Freitag, 13. Juni 2008
Bergkarabach
Es steht Aussage gegen Aussage: Mein Reisebuch sagt, ich bekomme das Visum für Bergkarabach direkt in der Hauptstadt Stepanakert, sobald ich dort eintreffe. Die stetig schlecht gelaunte Frau von der Touristeninformation in Eriwan sagte gestern aber, ich müsse das Visum schon vorher in Armenien bei der ständigen Vertretung des nie offiziell anerkannten Staates beschaffen. Ich gehe optimistisch das Risiko ein, am Grenzübergang abgewiesen zu werden.
Per Taxi fahre ich zum Busbahnhof außerhalb des Zentrums von Eriwan. Hier bricht täglich für 5000 Dram pro Fahrgast ein Minibus nach Stepanakert auf. Mein Koffer kommt aufs Dach, mein Hintern auf einen der unbequemen Sitze. Weil deren Zahl knapp ist, steige ich schon um 6.45 Uhr ein, um mir einen Sitzplatz mit Rückenlehne zu sichern. Wer zu spät kommt, muss auf lehnenlosen Notsitzen hocken. Und das geschlagene sieben bis acht Stunden lang.
Obwohl wir schon um kurz vor sieben mehr als vollzählig sind, fährt der Bus erst um 7.45 Uhr los. Über anfangs gute, später mittelprächtige Straßen mit vielen Schlaglöchern und noch mehr Viehherden, fahren wir durch eine atemberaubende Berglandschaft und nähern uns der Grenze zu meinem nächsten Reiseziel. Bergkarabach.
Den Namen hörte ich zu meiner Abiturzeit erstmals in den Medien. Der Grund war ein Krieg. 1991 erklärten die in Bergkarabach lebenden Armenier diese Region zu einer unabhängigen Republik. Dumm nur, dass die Gegend offiziell zu Aserbaidschan gehörte. Zwar bestand die Bevölkerung zu 80 Prozent aus armenischen Christen, doch Joseph Stalin entschied 1923, dass Bergkarabach dem muslimischen Aserbaidschan zugeteilt werden sollte. Der Unabhängigkeitserklärung von 1991 folgten blutige Kämpfe, bei denen 40.000 Menschen starben und rund eine Million fliehen mussten. Muslime gibt es seither nicht mehr in Bergkarabach.
Seit 1994 herrscht Waffenstillstand. Aber kein Land der Welt hat Bergkarabach als eigenständigen Staat anerkannt. Außer dem Nachbarland Armenien. Die Beziehungen zwischen Aserbaidschan und Armenien sind vergiftet, die Grenze zwischen beiden Ländern ist komplett versiegelt. Wer von einem Land ins nächste reisen will, muss einen Umweg über Georgien einplanen.
Mein Herz rutscht in die Hose, als der Minibus am Grenzübergang hält. Alle Ausländer, also ich, sollen aussteigen und den Pass vorzeigen. Endet mein Wochenendausflug in die Ex-Kriegsregion also doch schon hier? Der uniformierte Beamte spricht nur Armenisch und Russisch, doch wir können uns mit Gesten verständigen. Dass ich kein Visum habe, scheint kein Problem zu sein. Dass ich es in Stepanakert einholen muss, verstehe ich und wusste ich schon vorher. Der Beamte lächelt, gibt mir meinen Pass zurück und obendrein noch die Visitenkarte des Holsten Restaurants in Stepanakert. Es gehört seinem Cousin und ist – das deute ich aus seinem nach oben gereckten Daumen – sehr gut.
Früher als erwartet, um 14 Uhr, treffen wir am Busbahnhof von Stepanakert ein. Mein favorisiertes Hotel, das Kars mit einem Übernachtungspreis von 7500 Dram, hat kein Zimmer frei. Doch der Rezeptionist namens Nuep schlägt als Alternative ein Gästezimmer im leicht heruntergekommenen Privathaus auf der anderen Straßenseite vor. Das soll 4000 Dram kosten. Die Hausherrin empfängt uns im Morgenmantel und diskutiert lautstark mit Nuep. Er übersetzt die Frage, ob es mir was ausmacht, das Zimmer mit ein paar anderen Mitgliedern der Familie zu teilen. Ja, es macht mir was aus. Ich gehe. Nuep kommt hinterhergelaufen und sagt, die Familie sei bereit, mir das Zimmer allein zu überlassen. Doch ich laufe schon auf ein altes Ehepaar zu, das vor dem Nachbarhaus einladend winkt. Es sind Tamara und Ivan, deren inoffizielles Gästehaus in der Straße Nalbandian Poghots 21 A sogar im „Lonely Planet” empfohlen wird. Für 5000 Dram pro Nacht, die im voraus zu zahlen sind, beziehe ich eines ihrer beiden großen Zimmer und habe darin drei Betten zur Auswahl.
