man, bald einem abendfüllenden Film von ihm zu begegnen – vielleicht beim nächsten Festival um den Max Ophüls Preis in Saarbrücken.
Peter Claus
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