Ich deponiere mein Gepäck in der neuen Bleibe und gehe in die Küche. Dort kassiert Nuep gerade von Ivan einen 1000-Dram-Schein und mehrere Münzen. Quasi als Gebühr dafür, dass er mich an das private Gästehaus vermittelt hat. Wegen dieses Nepps schlage ich sein Angebot aus, heute und morgen als mein Reiseleiter in Bergkarabach aktiv zu sein.
Die Pflicht ruft: Ich muss zum Außenministerium. Die Visa-Beauftragte spricht gut Englisch, die Prozedur ist kurz und schmerzlos, aber nicht kostenlos: 11.000 Dram muss ich für das Visum bezahlen, ein Passfoto wird benötigt, in eine Liste muss ich alle Orte eintragen, die ich in den kommenden Tagen besuchen will. Ich beschränke mich auf die typischen Touristengegenden, die fast alle der jährlich 4000 ausländischen Besucher ansteuern. Dabei würde mich die Stadt Agdam viel stärker interessieren. Sie liegt direkt an der Grenze zu Aserbaidschan, ist im Krieg vollkommen zerstört worden und soll – wenn die Presseberichte stimmen – noch heute aussehen wie Hiroshima nach dem Abwurf der Atombombe. Der Reiz, illegal dort hinzufahren, ist groß. Die Gefahr, verhaftet zu werden, aber auch. Ich verzichte.
Mit meinem Pass, der nun das Visum für Bergkarabach enthält, darf ich nicht nach Aserbaidschan einreisen. Die Beamten würden mich sofort des Landes verweisen. Zum Glück habe ich einen Zweitpass dabei, den ich in gut zwei Wochen am Flughafen in Aserbaidschans Hauptstadt vorlegen kann.
Bergkarabachs Hauptstadt wurde im Krieg stark zerstört. Seit 1996 ist Stepanakert aber weitgehend wieder aufgebaut und überrascht mit einigen sehr modernen Häusern und Geschäften. Mich erinnert alles an die Kosovo-Hauptstadt Pristina, die ich vor drei Jahren besucht habe, als der Kosovo noch nicht von Serbien unabhängig war.
Bergkarabach mit seinen 150.000 Einwohnern, die zu großen Teilen von der Landwirtschaft leben, hätte gar nicht das Geld für den Wiederaufbau gehabt. Die Region hängt finanziell am Tropf von reichen Armeniern, die in Russland, im Libanon, in Frankreich oder im Iran Karriere gemacht haben. Entwicklungshilfe gibt es kaum. Nur Armenien und zu einem geringen Teil die USA haben Geld für den Wiederaufbau gespendet. Mit den Dollar aus den USA wurde unter anderem die Bierbrauerei „Adana” wieder instandgesetzt.
Die Polizei ist in Stepanakert allgegenwärtig. Sie will mich auch daran hindern, von den Regierungsgebäuden Fotos zu machen. Nur das Haus des Präsidenten kann ich heimlich ablichten. Dessen Hausherr, Robert Kotscharjan, hat als Präsident eines offiziell gar nicht existierenden Staates nicht viel zu melden. Alle Entscheidungen für und über Bergkarabach werden im armenischen Parlament in Eriwan getroffen. Doch auch Armeniens Präsident Sersch Sarkissjan stammt gebürtig aus Bergkarabach.
Weil mir bis Sonntag nur wenig Zeit für die Erkundung der Region bleibt, will ich eine professionelle Tour buchen. Die beiden Angestellten in der Touristeninformation sprechen nur Armenisch und Russisch. Wir gestikulieren, schauen uns fragend an und müssen einsehen, dass diese Kommunikation keine Aussicht auf Erfolg hat. Immerhin bekomme ich ein sehr gutes, auf Englisch verfasstes Buch mit vielen Fotos überreicht. Das benutze ich am Abend, gemeinsam mit meinem eigenen Reisebuch, um die Pläne für morgen zu schmieden.
Samstag, 14. Juni 2008
Bergkarabach
Übernachtungen im Gästehaus von Tamara und Ivan bedeuten, nicht nur bei, sondern auch MIT den alten Gasteltern zu leben. Das wird mir gleich am frühen Morgen bewusst, als Ivan sich neben mir am Waschbecken breitmacht. Dass sich die Touristen das Badezimmer mit der Familie teilen müssen, wusste ich aus meinem Reisebuch. Dass sie es zeitgleich benutzen, merke ich erst jetzt. So rasiert sich Ivan die weißen Bartstoppeln aus dem Gesicht, während ich wenige Zentimeter daneben meinen elektrischen Rasierer kreisen lasse.
Um Punkt neun Uhr stehe ich vor dem Staatsmuseum von Stepanakert. Laut Reisebuch, das immerhin druckfrisch ist, macht das Museum um neun Uhr auf. Das hat man wohl kürzlich geändert und auf zehn Uhr verschoben. So lang will ich nicht warten. Ich möchte ein Taxi anheuern. Da es zwischen dem Fahrer und mir keinerlei sprachliche Schnittmengen gibt, zeige ich ihm mithilfe meines Bilderbuchs von der Touristeninformation alle Orte, die ich besichtigen will. Dann hole ich Dram-Scheine in steigender Anzahl aus der Tasche, bis der Fahrer die Summe abnickt. Wir einigen uns auf 18.000 Dram für den halben Tag. Eigentlich zu viel, aber ich habe keine andere Wahl.
Der erste Halt erfolgt zweieinhalb Kilometer außerhalb von Stepanakert. Die rötliche Steinskulptur „Wir sind unsere Berge“ aus dem Jahr 1966 zeigt die überdimensionalen Köpfe eines alten Ehepaars. Die Frau trägt, gemäß der Nationaltracht, Tücher über dem Kopf und vor dem Mund, was sie wie Darth Vader aus „Krieg der Sterne“ aussehen lässt. Das sollte man aber besser keinem Einheimischen sagen. Diese Skulptur ist eine Art nationales Heiligtum und seit mehr als 40 Jahren das Symbol Bergkarabachs schlechthin.
Die Straße führt zwölf Kilometer weiter zu den Ruinen des Forts Askeran aus dem 18. Jahrhundert. Die zwei Meter dicken und neun Meter hohen Mauern mit vielen Wehrtürmen erstreckten sich einst anderthalb Kilometer bis ins Tal. Ich mache Fotos, während mein Taxifahrer am Straßenrand Blumen pflückt.
Immer wieder fahren Militärfahrzeuge an uns vorbei. Sie sind auf dem Weg ins Grenzgebiet, das für mich tabu ist. Die Landminen sind dort zwar schon lange Zeit geräumt, doch die zerbombten Häuser und ausgebrannten Panzerwracks darf kein Ausländer sehen.
Touristen sollen lieber die schönen Orte besuchen: zum Beispiel das Kloster Gandzasar, 40 Kilometer nordwestlich von Stepanakert gelegen und Hauptsitz des Erzbischofs von Bergkarabach. Der Weg dorthin ist eine weitere Attraktion, weil er durch eine malerische Gebirgswelt führt. Auf einem der vielen Gipfel thront die religiöse Anlage aus dem 13. Jahrhundert, in deren Kathedrale angeblich der Kopf von Johannes dem Täufer unter dem Altar aufbewahrt wird. Zu sehen ist der nicht. Wohl aber die vielen Steinkreuze und armenischen Inschriften an den Wänden und Außenmauern.
Fliegerbomben aus Aserbaidschan haben dem Kloster Anfang der 1990er Jahre schwere Schäden zugefügt, doch dank einer großzügigen Spende konnte die Anlage restauriert werden. Der Geldgeber heißt Levon Hayrapetian, stammt aus dem Nachbardorf Vank und macht mit seinem Hummer-Imperium in Moskau Millionen. Einige Millionen hat er für den Bau von Straßen, Schulen, Hotels und Statuen gespendet.
Dieses Geld, gepaart mit den wilden Phantasien einiger Architekten, verleihen dem Dorf Vank einen ganz besonderen Charakter. Das Eclectic Hotel, in dem Pilger für 7000 Dram ein Nachtlager finden, wirkt wie eine verkappte Titanic aus bunten Steinen. Auch ein gerade im Bau befindliches neues Hotel ist an Kitsch kaum zu übertreffen. Inklusive Männeken Piss und nackten Frauen aus Bronze in bronzenen Liegestühlen.
Am Ortsausgang von Vank fotografiere ich das Ehrenmal für die im Zweiten Weltkrieg gefallenen Armenier: 600.000 zogen in den Kampf, nur die Hälfte kam lebend zurück. Die Polizisten auf der anderen Straßenseite beobachten mich mit Argusaugen. Mit aggressiven Gesten winken sie mich in einen kleinen Kabuff am Straßenrand. Dort hocken zwei Beamte in einem Verschlag, der mit Tapete im kleinteiligen 70er-Jahre-Muster und mit Fotos von russischen Models geschmückt ist. Fünf Minuten prüfen sie meinen Pass, mein Visum und die Liste meiner genehmigten Besuchsorte. Dann darf ich weiter.
Das Taxi trifft gegen 14.30 Uhr wieder in Stepanakert ein. Mir bleibt also doch noch Zeit, um das Artsakh State Museum zu besichtigen. Der Eintritt ist frei, die englischsprachige Führung ebenfalls. Neben ersten Funden aus der Stein- und Bronzezeit, mittelalterlichen Rüstungen und traditionellen Teppichen zeigt das Museum auch selbst gebaute Waffen, die für den Kampf um die Unabhängigkeit eingesetzt wurden. Am Ende der halbstündigen Tour weist mich die junge Museumsführerin auf die Angebote im kleinen Shop am Ausgang hin. Neben armenisch- und englischsprachigen DVDs über die Geschichte von Bergkarabach liegt dort auch ein großformatiger Bildband mit dem Titel „Vandalism“. Er beschreibt mit Fotos und Texten, wie respektlos Aserbaidschan auf seinem Staatsgebiet die ehemals armenischen Kirchen und Klöster verfallen lässt.
Dass es den muslimischen Moscheen auf armenischem Gebiet auch nicht besser ergeht, sehe ich bei meinem Besuch in Stepanakerts Nachbarstadt Shushi. Deren zerbombte und zerfallene Minarette sind schon von Weitem zu erkennen, als ich mit dem Minibus die neun Kilometer zwischen beiden Städten zurücklege. Shushi, einst das intellektuelle Zentrum Bergkarabachs und für seine prächtigen Bauwerke bekannt, hat im Krieg besonders stark gelitten. Als die Stadt noch fest in Hand der aserbaidschanischen Truppen war, schossen sie vom höher gelegenen Shushi aus ihre Raketen auf das im Tal liegende Stepanakert und seine armenischen Bewohner.
Doch bei schweren Gefechten in der Nacht vom 8. auf den 9. Mai 1992 konnten die Armenier Shushi einnehmen und das Dauerfeuer auf Stepanakert beenden. Die letzten Muslime, die in Shushi lebten, wurden vertrieben. Die ohnehin beschädigten Moscheen sind seither ungenutzt und zerfallen. Angeblich sollen sie restauriert werden, doch mit Ausnahme weniger Bauzäune deutet im Moment nichts darauf hin.
Die beiden christlichen Kirchen von Shushi erstrahlen dagegen in neuem Glanz: Die kleine „Grüne Kirche“, Kanatch Zham, und die große weiße Ghazanchetsots-Kathedrale sind umfassend renoviert worden. An der Kathedrale verlasse ich den Minibus und bin froh, meinem leicht angetrunkenen Sitznachbarn entfliehen zu können, der unentwegt das Gespräch suchte und nicht einsehen wollte, dass ich seine Sprache nicht beherrsche. Mit mir steigt ein junger Mann aus dem Bus. Er folgt mir einige Meter und fragt auf Englisch, ob er mir ein paar Fragen stellen dürfe. Ich denke, dass er sich als Fremdenführer aufdrängen will, doch dann lässt er die Katze aus dem Sack: Er arbeitet für den Nationalen Sicherheitsdienst von Bergkarabach. Es beginnt auf offener Straße ein kleines Verhör, woher ich komme, warum ich Bergkarabach besuche, wo ich schon überall war, warum ich Fotos mache, wofür ich sie verwende und so weiter.
Ivan sieht irgendwann ein, dass ich nicht gerade als Staatsfeind Nummer eins einzustufen bin. Er lässt mich gehen. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass ich weiterhin überwacht werde. In einer versteckten Ecke der Kathedrale tausche ich die Speicherkarte meiner Kamera gegen eine andere aus und verstecke den ersten Chip mit allen Fotos, die ich gestern und heute gemacht habe, in meiner Brusttasche. So kann sie im Fall der Fälle niemand konfiszieren. In Shushi wird zwar an allen Ecken und Enden gebaut, doch die Kriegsschäden sind weiterhin gut sichtbar. Ganze Stadtviertel sind zerstört, komplette Wohnsilos stehen leer. Ohnehin leben in der einstmals größten Stadt Bergkarabachs heute nur noch 3000 Menschen.
Bis Shushi mit Stepanakert gleichauf ist, werden wohl noch Jahrzehnte vergehen. Die Kinder auf den Straßen sind umso vorlauter, frecher und kommunikativer. Als ausländischer Tourist, der mit Kamera durch die Straßenzüge läuft, falle ich auf und bin ein willkommenes Versuchskaninchen, an dem sie ihre Englischvokabeln ausprobieren.
Der Minibus bringt mich für 200 Dram zurück nach Stepanakert. Dort setze ich mich auf die Terrasse eines der leicht überkandidelt wirkenden Restaurants in der Hauptstadt. Meine Wahl fällt auf das Niko, das blaue Spiegelfenster mit dem weißen Dekor griechischer Tempel vermischt. Ich hätte auch ins Sphinx gehen können, dessen Front aus einer riesigen ägyptischen Sphinx mit Plastikpalmen besteht. Doch so viel Kitsch würde mir dann doch den Appetit verderben.
Sonntag, 15. Juni 2008
Eriwan
Meine Gasteltern Tamara und Ivan schlafen noch, als ich um kurz nach sieben ihr Haus in Stepanakert verlasse. Ich lege ein kurzes Abschiedsschreiben auf den Tisch und hoffe, dass ihnen jemand die englischen Dankesworte übersetzen wird.
Der erste Minibus nach Eriwan verlässt Stepanakert um acht Uhr. Ich zahle 5000 Dram und verstaue meinen Koffer unter einer Sitzbank. Weil alle Plätze sehr bald besetzt sind, fahren wir schon um 7.45 Uhr los. Drei Mütter halten je ein Kind auf ihrem Schoß. Die Kleine vor mir verhält sich vorbildlich, die Kleine in der ersten Reihe heult unentwegt, der Kleine zu meiner Rechten muss ständig kotzen. Mal in die Tüte, mal auf den Boden, mal in das Handtuch, das seine Mutter ihm reicht. Und wenn sich besonders große Portionen Speimaterials ankündigen, wird der Busfahrer um einen außerplanmäßigen Stopp gebeten.
Hinter der Grenze zu Armenien, an der ich meinen Pass zeigen und meinen Meldezettel abgeben muss, ist die Strecke nicht mehr ganz so kurvenreich. Der Kleinjungenmagen, der inzwischen eh zu 100 Prozent geleert sein dürfte, kommt zur Ruhe.
Michael Scholten
Der in Kambodscha lebende Reise- und Filmjournalist Michael Scholten (TV Spielfilm, TV Today, ADAC Reisemagazin, Spiegel Online) hat bisher 123 Länder bereist. Über seine längste Reise, die ihn innerhalb von 413 Tagen in 40 Länder führte, ist das 560 Seiten starke Buch “Weltreise – Ein Tagebuch” erschienen. Es umfasst 68 Farbfotos, viele Berichte über Filmlocations in Kambodscha, Sri Lanka, Neuseeland, Panama etc. und ist für 15 Euro unter www.michaelscholten.com zu haben.
- Holger Doetsch: Das Lächeln der Khmer. Ein Kambodscha-Roman. - 31. März 2019
- Peter Orloff zum 75. - 12. März 2019
- Interview mit Clemens Schick über die HISTORY-Reihe „Guardians of Heritage – Hüter der Geschichte“ - 26. November 2017
Schreibe einen Kommentar